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GRAFENRHEINFELD
Frauen, Fische, Fjorde
Islandflagge und Strickpulli: Bibliotheksleiterin und Islandfan Anna Scharf (rechts) präsentierte Autorin Anne Siegel.
Foto: Daniela Schneider | Islandflagge und Strickpulli: Bibliotheksleiterin und Islandfan Anna Scharf (rechts) präsentierte Autorin Anne Siegel.
Von unserer Mitarbeiterin Daniela Schneider
 |  aktualisiert: 19.10.2020 11:05 Uhr

Anne Siegel bekommt immer eine Gänsehaut, wenn sie als Journalistin und Drehbuchautorin gute Geschichten wittert. Die Gänsehaut, die eine Freundin ihr 2010 in Köln bescherte, war gewaltig. Der isländische Vulkan Eyjafjallajökull hatte gerade seine Asche gespuckt und Gréta Ólafsdóttir, eine in New York lebende Isländerin, konnte nicht heimfliegen. So saßen die Freundinnen nach dem Internationalen Frauenfilmfestival in Köln fest und genossen die gemeinsamen, geschenkten Tage.

Ganz zufällig kam dabei eine Geschichte ans Licht, die in Island fast jeder, in Deutschland aber kaum jemand kennt. Die der deutschen Frauen, die auf Werbung des isländischen Bauernverbandes 1949 die Reise in Richtung Polarkreis antraten. Die Idee dahinter ist so einfach wie skurril: Im Nachkriegsdeutschland fehlten die Männer, in Island herrschte Frauenmangel, und so waren die deutschen Frauen wie eine Frischzellenkur für die Bauernhöfe im dünn besiedelten Island.

Knapp 500 Frauen folgten damals dem werbenden Ruf und die meisten blieben für immer, als größte Einwanderergruppe, die Island je hatte. Einige dieser deutschen Auswanderinnen lässt die Drehbuchautorin und Journalistin Anne Siegel nun gut 60 Jahre später in ihrem Bestseller „Frauen, Fische, Fjorde“ zu Wort kommen. Für Islandfan Anna Scharf und das Team der Grafenrheinfelder Gemeindebibliothek der perfekte Anlass, die sympathische Autorin im Rahmen einer Island-Lesenacht nach Grafenrheinfeld zu holen.

Ein voller Erfolg, denn die momentane Wahlkölnerin macht aus ihrer 75. Lesung einen höchst spannenden Exkurs in das Herz Islands, nicht ohne sich dabei total „geflasht“ vom liebevoll gestalteten isländischen Ambiente der Bibliothek, von den kulinarischen Köstlichkeiten des Katholischen Frauenbunds und dem typischen Weihnachtsbier Jólaöl, zu zeigen.

Die Autorin erzählt in ihrer Lesung mehr als nur die Geschichte der deutschen Einwanderinnen, sie gibt diesen mutigen Frauen auf ganz spezielle Weise eine Stimme. Viele der mittlerweile sehr betagten Damen wie Maria oder Hilde lässt sie vom Band erzählen. Die meisten Frauen erzählen ihre Geschichte zum ersten, aber auch letzten Mal. Dadurch können sie vielleicht mit einem Kapitel ihres Lebens abschließen, das nicht unbedingt verdaut war. Doch auch Anne Siegel hat sich verändert, wie sie selbst sagt. Sie hat sich mitten in der Recherche von ihrem alten Verlag getrennt, „ein Befreiungsschlag“, der sie auch persönlich weitergebracht hat. Als die Filmrechte verkauft wurden, haben sich gleich fünf große Produktionsfirmen darum gebalgt. Siegels Beharren auf die Klausel, dass weder die „Ferres“ noch die „Neubauer“ eine der Einwanderinnen spielen dürfe, hat ihr harsche Kritik eingebracht. Da grinst sie drüber. Man spürt, dass sie dabei an die Einwanderinnen denkt, die ihr so ans Herz gewachsen sind, und die für sie einer besonderen Porträtierung bedürfen.

Momentan arbeitet Siegel an der Romanfassung der Geschichte, die unter dem Titel „NordBräute“ im Frühjahr 2015 erscheinen wird. Eine rundum stimmige Veranstaltung, die dem Anspruch der Grafenrheinfelder Gemeindebibliothek Genüge tat, kulturelle Bildung mit spannenden, geselligen und geistreichen Begegnungen zu kombinieren.

 
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