zurück
Schweinfurt
Frauen der Schweinfurter Geschichte
Gästeführerin Claudia Helldörfer machte weibliches Leben in Schweinfurt sichtbar. Die Teilnehmerinnen lauschten gebannt ihren Erzählungen.
Foto: Charlotte Wahler | Gästeführerin Claudia Helldörfer machte weibliches Leben in Schweinfurt sichtbar. Die Teilnehmerinnen lauschten gebannt ihren Erzählungen.
Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 25.03.2022 02:20 Uhr

Bei der Stadtführung "Frauen werden sichtbar" anlässlich der Schweinfurter Frauenwochen pfiff den Teilnehmerinnen ein recht kalter Wind um die Ohren. Das hatten sie mit den Frauen der Schweinfurter Geschichte gemeinsam. Auch diesen pfiff in vielen Fällen bildlich gesprochen ein kalter Wind um die Ohren, sie mussten sich meist mutig Widrigkeiten ihrer Zeit entgegenstellen.

Führerin Claudia Helldörfer stellte die ausgewählten historischen Frauen so kurzweilig vor, dass Zeit und Temperaturen schnell vergessen waren. Aufgrund der großen Nachfrage nach solchen Führungen hatte das Team um Helldörfer 2020 zu einer ersten Frauenführung einen zweiten Teil konzipiert, in dem sechs neue Frauen der Schweinfurter Geschichte vorgestellt werden.

Im Leichenhemd barfuß durch die Stadt

Die älteste von ihnen ist Susanne Alberti, an die ein verwitterter Grabstein am Alten Friedhof gegenüber der Heiliggeist-Kirche erinnert. Sie wurde im Jahr 1565 während ihrer Schwangerschaft fälschlich für tot erklärt und wegen Pestgefahr noch am gleichen Tag beerdigt. Als der Totengräber ihren wertvollen Ring stehlen wollte, entdeckte er, dass sie aufgewacht war, und floh in Panik. Susanne Alberti ging im Leichenhemd barfuß durch die Stadt zum Marktplatz, wo der Leichenschmaus stattfand, und klopfte dort an die Tür.

Das Leben von Anna Rauscher verlief nicht ganz so dramatisch, sie war eine der 17 Hebammen der Stadt "und sie war revolutionär, weil sie in ihrem Haus am Schillerplatz eine Wöchnerinnenstation betrieb, ein Novum dieser Zeit", so Helldörfer. Zum Beruf hat sich die Hebammentätigkeit erst seit dem Mittelalter entwickelt, nachdem den Frauen auch durch die Hexenverfolgungen ein großer Teil ihres Wissens und Könnens rund um die Fragen des Lebens genommen wurde. Seitdem mussten die Frauen strenge Prüfungen bei den männlichen Ärzten absolvieren. Hebammen waren auch für Frauen- und Kinderkrankheiten zuständig. Anna Rauscher hatte selbst sechs Kinder und war mit ihrem Mann, einem Schuhmachermeister, sehr angesehen in der Stadt.

An der Kunsthalle stellte Helldörfer die zwei Frauen vor, die wohl zu den bekanntesten Schweinfurterinnen zählen: Betty Sachs und Elinor von Opel, Ehefrauen der Sachs-Dynastie. Während Betty Sachs gar nichts vom Glamour einer der reichsten Industriellenfamilien an sich hatte, war Elinor das Gegenteil von ihr. Ihre arrangierte Ehe mit Willy Sachs war unglücklich, sie bekam zwei Kinder, verließ nach wenigen Jahren aber ihren Mann. Willy Sachs, der den Nazis und der Jagd sehr zugetan war und wohl auch ein rechter Weiberheld gewesen sein muss, hatte kein sehr glückliches Leben und starb von schweren Depressionen geplagt. Elinor von Opel hatte in der Schweiz in zweiter Ehe ein glücklicheres Leben und war bis ins hohe Alter geistig rege. Sie war ebenso wie ihr noch berühmterer Sohn Gunter als Fotografin aktiv und starb erst 2001.

Die Fußgängerschwester war in der ganzen Stadt bekannt

Schwester Amalgunde Weber wurde vor dem St. Josefskrankenhaus vorgestellt. Sie war als Fußgängerschwester in ganz Schweinfurt bekannt, weil sie unermüdlich und in hohem Tempo täglich für Schwache, Kranke und Sterbende tätig war. Trotz der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg blieb sie bei den Kranken an den Betten und wurde einmal sogar verschüttet. Sie starb 1990.

Das Leben der Schweinfurterin Gretl Silberstein würde wohl auch einen spannenden Spielfilm füllen: Als Tochter eines Schuhfabrikanten hatte sie eine glückliche Kindheit, bis die Nazis sie im Jahr 1933 von einem Tag auf den anderen in eine Zeit des Horrors jagten. Als jüdisches Kind durfte sie nicht mehr auf ihre geliebte Schule, der Vater wurde enteignet. Bettelarm mussten sie sich auf die Flucht machen. Gretl heiratete in Argentinien Ernesto Calvary und wurde eine anerkannte Malerin. Sie wurde über 90 Jahre alt und verbrachte die letzten zwölf Jahre ihres Lebens wieder in Schweinfurt. Der frühere Oberbürgermeister Kurt Petzold hatte sie wieder mit ihrer Heimatstadt versöhnt.

Auch die zweite Frauenführung war voll ausgebucht. Helldörfer berichtete von dem großen Interesse, das die Themenführungen bei den Schweinfurterinnen weckt. Es werden im Laufe des Jahres sicherlich noch weitere Termine angeboten.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Charlotte Wahler
Ehefrauen
Hebammen
Hexenverfolgung
Kurt Petzold
Mittelalter (500 - 1419)
Opel
Wind
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top