
Manuel Bauer ist ein freundlicher Mann. Er scherzt gerne, das Publikum im Schweinfurter Jugendzentrum "Kom,ma" hängt an seinen Lippen. Dann hört Manuel Bauer auf zu scherzen. Sein Gesicht wird ernst, er berichtet, wie er einmal ein fünfjähriges Mädchen "wie einen Fußball" über die Straße getreten hat. Weil sie eine dunkle Hautfarbe hatte und weil er schlecht gelaunt war. Warum erzählt er so etwas? "Weil ich etwas bewegen will. Und weil ich Schuldgefühle habe."
Manuel Bauer war früher rechtsradikal und hochgradig gewalttätig. Die Geschichte, die der 40-jährige Sachse am Montagabend in Schweinfurt erzählt, beginnt im Jahr 1989. Die DDR war nur noch eine Fußnote der Geschichte. Während die Mehrheit der Deutschen noch beschwippst vom neuen Patriotismus die Deutsche Einheit feierte, machte sich in Ostdeutschland Katerstimmung breit. Betriebe wurden geschlossen, Unsicherheit und Zukunftsangst verbreiteten sich. Menschen, die bislang keine Meinungsfreiheit dafür aber autoritäre Strukturen kannten, standen plötzlich vor dem Nichts.
Laut Bauer war das der fruchtbare Boden, auf dem rechte Strukturen aus dem Westen aufblühten. "Wenn es um Rechtsradikalität im Osten geht, darf man Westdeutschland nicht verharmlosen." Aus dem Westen kamen Rechtsrock und einfache Antworten auf komplexe Probleme: "Arbeit zuerst für Deutsche" war eine Parole, die auf breite Anerkennung stieß. Es bildeten sich Subkulturen, die jungen Menschen wieder Halt gaben, sagt Bauer. Identität entwickelte sich über die gemeinsame "Rasse". Alle, die irgendwie anders waren, wurden zum Feind und mussten bekämpft werden – wenn nötig bis aufs Blut.
Genau das tat der ehemalige Nazi. Er leitete militante Untergrundorganisationen, verübte Anschläge auf Flüchtlingsheime. Er überfiel mit seinen Kameraden anders aussehende auf der Straße. Eines Tages verprügelte er einen Türken und seine schwangere deutsche Freundin auf der Straße. "Ich bin über sie drüber gesprungen und habe ihr mit meinen Springerstiefeln in den Bauch getreten."
Rechte Strukturen gibt es auch in der Region
Wegen seiner Gewalttaten landete Manuel Bauer irgendwann im Knast. Weil er auf Hafterlassung hoffte, suchte er Kontakt zur Aussteiger-Initiative "Exit". Zuerst nur aus taktischen Gründen. "Dann stellte ich fest, dass die Leute von Exit nicht meine Feinde waren." 2006 gelang ihm der Absprung, er flüchtete nach Süddeutschland. Hier versteckt er sich seitdem vor seinen ehemaligen Kameraden und klärt über Rechtsradikalismus auf.
Rechtsradikale definieren sich heute nicht mehr über Glatzen und Springerstiefel, das ist Manuel Bauer wichtig. Ihre Anhänger finden sie heute über Netzwerke wie Facebook und YouTube, wo sie mit veganen Kochshows und Hip Hop-Musik auftreten. "Rechtsradikale agieren wie der Wolf im Schafspelz", stellt Bauer klar. Rechte Inhalte seien nicht mehr so leicht zu erkennen, was sie umso gefährlicher mache. Dies gelte insbesondere auch für die aktuelle politische Situation: "Ich verfolge mit Besorgnis, wie heutzutage Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus verharmlost werden. Die Strukturen, von denen ich erzählt habe, gibt es auch hier in der Region."