Mit dem Laufen klappt es nicht mehr so gut. Und auch das Schleppen der Gemüse- und Obstkisten wird immer beschwerlicher. Mit 83 Jahren hüpft man eben nicht mehr herum wie ein 20-Jähriger. Deshalb hört der Sennfelder Gemüsebauer und Händler Fritz Bandorf, der traditionell seinen Stand am Grünen Markt, also an der Ecke Seestraße/Gabelsberger-Straße in Schweinfurt hat, nun auf – nach beinahe 70 Jahren.
Seit 1948, also kurz nachdem die D-Mark das Licht der Welt erblickte, ist er zweimal die Woche – immer Dienstag und Freitag – vor Ort, um die Städter mit Blumenkohl, Kohlrabi, Kartoffeln, Salat, Gelben Rüben, Sellerie, Gurken und überhaupt allem, was das bekannte Sennfelder Gemüseland hergibt, zu versorgen. Nach der Währungsreform waren viele Dinge, die es vorher kaum oder gar nicht gab, wieder verfügbar. Auch die Gemüsekisten waren gut gefüllt, die Nachfrage groß.
Pferdefuhrwerk über den Main
Nach der Volksschule, mit 14 Jahren, stieg Fritz Bandorf in dieses Geschäft ein, das ihn ein Leben lang begleiten sollte. „Der neun Jahre ältere Bruder, der den Bauer hätte machen sollen, blieb im Krieg vermisst, da musste ich ran und dem Vater helfen“, erinnert sich der Senior, der selbst am liebsten ein schönes Wirsing-Gemüse zu schätzen weiß.
Die Maxbrücke, die Verbindung von Sennfeld nach Schweinfurt, war zum Ende des Krieges durch die Wehrmacht gesprengt worden. „Mit dem Pferdefuhrwerk ging es auf die Notbrücke und über den Main.“ Die Mutter nutzte den Fahrradsteg, um in die Stadt zu kommen. „Damals waren wir ungefähr 25 Händler am Grünen Markt, heute sind wir die vorletzten“, erklärt Bandorf ein wenig wehmütig. Man merkt ihm an, dass ihm etwas fehlen wird, wenn die letzten Kisten aufgeräumt sein werden.
Zunächst mit den Eltern am Markt, ist seit Jahrzehnten seine Frau Lotte die unersetzliche Partnerin der arbeitsreichen Markttage. Da sitzt jeder Handgriff, da muss nicht viel geredet werden, da weiß jeder, was er zu tun hat. Die Frage, wie lange sie denn schon verheiratet sind, beantwortet er schmunzelnd: „Nicht so lang, aber zusammen sind wir 165 Jahre alt.“ Es ist 61 Jahre her, seit sie sich das Ja-Wort gaben.
Nicht ein einziges Mal haben sie einen Markttag versäumt, auch im Winter nicht, wenn die Temperaturen im Keller waren: „Dann muss man sich halt richtig anziehen“. Seit einiger Zeit kommen die Bandorfs aber nur noch an den Freitagen. Die Kunden wussten Bescheid und haben sich darauf eingestellt.
„Urlaub und Krankheit sind zwei Fremdwörter für uns“, sagt Fritz Bandorf, der seine Sommer auf den bis zu zehn Hektar Gemüsefeldern, die er einst bewirtschaftete, und nicht am Strand unter Palmen verbrachte.
Mit dem Traktor nach Schweinfurt
Ab 1958 war es etwas einfacher, da wurde ein kleiner Traktor angeschafft. „Das kleine Wunder, wenn ein Berg kommt, geht er unter“, habe der Vater immer humorvoll gesagt, aber meist war Verlass auf die Maschine, die mit ihrem guten Dutzend PS unzählige Male von Sennfeld über den Main und hin zum Grünen Markt tuckerte. Von sieben Uhr morgens bis Mittag stand man auf dem Markt, am Nachmittag ging es weiter mit der Arbeit auf den Gemüsefeldern.
Auch den Kunden wird etwas fehlen, wenn in der nächsten Woche der Fritz und seine Lotte nicht mehr mit ihrem grünen Fendt, der auch schon wieder sein Alter in Jahrzehnten zählt, vorfahren. „Es kommen ja viele Stammkunden, die wir seit vielen Jahren kennen, die auch von auswärts herfahren, und denen wir allen danken wollen“, sagt Lotte Bandorf. „Da wird man vertraut miteinander und erfährt einiges über das Leben der Leute“. Das Reden überlässt der Fritz aber lieber seiner Lotte. „Bei mir wird verkauft“, sagt er, die Gattin ist zuständig für den einen oder anderen Kochtipp oder die Erläuterungen über die Eigenschaften der Kartoffeln. So eine gepflegte Unterhaltung gehört eben auch dazu zum Grünen Markt, genauso wie der Extra-Bund Petersilie obendrauf auf die gekaufte „grüne Ware“.
Tschernobyl und die Folgen
Die Kundschaft ist treu, nur 1986 war alles anders, erinnert sich Fritz Bandorf. Da war in Tschernobyl der Atomreaktor explodiert und Freilandgemüse verkaufte sich nur schlecht. Zu groß war die Angst vor den Auswirkungen der radioaktiven Niederschläge.
Doch auch das ging vorbei, plötzlich war frisches Gemüse aus der Region wieder gefragt. Mit „Bio“ oder anderen Etiketten hat man sich allerdings nie geschmückt. Die Bandorfs haben immer ehrliches, saisonales Gemüse aus Sennfelder Boden angeboten. Der Kunde sieht es und wenn ihm eine Gurke nicht gefällt, weil sie ein braunes Fleckchen hat, oder eine Kartoffel eine kleine Macke, dann kauft er sie eben nicht – die Dinge können manchmal so einfach sein.
Und nun ist Schluss. Eigentlich ist Fritz Bandorf schon mit 65 in Rente gegangen, aber dann wurde halt noch ein Jahr drangehängt. Und noch eins. Und so weiter. Am Freitag ging es ein letztes Mal mit dem Fendt über den Main. Ab jetzt ist Fritz Bandorf ein richtiger Rentner.
Was er jetzt macht? Ziemlich sicher hilft er seiner Frau in der Küche, denn auch dort kennt sich der Gemüsefachmann aus und macht sich nützlich. Zu Weihnachten, da gibt es einen Sauerbraten bei den Bandorfs. Und wie es sich gehört dazu ein echtes Sennfelder Blaukraut – natürlich selbst angebaut und selbst gekocht.