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GEROLZHOFEN
„Fränkisch echt – sou wia mer halt secht"
Das Steigerwälderlied zum Abschluss von zweieinhalb vergnüglichen Stunden im Theaterhaus (von links): Josef Fröhling, Irmgard Fröhling, Anja Iff, Monika Freiberger, Silvia Kirchhof, Stefan Mai, Charly Weikert, Rita Spiegel, Karlheinz Stöcklein (verdeckt), Bruno Steger, Karin Böhm, Erich Servatius, Sonja Greb und Thomas Heilmann.
Foto: Klaus Vogt | Das Steigerwälderlied zum Abschluss von zweieinhalb vergnüglichen Stunden im Theaterhaus (von links): Josef Fröhling, Irmgard Fröhling, Anja Iff, Monika Freiberger, Silvia Kirchhof, Stefan Mai, Charly Weikert, Rita ...
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:34 Uhr

Was für vergnügliche Abende! Das Kleine Stadttheater Gerolzhofen lud zweimal zum „Fränkischen Abend“ in das neue Theaterhaus ein. Mit kleinen Gedichten, Versen, Liedern und ein paar kurzen Spielszenen wurde eine heimelige Atmosphäre geschaffen. So spürt sich Heimat an.

Es waren Abende ohne Zoten und ohne Anzüglichkeiten. Und alles in fränkischer Mundart, einer Sprache, mit der man zwar aufgewachsen ist, die man deshalb auch (größtenteils) versteht, aber sie trotzdem nicht recht sprechen kann. Eine mundartgefärbte Aussprache ist halt noch lange keine Mundart. Doch warum ist das so, fragte gleich zu Beginn Sonja Greb. Eine berechtigte Frage. Denn während der Lederhosen-Bayer unbeirrt sein Bayerisch pflegt und die Norddeutschen ganz bewusst mit der Zunge an den spitzen Stein stoßen, schämt sich der Franke fast für seine weiche Sprachmelodie. Sonja Greb: „Geht's mit dem Fränkischen bald so wie der deutschen Schrift?“

 

 

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Ein genießendes Publikum

Es waren tolle Abende im Theaterhaus, in die man sich regelrecht reinkuscheln konnte, wie wenn man nach langer Abwesenheit in der Fremde endlich wieder mal daheim sein darf und den altvertrauten Hausgeruch in sich aufsaugt. Dieses Gefühl war auch beim Publikum an seinen Reaktionen zu erspüren. Es genoss jede Minute des Programms und fühlte sich dabei tatsächlich – so wie der Titel der Veranstaltungsreihe lautet – „beheimatet“.

Fotoserie

Es waren Abende zum Schmunzeln. Das genügt. Der Franke lacht und prustet nicht plakativ heraus, nein, er freut sich erst einmal für sich, lebt seine Freude nach innen und genießt deren wohltuende Wärme auf der Seele. Der Steigerwald liegt bekanntermaßen nicht im Rheinland, wo dessen Bürger dort ihre gute Laune stets offensiv wie eine Fahne vor sich her tragen und bei denen die Gosch'n in einer Tour geht. Nein, der Franke an sich fühlt sich wohl in seinem Dreiseithof mit dem schweren Holztor vorne dran. Und wenn sich der Vorhang am Fenster zur Straße hin mal unmerklich bewegt, ist das schon ein beachtlicher Schritt in der zwischenmenschlichen Kontaktaufnahme.

Passt scho'

Ein leichtes, unmerkliches Anheben der Mundwinkel, ein kaum wahrnehmbares Nicken des Kopfes – das reicht zwischen Steigerwald und Mainschleife in der Regel als Zustimmung aus. Zum minimalistischen Mienenspiel gehört es auch, dass der Franke die Zahl seiner Adjektive bewusst überschaubar hält, wenn er sein Gefallen oder – falls die Situation gar eskaliert – sogar mal ein Lob in Worte gießen will. Passt scho'. Außerfränkische Maulhelden brauchen da ganze Sätze.

Der Franke ist stets freundlich zu seinen Mitmenschen, will von denen aber nicht angesprochen werden. Denn: Minimalismus, Understatement und Coolness, das praktizierte der Franke schon, als es diese Begriffe überhaupt noch nicht gab. Als Beleg präsentierte Irmgard Fröhling im Theaterhaus eines der Lieblingswörter des Franken: „öbbes“. Damit kann man in allen Lebenslagen die verschiedensten Situationen sehr präzise beschreiben, ohne die Zahl der Vokabeln nach oben zu schrauben.

Witzli und große Oden

Das Programm war von der Theaterleiterin Silvia Kirchhof geschickt gestaltet worden. Kleine Verse mit einem meist überraschenden und zugleich lustigem Ende wechselten sich ab mit großen gereimten Oden an die fränkische Lebensart und die landschaftliche Schönheit.

Da wurde nach einem Kinderschühchen gesucht, das dann zu aller Überraschung in der vollen Suppenterrine zum Vorschein kam. In einem ordentlichen fränkischen Haushalt geht halt nichts verloren. Skurril der Besuch eines Mädchens bei der Verwandtschaft in der großen Stadt. Es folgt brav der Bitte der Tante, auf der Toilette nach dem großen Geschäft die Bürste zu benutzen, kann sich danach aber die Bemerkung doch nicht verkneifen, „mit Papier wär's schon besser gewesen“. Für Kopfschütteln bei den fränkischen Eingeborenen sorgt auch der Wunsch einer jungen Frau, zur Hochzeit einen Ausziehtisch geschenkt zu bekommen. Denn dahemm, da zieht man sich doch im Bett aus. . . Und dann war da noch die geplante Englandreise eines Franken, die er schließlich doch absagte, weil der Linksverkehr zu gefährlich sei. „Das habe ich auf der B 19 getestet.“

Unterschätzte Heimatdichter

Es waren auch Abende der Heimatdichter. Dem Ruf eines „Heimatdichters“ haftet häufig ja das Etikett eines Amateurs, gar eines Dilettanten an, der angeblich meist erfolglos versucht, seine Inhalte auf Gedeih und Verderb in holprige Vierzeiler zu pressen, wo das Ende sich möglichst auch noch reimen soll. Bei den im Theaterhaus gehörten großen Lobgesängen auf die Heimat aber war dies ganz anders. Hier bewunderte der Zuhörer, wie präzise die Heimatdichter – meist Oberlehrer vom alten Schlag – ihre Mitmenschen und die Region beobachtet und dies zu Papier gebracht hatten: etwa bei Fritz Rölls Liebeserklärung an sein Heimatdorf Frankenwinheim, bei Hans Freitags „Gertraudiskapelle“ oder bei Franz Mittenzweys „Altweibersommer“. Und überall kam den Dichtern zugute, dass das Fränkische weich ist und ohne die ganz harten Konsonanten auskommt.

Selbst der Dod ist weich

Fränkisch ist weich. Das bewies Stefan Mai, der musikalisch mit kleinen Gestanzl den wenigen außerfränkischen Theaterbesuchern die wichtigsten fränkische Spezialbegriffe vorstellte. „Selbst der Dod ist weich bei uns.“

Wie man die altbekannte Sage vom Huhu-Männchen und den Waldstreit der Gerolzhöfer mit den Geusfeldern samt dreiköpfigem Centgericht frisch auf die Bühne bringen kann, bewies Bruno Steger. Für fränkisch doch untypische Schenkelklopfer und lauthalses Lachen des Publikums sorgte die Flohbekämpfung nach Rhöner Art. Allein schon das mit einfachsten Mitteln erstellte Bühnenbild sorgte für Heiterkeit: Erich Servatius mit glänzendem Schädel sorgte für die Wasserkuppe, Stefan Mai (Anmerkung des Verfassers: der Pfarrer von Geo) sinnigerweise für den Kreuzberg. Fertig war die Silhouette der Rhön. Josef Fröhling dozierte dann vor diesem Hintergrund über verschiedene Methoden, wie man sich Flöhen entledigt, die man zuvor mit schwarz gebranntem Kartoffelschnaps ins Delirium getrieben hatte. Beim anschließenden „Flohlied“, ein früherer Gassenhauer der legendären „Waldkäuz“ beim Gerolzhöfer Fasching, sang das Publikum begeistert mit.

Singen mit inbrunst

Apropos Gesang. Mit dem gemeinsamen Steigerwälder Lied und dem sechsstrophigen Lied der Franken endeten die mitreißenden Abende. Lang anhaltender, begeisterter Applaus der Zuhörer mit Bravo-Rufen. Und Federweißer, Kellerbier, Gerupfter und Hausmacherwurstplatten sorgten dafür, dass sich nicht nur das Herz daheim fühlte, sondern auch der Magen. Denn Heimat geht auch durch den Magen. So spürt sich Heimat an. Und so schmeckt Heimat.

Mitwirkende beim „Fränkischen Abend“

Auf der Bühne standen folgende Ensemblemitglieder des Kleinen Stadttheaters Gerolzhofen: Erich Servatius (Geo), Sonja Greb (Neuhof), Karin Böhm (Kitzingen), Karlheinz Stöcklein (Frankenwinheim), Charly Weikert (Frankenwinheim), Rita Spiegel (Geo), Stefan Mai (Üchtelhausen, derzeit Geo), Anja Iff (Geo), Bruno Steger (Geo), Irmgard Fröhling (Geo), Josef Fröhling (Geo). Die präsentierten Texte stammten aus der Feder der Heimatdichter Arthur Hümmer (Geldersheim), Alfred Buchner (Kitzingen), Fritz Röll (Frankenwinheim), Hans Freitag (Gerolzhofen), Franz Mittenzwey (Gerolzhofen), Heinz Werb (Haßfurt), Wilhelm Wolpert (Haßfurt), Walter Tausendpfund (Pegnitz), Gottfried Strobel (Volkach), Egon Helmhagen (Nürnberg), Franz Bauer (Nürnberg), Helmut Maximilian Krieger (Sommerhausen) und Fitzgerald Kusz.

Die musikalische Begleitung am Akkordeon übernahm Thomas Heilmann (Michelau). Für die Bühnentechnik zuständig war Klaus Müller, die Leitung des großen Service-Teams hinter der Bühne und bei der Bewirtung hatte Margot Kirchhof. Co-Regie: Monika Freiberger, Regie: Silvia Kirchhof.

Karin Böhm berichtete von der verzweifelten Suche nach einem Kinderschühchen, das sich später dann in der Suppenterrine wiederfand. Mit im Bild Sonja Greb (rechts) und Rita Spiegel.
Foto: Klaus Vogt | Karin Böhm berichtete von der verzweifelten Suche nach einem Kinderschühchen, das sich später dann in der Suppenterrine wiederfand. Mit im Bild Sonja Greb (rechts) und Rita Spiegel.
Charly Weikert berichtete, wie Gott bei der Schöpfungsgeschichte auf Ausgewogenheit Wert legte und als Gegenpol für Frankens Schönheit und Intelligenz das Ruhrgebiet schuf.
Foto: Klaus Vogt | Charly Weikert berichtete, wie Gott bei der Schöpfungsgeschichte auf Ausgewogenheit Wert legte und als Gegenpol für Frankens Schönheit und Intelligenz das Ruhrgebiet schuf.
Sonja Greb wusste von einer Autopanne zweier Klosterschwestern, die sich beim Transport des fehlenden Benzins zu helfen wussten.
Foto: Klaus Vogt | Sonja Greb wusste von einer Autopanne zweier Klosterschwestern, die sich beim Transport des fehlenden Benzins zu helfen wussten.
Irmgard Fröhling referierte über eines der fränkischen Lieblingswörter: „öbbes“.
Foto: Klaus Vogt | Irmgard Fröhling referierte über eines der fränkischen Lieblingswörter: „öbbes“.
 
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