Sebastian Remelé, Oberbürgermeisterkandidat der CSU, hat für das Interview das „Almrösl“ als den Ort ausgewählt, an dem er sich in Schweinfurt besonders wohlfühlt. Den Spaziergang vom Parkplatz hierher machen die Kinder noch ohne Murren mit, sagt er, und im Sommer können sie wunderbar spielen, während die Erwachsenen im Biergarten sitzen. Jetzt, im Winter, strahlt das kleine Gasthaus im tief verschneiten Wald oberhalb der Peterstirn etwas märchenhaft Heimeliges aus. Drinnen bollert ein Holzofen, an den Wänden Devotionalien des Trachtenvereins, der dem „Almrösl“ den Namen gab. Mit Trachten hat Remelé selbst wohl nichts am Hut, aber über den Zwist zwischen fränkischer und altbayerischer Tracht, der einst zur Abspaltung des Vereins „Almrausch“ führte, weiß er genau Bescheid.
Hier wird man wohl kaum einen Latte Macchiato mit Karamellgeschmack bekommen. Hier gibt es Bratkartoffeln mit Rotgelegtem oder Schnitzel Wiener Art. Genau das mag er, sagt Remelé. Das Unmodische. Das Unschicke. Und obwohl er durchaus nicht wirkt wie einer, der der hippen Welt da draußen entfliehen will, genießt er es wohl, dass die Zeit diesen Ort vergessen hat.
Man tut ihm bestimmt nicht unrecht, wenn man ihn als konservativ bezeichnet. Er ist nach dem Studium in Würzburg als Rechtsanwalt in die Schweinfurter Kanzlei eingetreten, in der sein Vater bis dahin tätig gewesen war, er ist seit gut 20 Jahren mit seiner Frau Monika zusammen (Hochzeit war 1997), er hat vier Kinder zwischen drei und zehn Jahren, er ist in der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul engagiert, im Bürgerverein Eselshöhe und in einer ganzen Reihe weiterer Vereine. Womit sich die Granden seiner Partei meist schwertun, ist für ihn Alltag: Er ist in Twitter, Facebook und StudiVZ präsent und bloggt im Weblog der Jungen Union.
Sebastian Remelé – Jahrgang 1969, geboren in Werneck, aufgewachsen am Bergl – ist Hobbyhistoriker, er liebt die Malerei des 19. Jahrhunderts und die Musik des Barock. Die Händel-Oper „Serse“ vor ein paar Wochen im Theater hat ihn sehr begeistert, auch weil sich der Regisseur trotz moderner Inszenierung nicht auf Kosten des Werkes in den Vordergrund gespielt habe.
In Vordergrund stehen, das war bisher auch seine Sache nicht unbedingt. Auf vielen Bildern wirkt er eher steif. Wohl auch, weil er immer etwas skeptisch dreinschaut. Aber der Eindruck verliert sich schnell, wenn man ihm persönlich begegnet. Er ist konzentriert, sachlich, interessiert. Einer, der gut komplexe Zusammenhänge erfassen und entwirren kann. Und einer, der sich für Zusammenhänge überhaupt erst interessiert, wie seine präzisen Fragen an den Reporter auf dem Weg vom Parkplatz zum „Almrösl“ zeigen. Dass er in der Bevölkerung noch nicht allzu bekannt ist, weiß er. Immerhin, ein Stammgast im „Almrösl“ bringt den jungen Gast in Anzug und Wanderstiefeln (das Interview findet zwischen Gerichtstermin und Stadtratssitzung statt) schon mal mit Politik in Verbindung. „Aber der Remelé, der schaut doch anders aus“, zweifelt er. „Der Remelé, das bin schon ich“, versichert Remelé.
„Wenn ich Menschen begegne, mache ich fast immer die gleiche Erfahrung“, sagt er später: „Zuerst sagen sie, den kenne ich nicht, aber hinterher habe ich schon das Gefühl, dass sie einen guten Eindruck hatten.“ Totale Ablehnung hat er bisher nicht erfahren. Und dass die Leute von ihm kein Wahlprogramm, sondern lieber persönliche Aussagen hören wollen, stört ihn nicht. Ebenso wenig wie die Vorstellung, dass er als OB mit unzähligen Einzelanliegen konfrontiert würde: „Das ist die Allzuständigkeit des OB – genau das macht das Amt ja so interessant“, sagt er.
Er selbst ist Einzelkind, aber seiner Frau und ihm war immer klar, dass sie eine große Familie haben wollten, erzählt er. Dass sein politisches Augenmerk denn auch besonders dem Thema junge Familien, Schulen und Integration gilt, ergibt sich automatisch. „Der Unterschied zu meiner Vorgängerin: Ich wäre ein OB mit kleinen Kindern.“ Nach Jahren der Wirtschafts- und Kulturpolitik („Jedes der Großprojekte der letzen Jahre war sinnvoll und nötig.“) sieht er nun eine Zeit der Konsolidierung und der Familien- und Sozialpolitik kommen. Den mitunter vom politischen Gegner erhobenen Vorwurf, Schweinfurt sei eine Stadt der Prestigeobjekte und der sozialen Kälte, hält er für konstruiert: „Das ist nie schlüssig belegt worden.“
Sebastian Remelé
Familie: Geboren 1969 in Werneck, aufgewachsen in Schweinfurt am Bergl. Seit 1997 verheiratet mit Monika Lamm, vier Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren. Lebt auf der Eselshöhe.
Ausbildung: Abitur am Walther-Rathenau-Gymnasium, Reserveoffizier nach Wehrdienst, Jura-Studium in Würzburg und Nürnberg, Stipendiat der Universität Santiago/Chile.
Karriere: Seit 1999 Rechtsanwalt in der Sozietät Hofmann, Beck, Petzold, Petrasch. Allgemeines Zivilrecht, Fachanwalt für Erbrecht, Mietrecht, Strafrecht. Seit 2002 Mitglied des Stadtrats, stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Ehrenamtliches Engagement: Turngemeinde 1848, Deutscher Familienverband, Bürgerverein Eselshöhe, Gesellschaft Harmonie, Dekanatsrat, Pfarrgemeinde Peter und Paul, Förderverein Walther-Rathenau-Schulen, Bürgerliche Schützengesellschaft, Historischer Verein, Förderverein Franziskusschule, Kreisverbindungskommando Schweinfurt-Land.