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Schweinfurt
„Fantasie-Attest“ zur Maskenbefreiung kostet vor Gericht 830 Euro
Der „Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses“ kommt einen 33-Jährigen nun doch teurer zu stehen als die Rezeptgebühr. Er landete vor Gericht.
Die in vielen Innenstädten geltende Maskenpflicht wird nicht immer eingehalten. So werden zum Beispiel auch mittels 'Ferndiagnose' Atteste ausgestellt, die von der Maskenpflicht befreien soll. Wegen eines solchen Attestes stand nun ein Mann in Schweinfurt vor Gericht.
Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich | Die in vielen Innenstädten geltende Maskenpflicht wird nicht immer eingehalten. So werden zum Beispiel auch mittels "Ferndiagnose" Atteste ausgestellt, die von der Maskenpflicht befreien soll.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:56 Uhr

Am 9 Dezember letzten Jahres will ein 33-Jähriger Würzburger, der in Schweinfurt arbeitet, an einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen auf dem Schweinfurter Marktplatz teilnehmen. Die fällt zwar mangels Teilnehmern aus, in der engen Keßlergasse aber wird der Mann kontrolliert, weil er keinen Mund-Nasen-Schutz trägt. Der ist zu dieser Zeit dort angeordnet.

Mundschutz "kontraindiziert"

Der 33-Jährige sagt, er sei aus medizinischen Gründen vom Maskentragen befreit und zeigt der Polizistin ein Attest in dem steht, dass bei ihm das "Tragen eines Mundschutzes aus medizinischen Gründen kontraindiziert" sei. Ausgestellt hat es von eine Ärztin aus Weinheim (Baden-Württemberg). Ein Begleiter des Angestellten zeigt ein gleichartiges Attest vor, ebenfalls ausgestellt von dieser Ärztin. Beide geben psychische Probleme beim Maskentragen an.

Die Polizei lässt den Mann also maskenlos weitermarschieren, recherchiert auf der Dienststelle aber recht schnell, dass gegen eben diese Ärztin bereits Ermittlungen laufen wegen des Verdachts, Atteste zur Maskenbefreiung ausgestellt zu haben, ohne dass sie die Patienten zuvor gesehen hat: Gefälligkeitsatteste. Der 33-Jährige erhält daraufhin einen Strafbefehl wegen des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach Paragraf  279 Strafgesetzbuch. Dagegen legt er Einspruch ein, der nun vor dem Amtsrichter verhandelt wird.

Geht auch mit Ferndiagnose?

Der Angeklagte räumt nach anfänglichem Schweigen ein, er habe psychische Probleme beim Maskentragen, von mehreren Ärzten hierzulande aber kein Attest für eine Befreiung bekommen. Er habe aber gehört, dass es eine Ärztin gebe, bei der "geht das auch über Ferndiagnose, ich war sehr dankbar dafür." Fünf Euro habe er der Ärztin, die ihn nie gesehen hatte, für das Testat aus dem gut 100 Kilometer entfernten Weinheim bezahlt. Seit kurzem sei er durch das Attest einer Schweinfurter Praxis für Psychotherapie vom Maskentragen befreit, sagt seine Anwältin.

Die Verteidigerin meint, weil es sich bei dem Schriftstück gar nicht um ein Attest, also ein Gesundheitszeugnis handle, sondern um einen Rat, treffe der Anklagevorwurf nicht zu. Der Staatsanwalt widerspricht entschieden. Es sei mit "Ärztliches Attest" überschrieben und darin heiße es, Mundschutztragen sei "aus medizinischen Gründen kontraindiziert". Das sei ein Gesundheitszeugnis. So sieht es auch der Richter, hier liege wohl ein "Fantasie-Attest" vor. Im Strafbefehl war eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 50 Euro verhängt worden. Der Staatsanwalt fordert nun 40 Tagessätze à 55 Euro. Das Attest sei falsch, weil ihm keine Untersuchung zugrunde liege. Das habe der Angeklagte auch gewusst.

Verteidigung will Freispruch

Die Verteidigerin beantragt Freispruch, weil der Tatvorwurf nicht erfüllt sei und ihr Mandant als Laie nicht wissen müsse, dass das Attest ungültig sein könnte. "Schuldig des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse" urteilt der Amtsrichter. Er belässt es bei nur 15 Tagessätzen à 55 Euro – "bezogen auf diesen konkreten Einzelfall". Das Pseudo-Attest aus Baden-Württemberg kostet den Angestellten demnach 825 Euro (Strafe) plus die Attestgebühr von 5 Euro: 830 Euro. Gegen das Urteil ist Berufung und Revision möglich.

Der "Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse" ist möglicherweise erstmals an einem Schweinfurter Gericht öffentlich verhandelt worden, aber die registrierten Fälle seien sehr viel zahlreicher, heißt es auf Anfrage beim Pressesprecher des Gerichts. Die konkrete Zahl werde jedoch nicht gesondert erfasst. Ein erheblicher Teil werde per Strafbefehl erledigt. Grob geschätzt seien im Landgerichtsbezirk Schweinfurt bisher wohl rund 30 Verfahren aufgelaufen.

 
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  • W. S.
    Glaube nicht ernsthaft, dass das nunmehr erstellte Attest inhaltlich größeren Wert hat als das gefälschte. Wüsste gern, welche Praxis es ausgestellt hat, damit ich selbst nie in Gefahr kommen kann, diese jemals aus Versehen zu betreten...
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  • M. B.
    Bravo, nur so kann man Maskenverweigerer und Querdenker zur Vernunft bringen. Eine richtiges Urteil. Es gibt wirklich Menschen die keine Masken tragen können. Dieser Mann gehört nicht dazu.
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  • K. W.
    Das Urteil ist sollte allen, die sich solcher Täuschungen bedienen, eine Mahnung sein. Im Wiederholungsfall müsste die Strafe dann wesentlich höher ausfallen.
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  • M. G.
    Verknackt hätt ich ne, aber gscheit. Anders lernt es die Quarkdenkerschaft nicht....
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