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Schweinfurt
Expressive Linien und kochender Sound
Disharmonie: Jazzquintett "The Toughest Tenors" erinnerte an die Hardbop-Ära
Das Berliner Jazzquintett 'The Toughest Tenors' beschwor in der Dosharmonie den Geist der Hardbop-Ära - Jazz pur.
Foto: Manfred Herker | Das Berliner Jazzquintett "The Toughest Tenors" beschwor in der Dosharmonie den Geist der Hardbop-Ära - Jazz pur.
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 13.12.2018 02:16 Uhr

Die beiden Tenorsaxofonisten Bernd Suchland und Patrick Braun bringen es auf den Punkt: "Wir erhalten stilsicher den Bereich des Jazz am Leben, der früher zur Alltagskultur gehörte". Und: "Unsere Musik sollte man weniger mit dem Kopf analysieren, als ihn vielmehr mit dem Herzen hören." Beide Musiker sind die Frontmänner des Berliner Jazzquintetts "The Toughest Tenors", das am Donnerstag in der Disharmonie den Jazz der 50er- und 60er-Jahre mit Power und Expressivität zum Leben erweckte.

Als Inspiration diente den beiden Musikern das 1960-Album "Tough Tenors", das die Tenoristen Johnny Griffin und Eddie "Lockjaw" Davis mit ihrem Quintett aufnahmen. Diese explosive Musik gefiel ihnen, und so nannten sie ihr Quintett in feiner Berliner Bescheidenheit "The Toughest Tenors". Mit ihnen auf der Bühne der Pianist Dan-Robin Matthies, Lars Gühlcke (Kontrabass) und Ralf Ruh (Schlagzeug) - drei hervorragende Musiker der Berliner Jazzszene.

Frischer rauer Hardbop-Sound

Der Opener "Hey Lock" ist ein Titel von Eddie Davis und er packt das Publikum sofort mit geballter Energie. Das Thema wird von den Saxofonen unisono vorgetragen, schon das ist, zusammen mit der tollen Rhythmusgruppe, frischer rauer Hardbop-Sound. Patrick Braun gestaltet mit voluminösem Ton die erste Improvisation, bei der er den Tonumfang seines Tenors auslotet. Bernd Suchland umspielt kunstvoll das Thema, bevor sich Dan-Robin Mathies mit einem eher relaxten Pianosolo anschließt.

Wenn zwei Tenoristen auf der Bühne stehen, sprach man damals - und heute tut es das Berliner Quintett in seinem Pressetext - von einer "tenor battle", ein Übertrumpfen des jeweils anderen. Doch um einen musikalischen Wettstreit geht es hier nicht, sondern um ein kollektives Mit- und Nebeneinander. Trotzdem: Eine Mini-Battle im Up-Tempo erlebt man in "The King" von Count Basie, das dieser Illinois Jacquet gewidmet hat. Hier wechseln die beiden Tenoristen nach acht Takten einander ab, nehmen die letzte Phrase ihres Kollegen auf, verdichten und steigern sie. Die Improvisationen werden immer vorwärtsdrängender und explosiver.

Virtuoses Bass-Solo mit surrendem Beckenklang

Zwischen diesen geballte Energie verströmenden Bop-Titeln gibt es feine Zwischentöne. Das virtuose Bass-Solo mit surrendem Klang des Beckens, in "Why was I born" von Jerome Kern, die kleinen Kadenzen der beiden Tenoristen am Schluss von "Abundance" oder die Ballade "What is there to say": Im zweistimmigen Tenorklang des Themas scheint dunkler Samt die Zuhörer zu berühren, mit den triolischen Perlenketten des Pianos und den beseelten Soli der Bläser entfaltet sich ein besonderer Zauber.

Schlagzeuger Ralf Ruh belebt das musikalische Geschehen mit seinem abwechslungsreichen Spiel: In "Tubby" vermischt er den 6/4-Takt mit Afro- Rhythmen, in "Melba's Mood" schlägt er mit seinen Klöppeln dezente Latin- Akzente. Und seine Technik und seinen Einfallsreichtum bei der Gestaltung eines Schlagzeugsolos demonstriert er in "We wanna cook".

Im schon erwähnten "The King" kann man vielleicht die Unterschiede in den Spielarten der beiden Saxofonisten besonders erkennen: Suchland spielt ganz im Sinn des Bebop hektisch, nervös, in kurzen Phrasen, oft im Altsaxofon-Register. Braun bevorzugt den sonoren Klang, die unteren und mittleren Lagen, die großen Linien - was die Intensität und Power seines Spiels nicht beeinträchtigt. Hier in "The King" bauen beide im fingerbrecherischem Tempo Hochspannung auf, eine kochende Stimmung.

Großer Beifall und Dank an die Disharmonie für ein eher seltenes Jazz-Pur-Konzert im Zeitalter des Crossover.

 
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