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Zeilitzheim
Flurnamen schreiben lokale Geschichte
Durch die Flurbereinigung gehen regelmäßig alte Flurnamen verloren. Kreisarchivpfleger Hilmar Spiegel versucht, diese trotzdem der Nachwelt zu erhalten.
Wie sich die unterschiedlichen Flurkarten und damit auch die Flurbezeichnungen über die Jahre in Zeilitzheim verändert haben, untersuchten (rechts) Hilmar Spiegel und Kurt Scheuering (zweiter von rechts) vom Historischen Arbeitskreis. Zusammen mit den Siebenern Karl-Josef Schömig (links) und Volker Herbert verglichen sie verschiedene Pläne. 
Foto: Dominik Dorsch | Wie sich die unterschiedlichen Flurkarten und damit auch die Flurbezeichnungen über die Jahre in Zeilitzheim verändert haben, untersuchten (rechts) Hilmar Spiegel und Kurt Scheuering (zweiter von rechts) vom ...
Dominik Dorsch
Dominik Dorsch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 17:01 Uhr

Die landwirtschaftlichen Vorteile einer Flurbereinigung stehen für Kreisarchivpfleger Hilmar Spiegel außer Frage. Allerdings würden dadurch zum Teil auch ökologische Nischen verschwinden und mit ihnen auch deren historische Flurbezeichnungen, erzählt er in einem Gespräch. "Unsere Vorfahren benannten Teile ihrer Gemarkung nach geologischen, geschichtlichen und erdgeschichtlichen Zusammenhängen", erklärt der Experte.

Beispielsweise sei der "Schleifweg" nach Ansicht Spiegels früher ein Waldstück gewesen, aus dem regelmäßig Holz geschlagen und herausgezogen wurde. Der Wald wurde längst in Gänze gerodet und heute ist kein einziger Baum mehr sichtbar. Nur die Flurbezeichnung erhält noch die Erinnerung aufrecht. Gleiches gilt für den Flurbereich "Badholz". Aus dem damalig dort existierenden Wald wurde das Holz für die Beheizung des Gemeindebades beschafft.

Nach jeder Flurbereinigung, wie auch jüngst in Zeilitzheim, wo der offizielle Abschluss im Jahr 2019 gefeiert wurde, werden die Flächen in ihren Ausmaßen regelmäßig immer größer. Durch diese Zusammenlegung fallen immer mehr Flurnamen weg und verschwinden so automatisch aus dem Gedächtnis der Bevölkerung, betont Spiegel weiter.

Um 1930 bereits wurden Zeilitzheimer Flurbezeichnungen durch Lehrer Hans Brückner mittels dieses Plans dokumentiert. Dieser ist zusammen mit den dazugehörigen Bezeichnungen Bestandteil einer Chronik, welche im Jahr 1931 veröffentlicht wurde. Von 159 Zeilitzheimer Flurnamen aus dieser Zeit blieben in 2019 nach der letzten Flurbereinigung gerade noch 60 Bezeichnungen übrig.
Foto: Dominik Dorsch | Um 1930 bereits wurden Zeilitzheimer Flurbezeichnungen durch Lehrer Hans Brückner mittels dieses Plans dokumentiert.

Exemplarisch lässt sich dies am so genannten Reitergrab belegen. An der westlichen Flur, circa 500 Meter am Ortsausgang am Weinbachweg, benannten die Zeilitzheimer Vorfahren ein Flurteil "Reitergrab". Beobachtungen durch die Mitglieder des historischen Arbeitskreises, Kurt Scheuering und Hilmar Spiegel, stellten am Wachstum der Getreidehöhe einen unterschiedlichen Wuchs fest. Eine exakte Vermessung dieses Teils führte zu einer circa vier Quadratmeter großen Fläche, wo das Getreide trotz der Keuperschichten im Untergrund 20 bis 22 Zentimeter höher wuchs als nebenan. Das konnte nur bedeuten, dass an dieser Stelle einmal die Versiegelung des Untergrundes aufgebrochen worden sein muss und die Pflanzen hier an Feuchtigkeit heran kamen, was sonst in der Umgebung nicht möglich war.

Bronzenes Fundstück

Bei Nachforschungen fand Kurt Scheuering bei einem Kontrollgang in der Nähe tatsächlich ein Bronzeteil. Die Vorlage dieses Teilstücks beim Landesamt für Denkmalpflege in Bamberg ergab: Bei dem Bronzestück dürfte es sich um ein Teil einer Pferdegeschirrausrüstung handeln. Demnach könnte hier tatsächlich ein Pferd oder ein Reiter oder eventuell beides dort verborgen liegen, schätzt Spiegel. Gezielte Nachforschungen oder eine Grabung könnten mehr Aufschluss bringen, dies muss aber terminlich noch warten, da Notgrabungen an Flächen wie neuen Siedlungsgebieten oder Straßenerneuerungen Vorrang haben.

Die betreffende Fläche wurde vom Landesamt für Denkmalpflege auf jeden Fall schon mal in das Fundkataster aufgenommen und bleibt somit späteren Nachforschungen vorbehalten, zumal an jener Fläche eine Beschädigung der Fundstelle tief im Erdreich nicht zu erwarten ist.

Geschichte geht verloren

Bei der jüngsten Flurbereinigung von 2012 bis 2019 wurde auf dem Flurplan an dieser Stelle die alte Flurbezeichung "Am Reitergrab" gelöscht und in den neuen Flurteil "Nußbäumlein" integriert. Somit verschwindet an dieser Stelle der alte Flurhinweis auf ein Reitergrab und nachfolgende Generationen aus dem Gedächtnis. Ein Teil der Zeilitzheimer Flurgeschichte geht damit unwiederbringlich verloren.

Von 159 Flurnamen aus der Zeit von 1935 bis 1948 blieben noch ganze 60 im Jahr 2021 übrig. Karl-Josef Schömig, der 18 Jahre lang Vorstand der örtlichen Flurbereinigungsgenossenschaft war und sich als Siebener-Obmann in der gesamten Gemarkung bestens auskennt, hatte im neuen Flurplan nach der Zusammenlegung die Flurnamen eingetragen und verglich mit seinem Siebenerkollegen Volker Herbert und den Mitgliedern des Historischen Arbeitskreises kürzlich die verschiedenen Karten. Darunter war auch der einzig noch existierende Flurplan der Zeilitzheimer Gemarkung aus dem Jahr 1936, den Herbert von seinem Vater Fritz mitgebracht hatte.

Der 'Gänssee' befand sich seit alters her am Ende der Straße an den Gärten in Zeilitzheim. Seit Jahrhunderten hüteten dort die Gäsehirten des Dorfes die Herden. Damit dessen Geschichte nicht verloren geht, hat Hilmar Spiegel alte Unterlagen zusammengetragen, welche unter anderem diese Aufnahme aus dem Jahr 1930 enthielten. Darauf zu sehen sind Leo und Hannchen Seidel, die Kinder des damaligen Gemeindehirten.
Foto: Repro: Dominik Dorsch | Der "Gänssee" befand sich seit alters her am Ende der Straße an den Gärten in Zeilitzheim. Seit Jahrhunderten hüteten dort die Gäsehirten des Dorfes die Herden.

400 Gänse

Ein Beispiel aus der früheren Flurbereinigung von 1935 bis 1948 zeigt die Einschnitte noch deutlicher. Seit Jahrhunderten hatten Gänsehirten des Dorfes am "Gänssee" am Brünnleins-wasen die Herden gehütet. Ein Gemeindehirte, der von der Kommune angestellt wurde, hatte jeden früh um 7 Uhr circa 400 Gänse an bestimmten Orten im Dorf abzuholen, wohin die Gänse nach Öffnen der Hoftore selbständig liefen. Von dort aus übernahm der Hirte die Herde und zog mit ihr an den westlichen Rand des Dorfes an die gemeindeeigenen Flächen des Brünnleinswasens mit dem Gänsesee.

Nach dem Abschluss des Flurneuordnungsverfahrens im Jahr 2019 wurde zur Erinnerung an die Bodenordnung und als Bereicherung der Kulturlandschaft ein Denkmal errichtet. Am Eulenberg in Zeilitzheim entstand eine Aussichtsplattform, die durch eine 2,5 Meter hohe Eule aus Stahlblech hervorgehoben wird. Die Gitter-Augen der 400 Kilogramm schweren Eule sind der Feldeinteilung vor und nach der Flurbereinigung nachgebildet. Im Zuge dieser Zusammenlegungen verschwinden auch einige kleinräumige Flurbezeichnungen.
Foto: Dominik Dorsch | Nach dem Abschluss des Flurneuordnungsverfahrens im Jahr 2019 wurde zur Erinnerung an die Bodenordnung und als Bereicherung der Kulturlandschaft ein Denkmal errichtet.

Am Nachmittag übernahmen dann die Kinder des Gemeindehirten diese Aufgabe, ehe abends dann die Tiere von den Sammelstellen im Dorf wieder selbstständig zurück in die Höfe liefen. Dieses Areal mit rund 2000 Quadratmetern verschwand nach dem Flurbereinigungsverfahren komplett. Zum Erhalt der historischen Hintergründe hat Hilmar Spiegel Unterlagen und Bilder zum Gänssee für die Nachwelt zusammengefasst.

Flurnamen-Gedicht

Hilmar Spiegel hat 1988 ein Gedicht über die Zeilitzheimer Flurnamen verfasst hat. Inspiriert wurde er dazu bei einer Wanderung von Würzburg über Volkach nach Gaibacher zur Konstitutionssäule, wo es einen traumhaften Rundblick auf die Zeilitzheimer Gemarkung zu bestaunen gibt.
"(...) Flurnamen hab ich im Sinn,
ob Oberberg der Strutläng Weiten,
vielleicht auch Schinderrangen, Schranken und Stinzing,
was ist mit Weinbach, Nonnenstück und Leiten?
Erkenn‘ ich Badholz, Weiße Marder, Schleifwegäcker,
auch Harruck, Lach, erzählen viel.
Der Eichelberg kündt‘ von der Häcker,
Menschenschweiß und Gottes Ziel.
Macht euch die Erde Untertan,
steht in der Bibel schon geschrieben.
Was ist mit Sandholz, Au und Hahn?
Soll’n wir den Judenpfad nicht minder lieben?
Verbundenheit mit Tier und Erde,
drückt sich in manchem Namen aus.
Gott sprach am ersten Tag: "Es werde!"
Und Mittelpfad entstand daraus.
Des Bauern Hand erfasst die Scholle,
sein Blick erkennt auch Vogel, Tier.
Der Eulenberg, der Geiersberg und die Handwelle,
sind der Zeilitzheimer Fluren Zier.
Am Steinbruchweg, brach man für`s Schloß die Steine
und setzte sie zum Viereck auf.
Zehntwiese und Grafensee, war Fürstenrecht alleine
und änderte der Zeiten Lauf. (...)
Das Friedhofstück, die Schädelsküche,
erzählen von Vergänglichkeit;
Wie Menschenwerk, das Selbstherrlich,
doch Gottes Wort in Ewigkeit!"
Quelle: H. Spiegel
 
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