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SCHWEINFURT
Früherkennung kann Darmkrebs verhindern
Expertentelefon zum Thema Darmkrebs, Mediziner aus der Region stellen sich am Telefon Fragen. Gruppenfoto mit (von links) Dr. Sabine Leucht, Dr. Joachim Müller, Dr. Steffi Appelt, Dr. Christoph Schmidt, Dr. Klaus Kosch und Dr. Markus Ewald.
Foto: Anand Anders | Expertentelefon zum Thema Darmkrebs, Mediziner aus der Region stellen sich am Telefon Fragen. Gruppenfoto mit (von links) Dr. Sabine Leucht, Dr. Joachim Müller, Dr. Steffi Appelt, Dr. Christoph Schmidt, Dr.
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 06.04.2018 02:23 Uhr

Seit 15 Jahren gibt es in Schweinfurt deshalb die jährliche Tagblatt-Telefonsprechstunde zum Thema "Darmkrebs verhindern oder heilen durch Früherkennung". Sie ist Teil einer bundesweiten und erfolgreichen Aufklärungskampagne im März eines jeden Jahres: Seit der Einführung der kostenlosen Vorsorge-Koloskopie (Dickdarmspiegelung) ab 55 Jahre in 2002 konnten dadurch bundesweit 120 000 Todesfälle und 250 000 Neuerkrankungen verhindert werden.

Trotzdem gibt es jährlich mehr als 62 000 Neuerkrankungen mit über 26 000 Todesfällen. Noch immer nehmen zu wenig Menschen die oft lebensrettenden Früherkennungsangebote an. Hier gegenzusteuern und für eine Vorsorge-Koloskopie zu werben, hält Dr. Joachim Müller, Internist und Gastroenterologe vom Ambulanzzentrum Schweinfurt, für eine vordringliche Aufgabe. Auch diesmal hat er für die Telefonaktion fünf Experten in die Redaktion mitgebracht: Die beiden Chefärzte Dr. Markus Ewald und Dr. Christoph Schmidt (St. Josef), Dr. Steffi Appelt (Ambulanzzentrum), Dr. Sabine Leucht (Krankenhaus Hofheim) und Dr. Klaus Kosch (Werneck).

FRAGE: Ich habe Hämorrhoiden und manchmal Blut im Stuhl. Bei einer Enddarmspiegelung (Proktoskopie) war alles in Ordnung. Kann ich beruhigt sein?

Nein, denn bei einer Enddarmspiegelung können nur ein paar Zentimeter des Darms beurteilt werden. Das Blut kann aber auch aus höher gelegenen Darmabschnitten stammen. Deshalb empfehle ich Ihnen eine weiterführende Diagnostik (Dickdarmspiegelung).

Ich habe mit 55 Jahren die kostenlose Vorsorge-Koloskopie machen lassen, in zehn Jahren habe ich Anspruch auf die nächste. Ist dieser Abstand nicht zu lang?

Dieses Zehn-Jahre-Intervall wurde ebenso wie das Einstiegsalter von 55 Jahren für die erste kostenlose Koloskopie durch die Leitlinien der Fachgesellschaft Verdauungserkrankungen festgelegt. Dabei flossen auch wirtschaftspolitische Überlegungen ein. Aus ärztlicher Sicht wären ein früheres Einstiegsalter ab 50 Jahren und ein kürzeres Intervall durchaus sinnvoll. Das gilt besonders für Menschen mit einem erhöhten Risiko. Die Empfehlung des Arztes zu einer Wiederholung hängt auch vom Ergebnis der feingeweblichen Untersuchung eines vorsorglich entfernten Polypen ab. Doch solche Empfehlungen werden hinfällig, wenn plötzlich neue Beschwerden auftreten. Dann sofort zum Facharzt.

Wer hat ein erhöhtes Risiko?

Ein erhöhtes Risiko tragen Menschen, die Fälle von Darmkrebs in der Familie haben, älter als 50 Jahre sind, schon länger an einer Entzündung der Dickdarmschleimhaut (Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn) leiden, Darmpolypen haben oder hatten, Blut in oder auf ihrem Stuhl beobachtet haben, zu viel Fleisch und tierische Fette und zu wenig Obst und Gemüse verzehren, Alkohol trinken oder rauchen, Diabetes haben, sich wenig bewegen, übergewichtig sind.

Was ist ein Polyp, was ist ein Adenom?

Jede Vorwölbung von der Darmwand ins Innere wird zunächst als Darmpolyp bezeichnet. Adenome sind Darmpolypen, die sich aus der normalen Gewebestruktur der Darmschleimhaut entwickeln. Adenome neigen dazu, sich auf der zellulären Ebene zu verändern, es mischen sich abnorm veränderte Zellen unter das normale Gewebe (Dysplasie).

Mein Vater ist mit 60 Jahren an Darmkrebs gestorben. Ich bin jetzt 45 Jahre alt, ab wann sollte ich zur Früherkennung gehen?

Bei erhöhtem Krebsrisiko durch familiäre Vorbelastung sollten Sie zehn Jahre vor Beginn der Erkrankung des Angehörigen selbst zur Koloskopie gehen. Bei Häufungen von familiären Krebsfällen gelten kürzere Untersuchungs-Abstände. Informieren Sie auch Ihre Kinder über das erhöhte Risiko. Sind drei oder mehr Familienmitglieder an Darmkrebs, Gebärmutter- oder Magenkrebs erkrankt, kann eine besondere erbliche Form von Darmkrebs (HNPCC/Lynchsyndrom, FAP) vorliegen. In diesem Fall sind für die direkten Verwandten bereits Vorsorgemaßnahmen ab einem Alter von 25 Jahren zu empfehlen.

Bekommt man bei einer Darmspiegelung immer eine Narkose?

Eine Narkose mit Beatmung und einem Anästhesisten ist das nicht, es handelt sich um eine Infusion für einen kurzen komplikationslosen Dämmerschlaf.

Ich habe ziehende Schmerzen im After, der Urologe hat den Enddarm begutachtet, alles ist in Ordnung. Vor drei Jahren hatte ich eine Dickdarmspiegelung. Sollte ich die jetzt wiederholen?

Nein, eine erneute Koloskopie halte ich nicht für notwendig.

Ich habe gelesen, dass man eine Kapsel schlucken kann, um den Darm zu untersuchen. Was ist das?

Diese Kapsel-Endoskopie mit einer Minikamera wird vorwiegend zur Untersuchung des Dünndarms eingesetzt, den man mit einer Koloskopie nicht erreicht. Sonst ist eine Koloskopie aussagefähiger: Der Darm wird durch Luft etwas aufgeblasen, kann sich entfalten und der Arzt kann ihn nach kleinsten Polypen absuchen und diese gleich entfernen. Im Dünndarm kommen selten Polypen vor, die müssen dann operativ entfernt werden.

Ich bin 77 Jahre alt und hatte vor elf Jahren eine Koloskopie, möchte sie jetzt wiederholen. Seit zwei Jahren leide ich infolge eines Gehirntraumas an Epilepsie, was eine sorgfältige Darmreinigung fast unmöglich macht.

In diesem Fall empfehle ich Ihnen eine Dickdarmspiegelung unter stationären Bedingungen.

Ich (56, m) treibe Leistungssport, habe Idealgewicht, meine Laborwerte sind bestens, Blut im Stuhl kenne ich nicht. Soll ich wirklich zur Früherkennungs-Koloskopie?

Früherkennung heißt ja gerade, einen „stillen“ Krebsbeginn oder eine Vorstufe rechtzeitig aufzuspüren und zu beseitigen. Darmkrebs besteht aus zunächst gutartigen Polypen, von denen 70 Prozent im Laufe von sechs bis zehn Jahren entarten. Solche Polypen werden bei der Darmspiegelung entfernt und feingeweblich untersucht. Durch diese präventive Entfernung könnte die Neuerkrankungsrate des Dickdarmkrebses um bis zu 90 Prozent reduziert werden. Eine solche Chance gibt es bei keiner anderen Krebsart, man muss sie nur nutzen.

Sie haben eben vom „stillen“ Darmkrebs gesprochen. Gibt es wirklich keine Alarmzeichen?

Die gibt es, und sie sind Grund für einen umgehenden Arztbesuch: Veränderte Stuhlgewohnheiten (Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung), krampfartige Bauchschmerzen, wiederholt einsetzender Stuhldrang ohne Entleerung, Blut im Stuhl, Blässe, Blutarmut durch Sickerblutungen, Gewichtsverlust. Aber: Manche dieser Warnzeichen kommen erst sehr spät. Deshalb vorher handeln und auch ohne Beschwerden die kostenlose Früherkennungs-Darmspiegelung nutzen.

Kann man nicht die große Trinkmenge zur Darmreinigung reduzieren?

Nur bei einer optimalen Reinigung kann mit Sicherheit gewährleistet werden, dass nichts übersehen wird. Der Arzt sucht nach kleinsten und nach flachen, auf der Darmwand aufliegenden Polypen. Gerade die sind nicht immer leicht zu erkennen, im Gegensatz zu den Polypen, die auf einem Stiel sitzen. Es geht letztlich um Ihre Sicherheit, zudem hat sich der Geschmack der Trinklösung verbessert. Je nach Produkt trinkt man davon am Tag vor der Untersuchung zwei bis drei Liter und zusätzlich ausreichend klare Suppe, Wasser oder Säfte.

Als Alternative zur Dickdarmspiegelung wird die virtuelle Koloskopie angeboten. Ist diese zu empfehlen?

Die virtuelle Koloskopie mittels einer Computertomografie (CT) hat sich in den letzten Jahren verbessert. Allerdings liefert sie keine reelle, sondern rekonstruierte Bilder. Sie stellt zwar keinen Eingriff dar (dafür Strahlenbelastung), erlaubt aber auch nicht eine gleichzeitige Biopsie oder die Entfernung von Polypen zur mikroskopischen Beurteilung.

 
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