Die Stille des Friedhofs weicht an diesem Vormittag dem Brummen des Rasenmähers, dem Rattern von Heckenscheren und dem Surren eines Handkreiselmähers. Einige Männer stutzen wucherndes Grün auf dem hängigen Gelände am "Hami", wie der Heimbach in Obbach genannt wird. Andere jäten Unkraut auf den Kieswegen. Seit zehn Jahren kümmert sich die Rentnertruppe ehrenamtlich um die Pflege der Anlage und hat sich damit bei der Gemeinde ein Mitspracherecht bei Veränderungen erarbeitet.
So wird auf den Wunsch der "Friedhofs-Gang" ("Gang" steht im englischen umgangssprachlich für Bande), wie sie sich selbst nennt, bei den aktuell geplanten Baumbestattungsmöglichkeiten eine Winterlärche gepflanzt werden. "Wir wollten einen heimischen Baum", erläutert Klaus-Peter Müller. Und die Einlassung der Urnen in den Rasenboden mit den Namenstafeln soll so gestaltet werden, dass man gut drübermähen kann. Der ehemalige Obbacher Allgemeinarzt und frühere Gemeinderat ist mit 78 Jahren der Älteste und der Organisator der freiwilligen Ruheständler, die er mehrmals im Jahr, aber immer zu Christi Himmelfahrt, zur Kirchweih und zu Allerheiligen zusammentrommelt.
Kniehohe Disteln waren der Anlass für die Initiative
Kniehohe Disteln im Friedhof waren 2010 der Anlass, dass sich die Freiwilligen zusammenfanden. Denn Müllers Frau Rosamunde hatte am Tag vor der festlichen Übergabe eines neuen Feuerwehrfahrzeugs den damaligen zweiten Bürgermeister der Gemeinde Euerbach, Ewald Schirmer, bei der Beseitigung des Unkrauts gesehen. Noch bei der Segnungsfeier fasste Müller mit dem inzwischen verstorbenen Hans Strehle einen Entschluss: Sie boten Bürgermeister Arthur Arnold an, mit anderen Jungrentnern die Pflege zu übernehmen. "Der Bauhof kann ja nicht alles machen".
Ein Plan wurde erstellt, wann und welche Aufgaben der neue Arbeitskreis erledigen kann. Die schweren Arbeiten, etwa den Bau einer neuen Stützmauer oder das Hantieren mit schwerem Gerät, sollte weiterhin der Bauhof übernehmen. Den Freiwilligen werden aber deren Gerätschaften zur Verfügung gestellt.
Fast nur noch Urnenbestattungen
Alle vier bis sechs Wochen sorgt die rüstige Rentnertruppe seitdem für ein würdiges Aussehen am großen Friedhof, der etwa 3500 Quadratmeter am Hang zählt und einen unteren und neueren, oberen Teil enthält, dort wo früher der Sportplatz der Schule lag. "Der Friedhof ist heute viel zu groß, man braucht jetzt weniger Fläche", meint Heinz Fredrich. Denn statt Erdbestattungen werden fast nur noch Urnenbestattungen vorgenommen.
Aus der ersten Crew mit neun Helfern sind mittlerweile schon drei gestorben, bedauert Müller, darunter auch sein Freund Strehle. Aber es fanden sich wieder neue Freiwillige, zehn Männer bilden derzeit den Kern der "Friedhofs-Gang". "Ja, wir sind schon eine Bande", lacht Ewald Schirmer.
Es ist eine Truppe, die sich gut versteht, die auch Spaß an der Arbeit hat. "Die meisten von uns haben Angehörige hier", erklärt Dieter Blüml zu seiner Motivation mitzuhelfen. "Man sieht, dass man was bewirkt", formuliert es Dieter Keßler.
Etliche ihrer Ideen für den Friedhof sind bereits umgesetzt. So wurden die Grabsteine ehemaliger Pfarrer an einen gemeinsamen Ort vor der Aussegnungshalle gruppiert. Für die Steine früherer Bürgermeister ist am unteren Eingang ein Platz vorgesehen. Auch beim Umbau des Leichenhauses ist die Truppe eingebunden. Der Eingang in die Aussegnungshalle soll verbreitert, eine Falttür angebracht werden. Der Zugang soll barrierefrei werden. Eine Toilette wurde an der Rückseite des Hauses eingebaut, die immer geöffnet ist. "Die ist immer picobello sauber".
Teil der Stützmauer müsste erneuert werden
Nötig ist nach Ansicht der Männer eine Erneuerung der Stützmauer im oberen Teil, so wie sie bereits an der anderen Seite erstellt wurde. Ein paar Bäume und Bänke könnte die Hangfläche noch vertragen, schlägt Ewald Schirmer vor, dort wo durch aufgelassene Gräber Lücken entstanden. Allerdings weiß er auch, dass manche Grabbesitzer von den im Herbst herabfallenden Blättern nicht erbaut sind.
Als Informationsgeber an die Gemeinde fungiert die Truppe, wenn es um verwilderte Gräber geht. "Das Grab es früheren Bürgermeisters Fritz Raussert ist zugewuchert", weiß Schirmer, zumal keine Angehörigen mehr am Ort leben. Wenn die rechtliche Situation geklärt sei, werde dessen Grabstein zu den anderen Bürgermeistersteinen gestellt.
Mähen zwischen Gräbern ist schwierig
Froh wären die Männer, wenn die Grabbesitzer über die Pflege ihres eigenen Grabes hinaus "nur 30 Zentimeter" mitsorgen könnten. "Man kann doch da auch mal Unkraut rausreißen". Gerade das Mähen zwischen den Gräbern ist für die freiwilligen Helfer schwierig.
An die 100 Stunden pro Jahr leistet die Truppe für "ihren" Friedhof. "Ohne diese Gang würde es hier anders aussehen", weiß der ehemalige zweite Bürgermeister voller Anerkennung.