Es war eine außergewöhnliche Veranstaltung in einem außergewöhnlichen Ambiente: Anlässlich des Bayerischen Doppeljubiläums „200 Jahre Verfassung, 100 Jahre Freistaat“ hatte der Markt Werneck zu einem Abend der „Revolutionspoesie“ in den imposanten Himmelsaal des Schlosses geladen.
Ob es nun das Thema des Abends war oder aber die Gelegenheit, den Himmelsaal mit seinem namensgebenden Deckengewölbe einmal in seiner ganzen Pracht zu sehen, sei dahingestellt. Fest steht, dass knapp 200 Besucher in dem ehrwürdigen Saal Platz nahmen, um dem Programm „Die Gedanken sind frei“ – erarbeitet von Hans Driesel – zu lauschen.
Unter den Gästen, die Wernecks Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl in einer launigen Ansprache begrüßte, war auch Unterfrankens Regierungspräsident Paul Beinhofer, Bezirksrat Stefan Funk, stellvertretender Landrat Peter Seifert und der Ärztliche Direktor der Orthopädischen Klinik, Prof. Dr. Christian Hendrich. Den „Herren des Bezirks“ (Funk und Hendrich) dankte Baumgartl in diesem Zusammenhang dafür, dass der Markt Werneck den Himmelsaal als Kulisse der Veranstaltung nutzen durfte.
Für eine bessere Welt
Dann überließ sie Hans Driesel die Bühne. Es war ein politisch-literarisches Programm, das Driesel – überwiegend frei rezitierend – konzipiert hatte. Dabei ließ er 200 Jahre deutsche beziehungsweise bayerische Geschichte Revue passieren. Französische Revolution, Bayern wird Königreich, erhält 1818 die erste Verfassung, weitere Revolutionen und schließlich 1918 die Ausrufung des Freistaates durch Kurt Eisner. Zwischen den Betrachtungen ließ Driesel immer wieder Dichterinnen und Dichter zu Wort kommen, die in ihren Werken für Freiheit und eine bessere Welt eingetreten waren.
So Annette von Droste-Hülshoff, die das Entzünden der Freiheitsfackel durch die Dichter feierte, oder Heines „Weberlied“ und seine „Nachtgedanken“, Fallersleben mit der Gedankenfreit oder Freiligrath, der schon im 19. Jahrhundert das Wort „Wir sind das Volk“ geprägt hatte. Schließlich dann die Ausrufung des Freistaates Bayern durch Kurt Eisner, und die kurzlebige Räterepublik mit den Hauptprotagonisten und Schriftstellern Ernst Toller, Gustav Landauer und Erich Mühsam.
Immer wieder bewundernswert war dabei, wie dynamisch, kraftvoll und voller Verve Driesel einerseits die kampfeslustigen Stücke vortrug und wie nachdenklich und eindringlich er andererseits beispielsweise Heines „Nachtgedanken“ rezitierte.
Kurzweilige „Geschichtsstunde“
Einfühlsam und stimmig musikalisch ausgeschmückt wurde die Veranstaltung durch Stefanie Herchet (Sopran) und David Reß am Flügel.
Das gemeinsam mit dem Publikum gesungene Lied „Die Gedanken sind frei“ beschloss den literarischen Abend und machte bewusst, welch hohes und schützenswertes Gut die Gedankenfreiheit ist.
Mit lang anhaltendem und schließlich rhythmischem Applaus gab das Publikum schließlich seiner Begeisterung Ausdruck und dankte den Darstellern für eine „Geschichtsstunde“, die abwechslungsreicher und kurzweiliger nicht hätte sein können.
Als Überraschung lud Bürgermeisterin Baumgartl im Anschluss zu einem Stehempfang mit Mostsuppe und „deftigen Broten“ in den Spiegelsaal ein. Speisen, wie sie schon vor 200 Jahren auf den Tellern in Bayern und Franken waren. Das Publikum nahm die Einladung gerne an und ließ den Abend in historischen Ambiente ausklingen.