Endlich spricht es mal eine(r) aus: Es geht nicht mehr um Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, sondern um Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit! Dann nämlich sind Frauen natürlicherweise eingebunden in politische Denkweisen und vielleicht lernen die Brüder diese neue Sicht auch einmal. Das Duo Faltsch Wagoni proklamiert dies für seinen Staat Empörien jedenfalls schon einmal als sinnvolle Präambel.
„Auf in den Kampf, Amore“, heißt das Bühnenprogramm des Künstlerpaares Silvana und Thomas Prosperi und weil sie seit vielen Jahren verheiratet sind, kennen sie sich aus mit Amore. Und dass diese auch immer politisch ist, wissen sie, weil sie aus dem Geist der 68er-Generation politisiert worden sind, in einer Zeit, als die Liebe und das Private radikal verändert wurden. Auf der Bühne spielt er das Volk, sie den König von Empörien. Als „Lady Dada“ ist sie eher eine „Rex Gilda“ als eine Repräsentante und wenn sie auflistet, wer da wen küsst in der internationalen Politik, können die Gäste in der Disharmonie sich fragen, was das mit Liebe zu tun hat.
Die beiden vermitteln den damaligen Zeitgeist deutlich, als die Apo, die außerparlamentarische Opposition, ihre Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaft auf der Straße demonstrierte und dafür vom Establishment als „minderwertiges Nachkriegsmaterial“ bezeichnet wurde. Aber sogleich wirft Lady Dada ein, dass es hier nicht um sentimentale Erinnerung gehe, sondern um das heutige Miteinander von Liebe und Politik. Mit sehr feinem Wortwitz, sprachgenauen Anspielungen und stimmgewaltigen Liedern bringen sie auf den Punkt, was in der medialen Landschaft oft nur zerfasert und unkenntlich davonrauscht.
Aber warum sollte man „in den Wind jammern“? Unter den Stichpunkten Liebe, Lüge, Landratsamt verweisen die beiden auf eine Entbürokratisierung ihres Landes Empörien, damit „Tür und Tor sich wieder öffnen für Ideen und Fantasie“, und wenn er den Egoismus darstellt: „Die Welt muss wissen, Bayern first und mir san mir, der Rest is gschissen“, dann ruft Lady Dada schnell: Genug vom Seppelismus und verweist als Europa auf ihre Grenzenlosigkeit. Überhaupt blühen die Landschaften ja nur, wenn sie weltoffen und international sind, wenn die Beziehungen unvergiftet sind, um bei der Liebe zu bleiben.
Faltsch Wagoni sind nicht nur wegen italienischer Küche und spanischer Kastagnetten international, sondern sie proklamieren als xenophile Nation: „Lasst dunkelschöne Menschen um mich sein!“
Er, der das Volk vertritt, macht subtil auf ursprüngliche Wortbedeutungen aufmerksam, wenn er fragt: „Haben Sie sich schon mal integriert?“ Integration heißt nämlich sich erneuern, ergänzen, geistig auffrischen, und da wird schnell deutlich, dass dies nicht nur in Empörien notwendig ist. Aber wohin soll es gehen mit der Liebe, wenn die jungen Köpfe, in Handys versunken, vielleicht meinen, ihre demokratische Pflicht schon mit dem Wählen irgendeiner Partei erfüllt zu haben? Da können sich ältere Damen und Herren noch so viel auf den Bühnen abzappeln für Amore und Politik.
Am Ende bleibt die Frage: „Sind wir frei?“ und der Sachverhalt: „Wenn man die Menschen fragt, wovor sie Angst haben, antworten sie ja auch nicht: Wolfsspinnen und selbstfahrende Autos“. Vielleicht ist es die Angst vor der Freiheit. In Empörien gibt es die nicht. Dort ist das Wort die Waffe der Unbewaffneten.