Der Krieg begann für viele Ukrainer mit leeren Geldautomaten, dann folgte Beschuss. Von einem Moment auf den nächsten fanden sich "Menschen wie du und ich" in der Rolle von Kriegsopfern wieder. Es sind schockierende Geschichten, die der "Helferkreis Asyl Heidenfeld", rund um Kreisheimatpfleger Stefan Menz, erfahren hat.
30 ukrainische Flüchtlinge, junge und alte, kamen Anfang März im Röthleiner Ortsteil an, allesamt Mitglieder baptistischer Gemeinden in der Ukraine. Erste Anlaufstelle waren Oksana und Serhii M., zwei engagierte Baptisten aus der Ostukraine, die schon seit Beginn der Auseinandersetzungen um Krim und Donbass 2014 in Heidenfeld leben.
"Christliche Brüdergemeinde" nennt sich der dahinter stehende Verein, dessen Gemeindezentrum sich am Schweinfurter Hainig befindet. Die Gläubigen der evangelischen Freikirche stammen oft aus der ehemaligen Sowjetunion, der Leiter ist ein Mediziner russlanddeutscher Herkunft.
Baptisten praktizieren laut dessen Auskunft Erwachsenentaufen und leben in eigenständigen Gemeinden, in denen Religionsfreiheit groß geschrieben wird. Sie wollten human und gewaltlos nach "biblischen Prinzipien" leben. Namen sollen möglichst nicht genannt werden, aber der Zusammenhalt ist enorm.
Flüchtlinge kommen auch aus den Frontgebieten
Die Neuankömmlinge stammen aus der ganzen Ukraine, auch aus den Frontgebieten. "Denen war gar nicht klar, dass sie flüchten", sagen die Heidenfelder Helfer: "Sie haben gedacht, es ist für drei, vier Tage." Die Familie von Oksana und Serhii ist im Dorf bestens integriert, die vier Kinder spielen mit den Nachbarskindern.
"Die Ukrainer sind da", hieß es am 1. März, eigentlich Faschingsdienstag. Es war zweiter Bürgermeister Martin Weth aus Heidenfeld, der Stefan Menz informiert hat. Abends kamen die Autos, ein ganzes Dorf stand auf, um die traumatisierten Menschen zu unterstützen, mit Decken, Hygieneartikeln, Brot, Nudeln, Müsli, erster Hilfe. "Da waren plötzlich vier Babys", berichten die Helferinnen. Ein Säugling hat sich die ganze Nacht erbrochen. Im Krankenhaus stellte sich heraus, dass es keine bedrohliche Krankheit war.
Das lokale Autohaus Ganzinger hat sich nach der strapaziösen Fahrt um die Autos der Ankömmlinge gekümmert, die Metzgerei Krückel aus Stettbach zwei Kisten mit Fleisch- und Wurstwaren geliefert, an die 25 Kilogramm Verpflegung.
Jede Menge private Unterstützung
Außer von der Baptistengemeinde, dem "Helferkreis Ukraine" und den Vereinen gibt es auch jede Menge private Unterstützung. "Die Hilfsbereitschaft ist überwältigend", freut sich Stefan Menz, der die bewährten Strukturen des Asylhelferkreises von 2015 wiederbelebt hat. Per Facebook wurden Unterbringungsmöglichkeiten gesucht: "Es gab mehr Wohnungsangebote, als wir verwenden können". Eine Familie habe ein ganzes Haus zur Verfügung gestellt. Vor allem Gutschein-Spenden, fürs Einkaufen wie fürs Tanken, hätten sich bewährt. Hilfsangebote werden unter helferkreis-asyl@gmx.de entgegen genommen.
In Heidenfeld selbst sind jetzt elf Erwachsene und sieben Kinder untergebracht, bei ihren deutschukrainischen Gastgebern und in drei weiteren Wohnungen. Menz sieht die Aktion als gelebte Ökumene, bei der auch KJG und Frauenbund beteiligt sind, der Pfarrer hat einen Trockner zur Verfügung gestellt. Schon auf der Flucht wurde per Transfer-App Geld übermittelt, das auf Karten übertragen werden konnte, etwa um Benzin zu kaufen. Ein Auto ist in Rumänien verunglückt, die Insassen befinden sich schwerverletzt in deutschen Krankenhäusern.
Nach einer Phase der schnellen Improvisation werden die Flüchtlinge jetzt im Landratsamt registriert. Gemäß §24 des Aufenthaltsgesetz erhalten die Ukrainer einen besonderen Schutzstatus. Sie dürfen zunächst ein Jahr im Land bleiben, später bis zu drei Jahre, und beziehen ähnliche Leistungen wie Asylbewerber. "Landrat Florian Töpper hat sich sehr engagiert", lobt Menz. Die Zukunft ist dennoch ungewiss. Den Entwurzelten bleiben die Hoffnung und ihre gemeinsamen Lieder, die nun jeden Abend in Heidenfeld zu hören sind.
Die aus England stammende Baptistenbewegung war in der Sowjetunion weit verbreitet, die Ukraine galt als deren "Bibelgürtel". Die verwandte Glaubensrichtung der Mennoniten kam mit deutschen Auswanderern ins Zarenreich. Schon im 16. Jahrhundert waren deutschsprachige "Täufer" vor Verfolgung in die Ukraine geflohen. In orthodox geprägten Gegenden leiden Baptisten bis heute unter dem (falschen) Image als "Sekte".
Auch das ist ein Beitrag zur Sicherheit aller.