Die Erich und Erna Kronauer-Stiftung hat ihren im zweijährigen Turnus vergebenen Historiker-Preis an den streitbaren Geschichtswissenschaftler Ernst Nolte vergeben. Der inzwischen emeritierte Professor hatte 1986 den so genannten Historikerstreit ausgelöst, als er den deutschen Nationalsozialismus und dessen Holocaust als Konsequenz und Reaktion auf den sowjetischen Bolschewismus und dessen Gulag darstellte. Nolte ist heute 89 Jahre alt und wissenschaftlich weitgehend isoliert.
In der Diele des Alten Rathauses versammelte sich am Samstag denn auch das, was Nolte selbst als „diesen, unseren kleinen Kreis“ bezeichnete, und lauschte den Begründungen zur Preisverleihung durch den Stiftungs-Vorsitzenden Erich Kronauer ebenso interessiert wie der Laudatio des Literaturwissenschaftlers Günter Scholdt, der kurzfristig für den erkrankten Zeithistoriker und Publizisten Arnulf Baring eingesprungen war. Für den musikalischen Rahmen der Feierstunde sorgten Barbara Anton-Kügler (Klavier) und Matthias Kügler (Klarinette).
Ernst Nolte hatte Kronauer 1999 bei einem ersten Zusammentreffen zur Gründung der Stiftung – die vor allem den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern will – inspiriert. Er ist auch Mitglied im Kuratorium, wirkte an der Entscheidungsfindung über die Vergabe des mit 10 000 Euro dotierten Preises „aber selbstverständlich nicht mit“ (Kronauer). Die Auszeichnung jetzt galt seinem Lebenswerk und dezidiert auch der Tatsache, dass Nolte sich „von dem einmal Erkannten durch einen aggressiven, politisch korrekten Zeitgeist nicht hat abbringen lassen“ (Kronauer). Brieflich hatte der eigentlich vorgesehene Laudator Baring Nolte als „führenden philosophischen Historiker des 20. Jahrhunderts“ gewürdigt, dessen „gewaltiger geistiger Horizont“ jedoch vermutlich erst durch künftige Generationen gewürdigt werde.
Vor dem „Historikerstreit“ und seinen großen Auseinandersetzungen mit den Gegnern Habermas, Enzensberger und Wippermann hatte sich der 1964 habilitierte Ernst Nolte nicht nur durch sein Frühwerk „Der Faschismus in seiner Epoche“ einen Namen in Historikerkreisen gemacht und zunächst an der Universität Marburg, später bis zu seiner Emeritierung 1991 an der Freien Universität Berlin gelehrt. Dass in Schweinfurt Noltes „Lebenswerk“ gewürdigt werden sollte, ging bei der Laudatio leider etwas unter. Günter Scholdt zeichnete zunächst das Bild eines „Standhaften“ in einer weitgehend vom politischen Zeitgeist beeinflussten Historiker-Gilde. Dann aber arbeitete er sich wortreich an den Nolte-Kritikern ab, diffamierte diese als „geistige Hinterbänkler“ oder „zelotische Gegner, die in der geistigen Magerweide ihrer Netzwerke grasen“. Zu der von ihm selbst eigentlich geforderten Versachlichung der Debatte und Konzentration auf vorurteilsfreie Forschung trug dies mutmaßlich nicht bei.
Ernst Nolte selbst dankte „aufrichtig“ für die Auszeichnung, die er angesichts seines jüngsten Werkes „Späte Reflexionen“ und der auch dort aufgestellten provokanten Thesen als „mutig“ empfand. Er führte noch einmal die bekannten „Ergebnisse meiner jahrelangen Forschungen“ aus, betonte, dass ihm bei aller Streitbarkeit stets „der Kampf um die Wissenschaftlichkeit, nicht der politische Kampf“ wichtig gewesen sei. Der zwei Generationen jüngere Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé hatte in seinem Grußwort an die „hohe Festkorona“ (Remelé) ohne inhaltliche Stellungnahme grundsätzlich eine Forschung ohne Scheuklappen und Dogmen begrüßt.
Ernst Nolte, auf dessen zuletzt vorgelegtes Werk es keinerlei Reaktionen mehr aus ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Kreisen gab („Das hat mich verletzt...“), wurde zuletzt 2011 mit dem Gerhard-Löwenthal-Preis der rechtskonservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ ausgezeichnet. Im Jahr 2000 hatte es die damalige CDU-Vorsitzende und heutige Kanzlerin Angela Merkel abgelehnt, bei der Verleihung des Konrad-Adenauer-Preises die Laudatio auf den Historiker zu halten.