Am Ende des Tages hatten einige Leute Tränen in den Augen. Kein Wunder: Sie hatten nicht nur Sprachbarrieren überwunden und gemeinsam ein buntes Programm erlebt, sondern auch hautnah erfahren, was der Krieg mit den Menschen macht.
Angefangen hatte alles am frühen Nachmittag mit viel Frohsinn. Max und Moritz wackelten lebhaft mit den Ohren. Die beiden Alpaka-Jungs mit dem weichen Fell gehörten zu einer Abordnung der Brünnauer Alpaka-Farm. Tier und Mensch warteten in der Ortsmitte, bis Christian Weiglein seinen Bus vor ihnen stoppte und ukrainische Kinder, Jugendliche, Eltern – meist Mütter – und deutsche Freunde ausstiegen. Die kuscheligen Tiere geleiteten die Gäste zur Alpaka-Farm am Ortsrand.
Dort wehten Luftballons und die ukrainische Flagge im Wind, es gab Bratwürste, Getränke, Kuchen, Eis. Die Kinder und Jugendlichen konnten basteln, auf Ponys reiten oder mit den Alpakas laufen. Unter Fritz Reuthers Regie wurde ein Birnbaum gepflanzt. Reuthers Freund Pfarrer i.R. Erich Eyßelein segnete die Ciderbirne – auf dass sie ein Ort sei, an den alle stets zurückkommen und Frieden erleben können.
Angst um die Väter und Ehemänner
Denn auch wenn sie seit sechs Wochen in Deutschland sind: Der Krieg begleitet die Ukrainer, die in Gastfamilien in und um Wiesentheid leben, tagtäglich. Viele Männer, die zuhause bleiben mussten, werden aktuell in den Osten der Ukraine geschickt, um dort gegen die Russen zu kämpfen. Ihre Kinder und Frauen haben Angst um sie.
Die Prichsenstädterin Manuela Bausewein hat diese Angst gesehen – und wollte den Menschen helfen. "Wir können den Krieg nicht stoppen, aber wir können den Menschen bei uns zeigen, dass wir sie verstehen und für sie da sind", sagt die zweifache Mutter. Also mobilisierte sie mit ihrem Alpaka-Team jede Menge Helfer und organisierte eine Feier.
"Wir freuen uns sehr", sagte Alla Teteria (45) angesichts des liebevoll vorbereiteten Gartenfestes. Die Deutschlehrerin aus Nowograd-Wolynskij kam vor sechs Wochen mit ihrer 17-jährigen Tochter Julia nach Deutschland – über das Landschulheim (LSH) Wiesentheid und Lehrer Harald Godron waren ihnen und 91 weiteren Ukrainern Unterkünfte vermittelt worden. Allas Mann und ihr 20-jähriger Sohn sind in der Ukraine zurückgeblieben. "Julia wollte auch nicht weg. Aber mein Mann hat gesagt, wir müssten uns in Sicherheit bringen."
An der Ostfront
Bei Viktoria ("Vika") war es ähnlich. Auch ihr Mann, Vova, dient im Krieg. In diesen Tagen wurde er in die Ost-Ukraine geschickt. "Noch haben wir Kontakt", sagt Vika, während ihre siebenjährige Tochter Yeva ein Alpaka streichelt, "aber wie lange noch?" Man sieht Vika die Angst an. Mit Vika ist auch ihre Nichte Valeriia, genannt Lera (14 Jahre), nach Deutschland gekommen. Deren Mutter flüchtete mit Leras kleiner Schwester, die noch ein Baby ist, nach Polen; vor zwei Wochen ging es für sie aber zurück nach Nowograd-Wolynskij.
"Ich hoffe, sie sind sicher", sagt Lera. Sie geht im LSH mit zum Unterricht, außerdem bekommen sie und ihre Mitschüler an zwei Wochentagen Fernunterricht aus der Ukraine. Wenn Lera einen Wunsch frei hätte? "Frieden! Frieden für jeden auf der Welt. Und dass ich heim kann zu Mama, Oma und Opa." Alla nickt. Auch sie möchte schnellstmöglich zurück.
Emotionaler Moment
Während Fred Seßler, der Ochsenkutschermusikant aus Brünnau, eine Gesangspause macht, stimmen die ukrainischen Frauen ein ukrainisches Volkslied an. Alle summen mit, am Ende sogar die Nationalhymne. Es ist ein emotionaler Moment, in dem sich zeigt, wie recht der Volksmund hat: Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude. Und geteilte Kraft ist doppelte Kraft.
Sponsoren und Helfer: Metzgerei Bausewein, Bus Classic GmbH, Getränke Wagner, Bäcker Fackelmann, Katharina Pachtner & ihr Pony-Team, Alpakas Brünnau (Familien Hanf, Bausewein, Bedenk, Fritz Reuther und Irmi Jung), ÜZ Mainfranken.