Anregende Kontraste zeichnen das Kulturprogramm des Augustinum schon immer aus: Da wird in diesen Wochen ein französischer Bestseller vorgestellt, ein Bluessänger animiert zum Mitsingen, die Entstehung der Welt wird erörtert und nach einer Hommage an Caterina Valente und einer Ausstellungseröffnung folgt ein musikalisches Dinner a la Rossini.
Diesmal hatte Kulturreferentin Waltraud Haas mit der Cellistin Anita Gwerder und der Pianistin Elisabeth Schreyer-Puls zwei hervorragende Künstlerinnen eingeladen: Beide verbinden technische Souveränität mit äußerster Empfindsamkeit und Gestaltungskraft. „in duo animando“ nennen sie ihre Formation – belebend und beseelt ist auch ihr Spiel.
Der Titel ihres Konzerts „Klangwände“ meint den entscheidenden Umbruch in der Musikgeschichte um 1911: das Ende des romantischen Zeitalters und das einer seit 100 Jahren gültigen Musizierweise – hin zum Schritt in die Moderne. Um dies hörbar zu machen, erklingt Musik, die während oder nach dieser Zeitenwende komponiert wurde. Dabei verdeutlichen die Künstlerinnen diese Epochenwende mit kurzen Erläuterungen und Musikbeispielen.
Am Anfang steht als Hauptwerk die Sonate in C für Violoncello und Klavier des englischen Komponisten Benjamin Britten (1913-1976), die sich schon mit ihren engschrittigen Intervallen und bitonalen Akkorden als ein Werk der Moderne ausweist. Als Kontrast fügen die beiden Musikerinnen an drei Stellen Charakterstücke des Briten Frank Bridge (1879-1941) ein, der Kompositionslehrer, Förderer und Freund Brittens war. Doch Bridge blieb der Romantik treu, trotz einiger moderner Einsprengsel.
Heilsam fürs Gemüt
„Melodie“, „Elegie“, „Berceuse“ heißen diese Bridge-Kompositionen – „heilsam fürs Gemüt“, kommentiert Anita Gwerder, „so makellos schön und dermaßen friedlich kann die Musik wohl nur vor der Zeitenwende von 1911 klingen“. Von einer weiteren Freundschaft berichten beide: Benjamin Brittens Cello-Sonate in C ist – wie auch seine anderen Werke für Cello – von den Begegnungen mit dem sowjetischen Cellisten Mstislaw Rostropowitsch geprägt. Man vermutet sogar, dass Britten mit der Cello-Sonate dem schillernden Charakter des Cello-Genies ein Denkmal setzen wollte.
Diese Cello-Sonate aus dem Jahr 1961 im „unschuldigen“ C-Dur ist in Wirklichkeit ein Parforce-Ritt der Gefühle und Stimmungen, eine enorme Herausforderung für die Ausführenden. Doch beide Künstlerinnen meistern sie glänzend. Anita Gwerder hat mit Elisabeth Schreyer-Puls eine ebenbürtige Klavierpartnerin an ihrer Seite. Beide Instrumente verschmelzen bei einem transparenten Klangbild zu einer Einheit, beiden Musikerinnen gelingt eine vitale, expressive und höchst eindrucksvolle Interpretation.
„Dialogo“ ist ein knappes Frage- und Antwortspiel, dessen Thema auf Sekundschritten aufgebaut ist. „Scherzo“ im Pizzicato-Stil blitzt vor Einfällen und abrupten rhythmischen Veränderungen. Mit „Elegia“ erklingt eine düstere Klage voll lähmender Schwere. Die Künstlerinnen interpretieren das auch in Worten: „Das Erleben zweier Weltkriege hinterließ unauslöschliche Spuren in Brittens Musik.
„Marcia“ ist eine Parodie auf militärische Marschmusik, und das abschließende „Moto Perpetuo“ im 6/8-Takt entpuppt sich als Presto voll mitreißender Energie, in dem Anita Gwerder den Bogen auf den Saiten ihres Cellos tanzen lässt.
Große Gefühle und Gesten
Die abschließende Sonate a-Moll für Cello und Klavier des norwegischen Romantikers Edvard Grieg wird von einer schwelgerischen Fülle großer Gefühle und Gesten bestimmt. Mit musikantischem Empfinden lassen die Künstlerinnen lyrische Themen erblühen, die von dramatischen Ausbrüchen jäh abgeschnitten werden. Diese plötzlichen Stimmungsschwankungen seien wohl nicht ohne Grund entstanden, bemerkt Elisabeth Schreyer: Grieg trauerte immer noch über den Tod seines einzigen Kindes, ein Ereignis, das auch seine Ehe zu erschüttern drohte. Herzlicher Applaus. Als Zugabe gab es dann was richtig Süßes: Camille Saint-Saens „Schwan“ schwebte voller Vibrato durch den Saal. Manfred Herker