Routiniert schwingt sie sich in das Führerhaus des Lkw, platziert sich auf dem Fahrersitz und bedient den Anlasser. Der Motor röhrt, schließlich ist es ein 40-Tonner, mit dem die 21-jährige Eva Vetter auf Deutschlands Straßen unterwegs ist.
Sie ist eine von wenigen Frauen, die bei der Firma Pabst in Gochsheim den Beruf der Berufskraftfahrerin erlernt. Doch nicht nur das: Auch ihre Mutter Barbara ist nebenberuflich als Kraftfahrerin unterwegs. Geballte Frauenpower hinterm Lkw-Steuer also.
Traum vom Lkw-Fahren
„Es ist mein absoluter Traum, LKW zu fahren, und es reizt mich, Verantwortung für diese mächtige Maschine zu übernehmen“, sagt Eva Vetter, die sich derzeit im dritten Ausbildungsjahr befindet. Zudem gefällt es der 21-Jährigen immer unterwegs zu sein, „ich lerne Gegenden kennen, von denen manche gar nicht wissen, dass es sie gibt“. Sie habe wundervolle Sonnenuntergänge und Sonnenaufgänge genossen, sei durch unterschiedliche Gebirge gefahren und habe die verschiedensten Wetterlagen erlebt und gemeistert. „Es macht mir einfach Spaß.“
Eigentlich ist es kein Wunder, wenn man ihre Familiengeschichte betrachtet. Ist doch der Stiefopa im internationalen Fernverkehr unterwegs gewesen, und die Oma betrieb eine Raststätte an der Autobahn. Ihre Eltern gründeten 1990 gemeinsam eine Transportfirma. Da durch krankheitsbedingte Ausfälle immer wieder Vertretungen fehlten, nahm Barbara Vetter es schließlich selbst in die Hand. „Als ich im fünften Monat schwanger mit meiner Tochter war, machte ich die Lkw-Fahrprüfung.“ So kam es, dass Eva Vetter schon als Baby im Maxi-Cosi im LKW unterwegs war.
Mit Vorurteilen kämpfen
Doch als Frau in solch einem Männerberuf hat man immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen. „Wenn Frauen schon nicht einparken können, was haben sie dann in einem Lkw zu suchen?“- ist noch eine der harmloseren Aussagen, mit denen sich Mutter und Tochter öfter konfrontiert sehen. „Als Frau in einem Männerberuf musst du 200 Prozent geben. Sonst wirst du nicht akzeptiert“, sagt Barbara Vetter, die gelernte Erzieherin ist und hauptberuflich mit Jugendlichen arbeitet.
Die Zwei aus dem Steigerwald haben sich schon mit ihrem Mundwerk einen Namen gemacht. „Schüchtern darf man nicht sein, muss auch schon mal derb antworten und austeilen können“, so Tochter Eva. Da es besonders für Frauen in dem Beruf gefährliche Situationen geben kann, hat Eva als Vorsichtsmaßnahme immer ein Pfefferspray in der Tasche, ein bisschen Ahnung von Selbstverteidigung hat sie auch. „Einmal musste ich mich verteidigen, als mich ein Mann auf einem Parkplatz belästigte.“
Wachsamkeit ist angesagt
Angst habe sie keine, so die 21-Jährige. Aber Wachsamkeit und Vorsicht seien angesagt. „Wenn ich nachts fahre, suche ich mir videoüberwachte Plätze für meine Rast aus.“ Geschehnisse wie das Weihnachtsmarktattentat in Berlin oder das Attentat in Nizza im vergangenen Jahr machen die Frauen betroffen. „Man fühlt natürlich mit. Da wird der Lkw als Waffe benutzt. Das ist einfach unvorstellbar“, so Barbara Vetter.
Viele tausende Kilometer legt besonders Eva Vetter im Jahr zurück. Da ist ihr schon bewusst, dass es ein Unfallrisiko gibt. „Ich gehe nie im Streit mit meinen Lieben auseinander.“ Noch ist sie in der Ausbildung, aber auch später werden von der Firma Pabst regelmäßige Fahrtrainings und Seminare angeboten. „Die Lkw sind außerdem mit den neuesten Sicherheitsstandards ausgestattet“, erklärt die 21-Jährige. Dazu gehört auch der Notbremsassistent. Dennoch weiß sie: „Auf der Straße ist viel los, und ich muss ja nicht schuld sein. Der Aufprall eines 40-Tonners mit 80 km/h gegen eine Wand ist zum Beispiel über viermal so stark wie bei einem PKW mit gleicher Geschwindigkeit.“
Vorfreude auf eigenen Lkw
Während die Oma sich Sorgen macht, hat sie das Verständnis ihrer Mutter sicher. „Ich liebe es ja selbst auf den Straßen unterwegs zu sein.“ Da nimmt die 47-Jährige auch gerne mal in Kauf, dass sie am Feiertag oder am Wochenende nicht zuhause sein kann. Genauso wie ihre Tochter: „Entweder man hat so gute Freunde, die das verstehen, oder man muss eigene Wege gehen.
“ Abgesehen davon habe sich ihr Freundeskreis durch die Ausbildung erweitert. Auch im Wohntrakt für Auszubildende auf dem Firmengelände hat sie nette Leute kennengelernt.
Besonders freut sich Eva nach der Ausbildung auf einen eigenen, festen Lkw, dem sie auch intensiv Pflege widmen kann. „Als Auszubildende wechselt man ständig, und manchmal ist es nicht gerade sauber.“ So habe sie in ihrer Tasche immer Desinfektionsspray und einen Sitzüberzug dabei. „Sicher ist sicher“, sagt sie und lacht.
Für die Zukunft wünschen sich Mutter und Tochter viele weitere, sichere Kilometer auf Deutschlands Straßen, viele weitere Sonnenauf- und -untergänge – im besten Fall bei gemeinsamen Fahrten.