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GEROLZHOFEN
Frauen säen die Senfkörner des Glaubens
Auf der Freitreppe der Johanniskapelle kramte am Gründonnerstag der römische Statthalter Pilatus, dargestellt von Klaus Vogt, in seinen Erinnerungen an die Begegnung mit Jesus.
Foto: Waldemar Wiederer | Auf der Freitreppe der Johanniskapelle kramte am Gründonnerstag der römische Statthalter Pilatus, dargestellt von Klaus Vogt, in seinen Erinnerungen an die Begegnung mit Jesus.
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 06.04.2018 02:32 Uhr

Die verzweifelte Menschensuche des griechischen Philosophen Diogenes (ca. 400 bis 323 vor Christus) verlegte am Gründonnerstag eine Idee von Pfarrer Stefan Mai vom Marktplatz von Athen auf den kleinen Platz zwischen der Stadtpfarrkirche und Johanniskapelle.

Robert Rüth als Diogenes hielt den Gottesdienstbesuchern seine Lampe vors Gesicht und schrie fortwährend: „Ich suche Menschen“. Die Freitreppe der Johanniskapelle hinab stieg Pilatus, der römische Statthalter der Provinzen Judäa und Samaria, in Person von Klaus Vogt. Pilatus lebte rund 350 Jahre nach Diogenes. In einem Monolog kramt er in seinen Erinnerungen an jenen Jesus, den er einst zum Tode verurteilt hatte. Jesus sei nicht die lächerliche Figur gewesen, die zitternd ihrem Todesurteil entgegensieht. Schnell hat Pilatus damals gemerkt, dass dieser vermeintlich kleine Aufständische auf Augenhöhe mit ihm spricht.

Schon vor dem Prozess wusste der Statthalter, dass Jesus die frömmelnden Hohen Priester nicht mochte, ihren Tempel als Räuberhöhle bezeichnete. Und dass er das Volk hinter sich hatte, besonders die, mit denen sich die Frommen nie an einen Tisch gesetzt hätten. Jesus hat auch Pilatus aus der Fassung gebracht, ihm klargemacht, dass er ein „kleines Würstchen“ sei, das seine Macht ja nur von oben bekommen hatte. Für Pilatus jedenfalls war Jesus ein Mensch, nach dem Digenes sucht, ja sogar der einzige, den er in seinem Leben getroffen hat.

Diesmal keine Fußwaschung

Der Großteil der Gläubigen war der Einladung von Pfarrer Stefan Mai gefolgt, das Allerheiligste noch auf dem kurzen Weg vom Steigerwalddom in die Johanniskapelle zu begleiten, auf dem sich dann Diogenes und Pilatus begegneten. Eine Fußwaschung hatte es diesmal nicht gegeben; einige Ministranten trugen lediglich die Utensilien für die Zeremonie in den Altarraum mit zwölf leeren Stühlen.

Dennoch thematisierte Pfarrer Mai die Fußwaschung mit einem Zitat von Papst Johannes XXXIII „Der Mensch ist nie so groß, als wenn er kniet.“ Und er brachte Beispiele von Menschen, die dienend in die Knie gehen – die Mutter vor ihren Kindern, der FSJ'ler vor seiner Lieblingsseniorin, der junge Man vor der Angebeteten.

„Ich kann nicht mehr“ am Karfreitag

Ungeheure Standfestigkeit und innere Kraft stehen hinter Martin Luthers Worten „Hier stehe ich – und kann ich nicht anders.“ Aber es gebe auch viele Lebenssituationen, die wie ein Einspruch zu Luther wirken, nämlich das „Ich kann nicht mehr“. An Karfreitag nannte Mai als Beispiele den alten Bauern, der krumm vor Arbeit geworden ist, die krebskranke Frau nach der Tortur einer Chemo-Therapie, das Ehepaar, das vor den Trümmern seiner Beziehung steht. Sie alle haben einen Leidensgefährten, der auch am Ende war und nicht mehr konnte. In dem Jesus-Wort „Es ist vollbracht“ am Kreuz stehe aber die Hoffnung, dass es einen anderen gibt, der den Weg weiß, wenn ein Mensch am Ende ist.

Frauen sind spontan und sensibel

„Das Senfkorn des Glaubens säen nicht die Männer, sondern die Frauen – und alle, die wie sie ticken“ – das war in der Osternacht das Ergebnis von Stefan Mais Beschäftigung mit der Rolle der Frau in der Religion. Während Männer Strukturen festlegen, Pläne machen, Ideen durchboxen wollen, seien Frauen einfühlsam. spontan, sensibel für die Situation und hellhörig für Untertöne.

In den Evangelien sind Frauen am Grab. Sie erhalten Frauen den Auftrag, die Osterbotschaft weiterzuerzählen.

Nach Jahrhunderten, in denen Männer die Zügel der Kirche in der Hand hatten, gibt es neuerdings Männer, die ein Gespür für die Rolle der Frau haben, sagte Mai. Etwa Papst Franziskus, der Maria Magdalena den Aposteln gleichgestellt hat oder den australischen Regisseur Garth Davis, der in seinem brandneuen Film „Maria Magdalena“ zeigt, dass Jesus in der Protagonistin endlich jemanden gefunden hat, die ihn versteht.

Carolin Auers ergreifendes „Exsultet“

Zuvor hatte der Priester, assistiert von einer enormen Ministrantenschar, das Osterfeuer am Hauptportal der Kirche entzündet. Eine Frau übernahm dann, was vorzugsweise der Priester macht: Carolin Auer sang das österliche „Exsultet“ („es jauchze“). Die glasklare Stimme und die Reinheit des Textes gingen den Gläubigen unter die Haut.

„Bitte Türen geschlossen halten! Kirche wird geheizt!“ – dieser Hinweis machte Pfarrer Mai am Ostersonntag nachdenklich. „Ist das nicht das Erscheinungsbild unserer derzeitigen Kirche?“ Die weniger gewordenen Christen blieben lieber unter sich und möchten keine Zugluft. Das sei nicht im Sinne des dezenten Schubs' Jesu: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Als österlichen Dreischritt empfahl Mai: „Türen auf – Herzen auf – und den anderen mit neuen Augen sehen.“

Die Weggelaufenen

Als das Evangelium der Weggelaufenen bezeichnete der Prediger schließlich am Ostermontag die Emmaus-Geschichte. Kirche seien nicht nur die, die Jesus treu nachlaufen, sondern auch die, denen er nachlaufen muss, also Zweifler und solche, die große Schwierigkeiten mit dem Glauben haben.

Die musikalische Begleitung der durchweg gut besuchten Gottesdienste übernahmen am Gründonnerstag und in der Osternacht die Männerschola und am Ostersonntag der Chor der Pfarreiengemeinschaft.

 
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