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Werneck
Fachtagung in Werneck: Wie können Lehrkräfte Schulkinder mit Migrationshintergrund fördern?
Kinder mit Migrationshintergrund brauchen spezielle Förderung. Wie das an Schulen funktionieren kann, war Thema einer Fachtagung der Regierung von Unterfranken.
Auf einer Fachtagung an der Balthasar-Neumann-Mittelschule in Werneck erhielten Lehrkräfte Anregungen für den Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Maria Walter, Abteilungsdirektorin Schule der Regierung von Unterfranken, eröffnete die Tagung.
Foto: Désirée Schneider | Auf einer Fachtagung an der Balthasar-Neumann-Mittelschule in Werneck erhielten Lehrkräfte Anregungen für den Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund.
Désirée Schneider
 |  aktualisiert: 08.03.2024 02:49 Uhr

Vor welchen Herausforderungen stehen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund im Schulalltag? Wie können sprachliche Hürden abgebaut und die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Bildungsweg bestmöglich gefördert und integriert werden? Fragen wie diese standen am vergangenen Samstag im Zentrum der neunten Fachtagung der Regierung von Unterfranken unter dem Titel "Integration durch Bildung – Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund" an der Balthasar-Neumann-Mittelschule in Werneck.

Wie präsent das Thema in hiesigen Schulen ist, machte Maria Walter, Abteilungsdirektorin Schulen der Regierung von Unterfranken, den rund 300 teilnehmenden Lehrkräften noch einmal deutlich. "Fast jeder dritte Schüler oder Schülerin an unterfränkischen Grund- und Mittelschulen hat heute einen Migrationshintergrund", so Walter. Tendenz steigend.

Gerade die Schulen müssten sich deshalb ihrer Rolle als "zentrale Orte in der Gesellschaft, an denen Integration in besonderer Weise geleistet werden kann und muss", bewusst sein, sagte sie. Denn: "Bildung und Erziehung sind die entscheidende Basis für ein erfülltes Leben der Kinder und Jugendlichen, ihre erfolgreiche Integration in die Gesellschaft und ihre spätere Teilhabe am Arbeitsleben", so Walter weiter. Wichtig sei deshalb, mögliche Leistungsunterschiede und Unterschiede hinsichtlich sozialen und kulturellen Hintergründen als Potenzial und "Lernchance" zu begreifen.

Lehrkräfte erfahren Herausforderungen in Selbstexperimenten

Vor welchen, insbesondere sprachlichen, Herausforderungen viele Kinder mit Migrationshintergrund im schulischen Alltag stehen, machte im Anschluss Professor Josef Leisen, ehemaliger Leiter des Studienseminars für das Lehramt an Gymnasien in Koblenz und Professor für Didaktik der Physik an der Universität Mainz, in einem Impulsreferat deutlich. In zwei Selbstexperimenten sollten die anwesenden Lehrkräfte sich vor Augen führen, wie es ist, zum Teil komplexen schulischen Aufgaben, wie einem Physikexperiment, in einer Sprache zu begegnen, die sie bislang kaum beherrschen.

Das Resultat: Es fehlte an Fachbegriffen, die Teilnehmenden sprachen mit stark vereinfachter Satzstruktur und deutlich reduzierter Sprechflüssigkeit. "Man kann nicht das sagen, was man weiß. Man fühlt sich dumm und wünscht sich Hilfe", fasste Leisen die Selbsterfahrung der Anwesenden zusammen. "Das sind die Erfahrungen, die ihre Schülerinnen und Schüler tagein, tagaus im Regelunterricht machen", so Leisen.

In 22 Workshops konnten Lehrkräfte aus der Region praxisorientierte Anregungen für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund für ihren schulischen Alltag sammeln.
Foto: Désirée Schneider | In 22 Workshops konnten Lehrkräfte aus der Region praxisorientierte Anregungen für die Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund für ihren schulischen Alltag sammeln.

Gerade fehlende Frühförderung, mangelhafte Lernstrategien und zu wenig Zuwendung erschwerten Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund den Spracherwerb zum Teil immens. Hinzu käme laut Leisen, dass Schülerinnen und Schüler bei ihrem Wechsel aus dem Sprachunterricht in den Regelunterricht einen nahezu unvermeidlichen "Sprachschock" erleiden und ihre zuvor erworbenen Sprachfähigkeiten infrage stellen. Denn gerade der Wechsel von der Alltagssprache zur im schulischen Kontext benötigten Bildungssprache sei für viele Kinder und Jugendliche besonders herausfordernd.

Kinder nicht überfordern und positive Erfahrungen schaffen

Diese blieben zudem nicht auf den Sprach- beziehungsweise Deutschunterricht beschränkt, warnte Josef Leisen. "Es ist wichtig, dass auch Fachlehrerinnen und Fachlehrer von diesen Schrecken der deutschen Sprache wissen", sagte er. Besonderes Augenmerk solle deshalb darauf liegen, die betroffenen Schülerinnen und Schüler nicht zu überfordern, positive Erfahrungen zu schaffen und beispielsweise mit portionierten Informationen und vielen Wiederholungen zu arbeiten.

Wichtig sei zudem, sprachliche Fehler angemessen und konsequent zu korrigieren, um eine Fossilierung, also eine dauerhafte Verfestigung, zu verhindern. Eine Methode, um Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Sprachniveaus kurzfristig abzuholen, könnten vereinfachte Schulbuchtexte sein, meinte Leisen. Hier könnten mittlerweile auch KI-Programme Lehrkräfte bei der Erstellung unterstützen. Langfristiges Ziel müsste aber dennoch der generelle Ausbau der Sprachkompetenz und die Erweiterung des Wortschatzes sein.

Abschließend gab der Referent den Anwesenden noch einen Tipp mit auf den Weg: "Tun Sie das Mögliche, lassen Sie das Unmögliche. Es ist unmöglich, dass ihre Schülerinnen und Schüler in aller kürzester Zeit perfekt Deutsch sprechen", so Leisen. Ziel müsse vielmehr ein sprachsensibler Regelunterricht sein, der verhindert, dass die Schülerinnen und Schüler an ihren Sprachhürden scheitern.

Im Anschluss an den Vortrag erhielten die teilnehmenden Lehrkräfte die Möglichkeit, in 22 Workshopangeboten praxisorientierte Anregungen zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund auch ohne spezifische Aus- oder Weiterbildung für ihre schulische Arbeit zu sammeln.

 
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