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ESSLEBEN
Friseurin seit mehr als sieben Jahrzehnten
Margarete Köllmeier (im Bild hinten) schneidet, wäscht und wickelt Locken – und das seit Jahrzehnten.
Foto: Natalie Dees | Margarete Köllmeier (im Bild hinten) schneidet, wäscht und wickelt Locken – und das seit Jahrzehnten.
Natalie Dees
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:06 Uhr
Fotoserie

Seit Anfang Mai ist sie 90 Jahre alt. Von Ruhestand aber will Margarete Köllmeier nichts wissen. In ihrem hauseigenen Salon arbeitet die gebürtige Fürstenfeldbruckerin noch immer zwei Tage pro Woche als Friseurin – zur Freude ihrer zahlreichen Stammkundinnen.

„Ja, jetzt bin ich 90. Aber die Arbeit hält mich fit.“, sagt Köllmeier nachdenklich, wischt sich kurz über die Nase und lässt das Stofftaschentuch wieder in ihrer roten Kittelschürze verschwinden. Seit 75 Jahren arbeitet „Gretl“, wie sie von ihren Kundinnen genannt wird, in ihrem Beruf.

Es ist Freitag, der 13. Mai, 8.30 Uhr. Drei Tage nach Köllmeiers Geburtstag zeigt ihr Terminkalender stolze 13 Einträge. Vier Kundinnen sind bereits da. „Normalerweise sind es nicht so viele, nur vor Feiertagen“, lächelt die Friseurin. Seit drei Jahren schließt sie ihren Salon nur noch an zwei Tagen auf, „die reichen mir, ich bin schließlich keine 20 mehr“. Unterstützt wird die agile Dame seit rund 40 Jahren von Marlene, ihrer 71-jährigen Mitarbeiterin.

1941 begann sie ihre Lehre

Margarete Köllmeier wuchs als eines von vier Kindern an verschiedenen Orten in Bayern auf, da ihr Vater bei der Bahn arbeitete. Die Familie wohnte zunächst in Schwabach (Mittelfranken), dann in Waigolshausen, kaufte schließlich ein Haus in Eßleben (beide Lkr. Schweinfurt). Mit 27 Jahren heiratete „Gretl“ ihren Mann, der vor zwei Jahren verstarb. Sie hat drei Söhne und drei Enkel. Mit ihrem ältesten Sohn bewohnt sie das 1960 erbaute Haus, in dem sie im Erdgeschoss eine Frisierstube eingerichtet hat.

In dem Salon scheint die Zeit stehen geblieben: zwei große Kristallspiegel auf schwarz-glänzendem Untergrund, ausladende Porzellanwaschbecken, ein schwarz-gelber Boden im Schachbrettmuster. Besucher fühlen sich augenblicklich in die 60er-Jahre zurückversetzt. Eine Ecke des Raumes ist durch einen Vorhang abgetrennt, dahinter reihen sich Flaschen, Tuben und Umhänge. „Eigentlich wollte ich die Einrichtung schon mal komplett rausschmeißen“, sagt Köllmeier. Ein Vertreter hielt sie davon ab. „Die Waschbecken haben noch keine Flecken“, verkündet sie stolz. An der Wand reihen sich kreisrunde Spiegel mit weißem Rahmen auf ziegelrotem Untergrund.

Davor lesen Kundinnen mit Lockenwicklern unter Trockenhauben, sitzen auf Holzstühlen mit Polsterlehnen. Stimmengewirr, das Surren der Geräte und eine mollige Wärme erfüllen die Luft.

Bevor sie ihren Salon in Essleben eröffnete, arbeitete Köllmeier in verschiedenen Friseursalons. In Würzburg begann sie 1941, im Alter von 15 Jahren, ihre dreieinhalbjährige Lehre, arbeitete für fünf Mark Lohn pro Tag. Eine Dauerwelle kostete zu dieser Zeit sieben bis zehn Deutsche Mark.

Fortbildung mit 80 Jahren

Nach Würzburg folgten fünfeinhalb Jahre in einem Salon in Werneck. „Anfangs fuhr ich bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad“, erinnert sie sich, „später dann mit meinem Motorrad, auch im Winter“. Zu ihrer nächsten Arbeitsstelle in Schweinfurt fuhr sie dann Tag für Tag per Zug. Es waren lange Arbeitstage. „Damals wurde in den ersten beiden Stunden nur gekämmt“, erzählt sie. Das gibt es heute nicht mehr. Und auch anderes änderte sich während ihrer langen Berufstätigkeit: Frisurentrends, Lohn, Techniken zur Formung des Haares.

In ihrer Freizeit geht die 90-Jährige gerne zum Kegeln. Sie liest gerne, strickt Socken und Schals und häkelt. „Aber da brauch ich schon meine Brille“, sagt Köllmeier – beim Arbeiten nicht.

Ob sie einen Meistertitel besitze, will eine Kundin wissen. „Nein“, bestätigt sie sachlich, „damals herrschte Gewerbefreiheit“. Dabei zeigt sie auf Diplome aus den Jahren 1979, 1983 und 1984. Teilnahmezertifikate, die sich über den Trockenhauben aneinanderreihen. Ihre letzte Fortbildung besuchte die zierliche Frau vor zehn Jahren, mit 80 Jahren. Und was frisiert sie am liebsten? „Ich mache alles gerne, was die Kundschaft möchte.“ Die besteht überwiegend aus Frauen, Männer kommen nur wenige.

„Wenn der Beruf keinen Spaß mehr macht, muss man aufhören“, platzt es aus ihr heraus. Noch ist es nicht so weit.

 
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