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SCHWEINFURT
Fritz Soldmann und die Rätebewegung
„100 Jahre Freistaat Bayern – Die Rätebewegung in Schweinfurt“. Klaus Hofmann referierte darüber im Alten Feuerwehrhaus in Oberndorf vor 40 interessierten Zuhörern.
Foto: Anand Anders | „100 Jahre Freistaat Bayern – Die Rätebewegung in Schweinfurt“. Klaus Hofmann referierte darüber im Alten Feuerwehrhaus in Oberndorf vor 40 interessierten Zuhörern.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:53 Uhr

Anfang November 1918 verweigern Matrosen in Kiel Befehle, weiter für den Kaiser in den längst verlorenen Krieg zu ziehen. Sie demonstrieren – die Reichswehr antwortet mit Gewalt, es gibt Tote und Verletzte unter Soldaten wie Zivilisten. Eine revolutionäre Aufbruchstimmung ist die Folge. Erste Matrosenräte gründen sich, Soldaten- und Arbeiter-Räte entstehen, die sich schnell über das Deutsche Reich verbreiten. Am 9. November ruft Philip Scheidemann vom Reichstag: „Der Kaiser hat abgedankt! Das Volk hat auf der ganzen Linie gesiegt! Die Monarchie ist zusammengebrochen! Es lebe die Deutsche Republik!“

Die Fabriken stehen still

Der Regierungspräsident in Unterfranken gibt noch die Losung aus: „In Unterfranken machen wir so etwas nicht mit.“ Aber – so referiert Klaus Hofmann von der Initiative gegen das Vergessen am Dienstagabend im Alten Oberndorfer Feuerwehrhaus vor 40 interessierten Gästen – „diese Zeit ist vorbei“. Das Ereignis springt auf Unterfranken über, in einigen Städten entwickeln sich auch hier revolutionäre Bewegungen.

Bereits am 7. November hatte Kurt Eisner (USPD) in München die Bayerische Republik ausgerufen und die Wittelsbacher Dynastie für abgesetzt erklärt. In Schweinfurt konstituiert sich am 8. November ein Arbeiter- und Soldatenrat. „Am nächsten Tag, ein Samstag und Arbeitstag, stehen die Fabriken still. Um 9 Uhr findet eine Volksversammlung auf dem Markt statt, ein Demonstrationszug zieht zum Roßmarkt. Fritz Soldmann ruft den „Volksgenossen, Volksgenossinnen“ zu, große Ereignisse hätten sich in den letzten Tagen abgespielt. Dank des kräftigen Zugreifens des Proletariats, des Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrats, habe das deutsche Volk seine Geschicke selbst in die Hand genommen.

„Schwere Kämpfe wird es kosten“

Aber: „Reaktionäre Bestrebungen einer bestimmten Klasse haben bereits eingesetzt, um unsere Errungenschaften uns wieder zu entreißen.“ Schwere Kämpfe werde es in den nächsten Tagen kosten, um das Errungene zu halten. Es gelte, alle Kräfte in Stadt und Land zusammenzufassen, um die Gegenbestrebungen zu unterdrücken. „Die übergroße Mehrheit stimmt dem zu. Der Arbeiter- und Soldatenrat zieht in Begleitung vieler Leute zum Rathaus, wo eine rote Fahne gehisst wird“, referiert Hofmann. Nur unter Protest habe sich der Magistrat in einer Sondersitzung einstimmig damit einverstanden erklärt, alle wesentlichen Maßnahmen nur im Einvernehmen mit dem Arbeiter- und Soldatenrat durchzuführen, so das Schweinfurter Tagblatt in seiner Ausgabe vom 13. November 1918.

Am 11. November 1918 schweigen die Waffen, der Weltkrieg ist zu Ende. „In Schweinfurt arbeiten die Fabriken wieder. Der Arbeiter- und Soldatenrat bestimmt Fritz Soldmann zum 1. Vorsitzenden, es werden Kommissionen und Beauftragte für verschiedene Sachgebiete gebildet“, so Hofmann.

Große Zugeständnisse für Arbeiter

Bei Verhandlungen mit den Schweinfurter Großunternehmern konnten Zugeständnisse erreicht werden wie die Einführung des Achtstundentages und der 48-Stunden-Woche mit Samstagsarbeit bei Lohnausgleich, Mindestlöhne, 14-tägiger Kündigungsschutz, die erstmalige Bezahlung von Lehrlingen, bezahlter Urlaub, das erste Kollektivabkommen für die Schweinfurter Metallindustrie, die Abschaffung der Akkordarbeit, Lohnausgleich für zurückliegende bestreikte Tage, der Aufbau einer Arbeitslosenfürsorge.

„Damit werden Zeichen und Fakten gesetzt. Diese sind wichtig für die weitere Entwicklung von demokratischer Teilhabe und Sicherung der Existenz für breite Teile der Bevölkerung“, sagt der Referent. Oft spreche man heute über die Arbeiter- und Soldatenräte, als wären sie wüste Gesellen, radikale Extremisten und Rabauken, zum Teil sogar gesetzlose Terroristen gewesen. „Sie haben es ermöglicht, dass Grundlagen gelegt wurden, die von den nachfolgenden Generationen ausgebaut und verfeinert wurden.“

Novemberrevolution niedergeschlagen

Letztendlich wird die „Novemberrevolution“ von 1918 blutig niedergeschlagen. Kurt Eisner war im Februar ermordet worden. Fritz Soldmann war nur acht Tage Innenminister der ersten Räterepublik, bis er von Konterrevolutionären verhaftet und in Ebrach inhaftiert wurde. Die Drohung, Schweinfurt mit Truppen anzugreifen, die für ihre Brutalität und Rücksichtslosigkeit bekannt sind, führt am 11. April zu dem Beschluss, die Ausrufung der Räterepublik zurückzunehmen. Im Mai setzt eine Verhaftungswelle gegen die Revolutionäre ein, Ende Juni findet ein Hochverratsprozess statt. Die Rätebewegung währte nur wenige Monate.

Referent Klaus Hofmann zitiert am Ende seiner Ausführungen noch einmal Kurt Eisner: „Die Revolution ist nicht die Demokratie, sie schafft erst die Demokratie“. Erst nach einem zweiten verheerenden Weltkrieg hat sie sich Deutschland langfristig etablieren können.

 
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