
Die landwirtschaftlichen Vorteile einer Flurbereinigung stehen für Kreisarchivpfleger Hilmar Spiegel außer Frage. Allerdings würden dadurch zum Teil auch ökologische Nischen verschwinden und mit ihnen auch deren historische Flurbezeichnungen, erzählt er in einem Gespräch. "Unsere Vorfahren benannten Teile ihrer Gemarkung nach geologischen, geschichtlichen und erdgeschichtlichen Zusammenhängen", erklärt der Experte.
Beispielsweise sei der "Schleifweg" nach Ansicht Spiegels früher ein Waldstück gewesen, aus dem regelmäßig Holz geschlagen und herausgezogen wurde. Der Wald wurde längst in Gänze gerodet und heute ist kein einziger Baum mehr sichtbar. Nur die Flurbezeichnung erhält noch die Erinnerung aufrecht. Gleiches gilt für den Flurbereich "Badholz". Aus dem damalig dort existierenden Wald wurde das Holz für die Beheizung des Gemeindebades beschafft.
Nach jeder Flurbereinigung, wie auch jüngst in Zeilitzheim, wo der offizielle Abschluss im Jahr 2019 gefeiert wurde, werden die Flächen in ihren Ausmaßen regelmäßig immer größer. Durch diese Zusammenlegung fallen immer mehr Flurnamen weg und verschwinden so automatisch aus dem Gedächtnis der Bevölkerung, betont Spiegel weiter.

Exemplarisch lässt sich dies am so genannten Reitergrab belegen. An der westlichen Flur, circa 500 Meter am Ortsausgang am Weinbachweg, benannten die Zeilitzheimer Vorfahren ein Flurteil "Reitergrab". Beobachtungen durch die Mitglieder des historischen Arbeitskreises, Kurt Scheuering und Hilmar Spiegel, stellten am Wachstum der Getreidehöhe einen unterschiedlichen Wuchs fest. Eine exakte Vermessung dieses Teils führte zu einer circa vier Quadratmeter großen Fläche, wo das Getreide trotz der Keuperschichten im Untergrund 20 bis 22 Zentimeter höher wuchs als nebenan. Das konnte nur bedeuten, dass an dieser Stelle einmal die Versiegelung des Untergrundes aufgebrochen worden sein muss und die Pflanzen hier an Feuchtigkeit heran kamen, was sonst in der Umgebung nicht möglich war.
Bronzenes Fundstück
Bei Nachforschungen fand Kurt Scheuering bei einem Kontrollgang in der Nähe tatsächlich ein Bronzeteil. Die Vorlage dieses Teilstücks beim Landesamt für Denkmalpflege in Bamberg ergab: Bei dem Bronzestück dürfte es sich um ein Teil einer Pferdegeschirrausrüstung handeln. Demnach könnte hier tatsächlich ein Pferd oder ein Reiter oder eventuell beides dort verborgen liegen, schätzt Spiegel. Gezielte Nachforschungen oder eine Grabung könnten mehr Aufschluss bringen, dies muss aber terminlich noch warten, da Notgrabungen an Flächen wie neuen Siedlungsgebieten oder Straßenerneuerungen Vorrang haben.
Die betreffende Fläche wurde vom Landesamt für Denkmalpflege auf jeden Fall schon mal in das Fundkataster aufgenommen und bleibt somit späteren Nachforschungen vorbehalten, zumal an jener Fläche eine Beschädigung der Fundstelle tief im Erdreich nicht zu erwarten ist.
Geschichte geht verloren
Bei der jüngsten Flurbereinigung von 2012 bis 2019 wurde auf dem Flurplan an dieser Stelle die alte Flurbezeichung "Am Reitergrab" gelöscht und in den neuen Flurteil "Nußbäumlein" integriert. Somit verschwindet an dieser Stelle der alte Flurhinweis auf ein Reitergrab und nachfolgende Generationen aus dem Gedächtnis. Ein Teil der Zeilitzheimer Flurgeschichte geht damit unwiederbringlich verloren.
Von 159 Flurnamen aus der Zeit von 1935 bis 1948 blieben noch ganze 60 im Jahr 2021 übrig. Karl-Josef Schömig, der 18 Jahre lang Vorstand der örtlichen Flurbereinigungsgenossenschaft war und sich als Siebener-Obmann in der gesamten Gemarkung bestens auskennt, hatte im neuen Flurplan nach der Zusammenlegung die Flurnamen eingetragen und verglich mit seinem Siebenerkollegen Volker Herbert und den Mitgliedern des Historischen Arbeitskreises kürzlich die verschiedenen Karten. Darunter war auch der einzig noch existierende Flurplan der Zeilitzheimer Gemarkung aus dem Jahr 1936, den Herbert von seinem Vater Fritz mitgebracht hatte.

400 Gänse
Ein Beispiel aus der früheren Flurbereinigung von 1935 bis 1948 zeigt die Einschnitte noch deutlicher. Seit Jahrhunderten hatten Gänsehirten des Dorfes am "Gänssee" am Brünnleins-wasen die Herden gehütet. Ein Gemeindehirte, der von der Kommune angestellt wurde, hatte jeden früh um 7 Uhr circa 400 Gänse an bestimmten Orten im Dorf abzuholen, wohin die Gänse nach Öffnen der Hoftore selbständig liefen. Von dort aus übernahm der Hirte die Herde und zog mit ihr an den westlichen Rand des Dorfes an die gemeindeeigenen Flächen des Brünnleinswasens mit dem Gänsesee.

Am Nachmittag übernahmen dann die Kinder des Gemeindehirten diese Aufgabe, ehe abends dann die Tiere von den Sammelstellen im Dorf wieder selbstständig zurück in die Höfe liefen. Dieses Areal mit rund 2000 Quadratmetern verschwand nach dem Flurbereinigungsverfahren komplett. Zum Erhalt der historischen Hintergründe hat Hilmar Spiegel Unterlagen und Bilder zum Gänssee für die Nachwelt zusammengefasst.