Dass nach dem WM-Finale Frankreich-Kroatien auch in Schweinfurt gefeiert werden würde, soviel stand am Sonntagnachmittag fest. Die große Frage war: zu welchem Menü?
„Camembert und Rotwein“ contra „Cevapcici mit Pivo“ schlug einer der Besucher des „Piran“ vor, dem kroatischen Restaurant in der Krummen Gasse. Wirt Gabrijel Jonjic hatte zum Duell „Blau-Weiß-Rot“ gegen „Rot-Weiß-Blau“ ein kleines Public Viewing organisiert, für rund 20 Besucher.
Die hiesige Balkan-Community war ebenso vertreten wie die Belegschaft des Leopoldina-Krankenhauses, ebenso wie der ehemalige Oberarzt Dr. Reginhard von Hirschhausen. Gabrijel Jonjic, der von der dalmatischen Insel Brac stammt, spielt in der Fußballmannschaft des Leo, die sich regelmäßig in Untertheres trifft.
Ein Fässchen mit Nationalgetränk
Für Expertenwissen war somit gesorgt, ebenso wie für „Erste Hilfe“ im Notfall, in Form eines Fässchens mit Nationalgetränk. Wirtin Sanela versorgte („Dobar tek! Guten Appetit!“) die Fans mit Bier und kroatischen Spezialitäten, so dass die Stimmung im Raum schon aus kulinarischen Gründen auf Seiten der „Kockasti“, der Rotweißkarierten, war. Sogar die Schweinfurter Serben fieberten mit: „Der Balkan muss zusammenhalten“.
An eine Niederlage will niemand glauben
An eine Niederlage wollte noch niemand denken, als das Finalspiel um 17 Uhr im Moskauer Luschniki-Stadion angepfiffen wurde: „Wir machen heute eine kroatische Nacht“ hieß es vergnügt aus Richtung Fässchen, „leg schon mal die Cevapcici drauf, Gabrijel“. Noch nicht mal das unglückliche Eigentor von Mandzukic in der 19. Minute konnte die Siegeszuversicht schmälern, nur ein knappes „Ui“ war zu hören: Kroatien zum vierten Mal in Folge in der K.O.-Phase im Rückstand? „Wenn das kein gutes Omen ist“.
Lediglich die kroatische Fahne, die an einer halb offenen Tür neben der Leinwand aufgehängt war, wirkte schon etwas bedrückt, im Luftzug. Tatsächlich glich Perisic wenig später aus: Die Welt der Überaschungsfinalisten, deren Land bislang eher im Wasserball oder Tennis geglänzt hat, schien wieder in Ordnung.
„Der held ne“, war die vorherrschende Meinung, als sich Torwart Subasic einem umstrittenen Handelfmeter gegenübersah. Doch Griezmann versenkte den Ball im kroatische Kasten.
Ausgerechnet in der Rauchpause
Auch nach der Halbzeitpause bog sich der Balkan, ob zweier weiterer Treffer der „Equipe Tricolore“. Die ersten Fans gingen vor die Tür, zum Frustabbau beim Rauchen – und verpassten die kleine Wiedergutmachung von Mandzukic, in Form des kuriosen 2:4.
Die Blicke von draußen durchs Fenster wurden wieder hoffnungsvoll, ob des wilden Hin- und Hers auf russischem Rasen. Zwischendurch rannte auch noch Pussy Riot mit. „So was gibt's nur in Russland“, diagnostizierte ein Mediziner. Zeit, den Zapfhahn wieder aufzudrehen. Trotz enormen Kampfgeists der stolzen Kroaten: Das Spiel selbst drehte sich nicht mehr. Böse Worte gab es in der Altstadt kaum: „So ist eben Fußball!“
Extrarunde Slivovitz aufs Haus
Am Ende blieb es bei einem Ehrenapplaus für die zweitbeste Fußballnation der Welt, und eine Extrarunde Slivovitz, aufs Haus. Schachmatt fühlten sich die Recken unter der Schachbrettfahne immer noch nicht: „So sehen Sieger aus“, sang Wirt Gabrijel zum Trost mit dem Saal und stieß mit bayrischen, fränkischen, serbischen und kroatischen Schweinfurtern gleichermaßen an, zivjeli, auf das Leben.