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Grafenrheinfeld
"Es gibt keine Atom-Renaissance auf der Welt"
Ende eines langen Kapitels: Zwei Stunden lang wurde am ehemaligen AKW Grafenrheinfeld die Abschaltung aller deutschen Kernkraftwerke gefeiert.
Foto: Uwe Eichler | Ende eines langen Kapitels: Zwei Stunden lang wurde am ehemaligen AKW Grafenrheinfeld die Abschaltung aller deutschen Kernkraftwerke gefeiert.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 21.04.2023 02:32 Uhr

Den gesellschaftlichen Wandel merkt man an der Polizeibegleitung, bei der sonntäglichen Andacht am Wegkreuz, hinter dem Ex-Atomkraftwerk Grafenrheinfeld. Das wurde schon vor acht Jahren abgeschaltet. Tags zuvor sind die letzten drei kommerziellen Atommeiler der Republik vom Netz gegangen. Einst war die Polizei motorisiert bei den Anti-Atom-Mahnwachen präsent. Heute schaut ein einzelner Beamter kurz mit dem Fahrrad vorbei.

Rund 90 Kernkraftgegnerinnen und -Gegner feiern ihren "Freudentag" am Bildstock, mit Fahnen, Kaffee, Kuchen, Sekt und Biocidre. Los geht es mit einer ökumenischen Andacht der Geistlichen Heiko Kuschel und Franz Feineis. "Ach Jakob, ich kann dich so gut verstehen", sagt Kuschel, Pfarrer der evangelischen Citykirche, und meint den kraftraubenden Kampf des Stammvaters Israels am Jabbok, mit einer übermächtigen Phantomgestalt. Krankenhaus-Seelsorger Feineis erinnert mit schwerem Rucksack an 50 Jahre Widerstand in der Region. Erik Stenzel, ein junger Nürnberger Indie-Liedermacher und Klimaaktivist, ist mit gefühlsbetonten Protestsongs dabei. Manch eine(r) war tags zuvor bei der großen Abschaltparty in München.

Schwierige Anfänge des Protests

Die Namen früherer Weggefährten werden genannt, vom grünen Urgestein bis zum einstigen Schweinfurter Oberbürgermeister. Atommüll-Problematik, Klimawandel, umkämpfte Atomanlagen im Ukrainekrieg: Die Redner erinnern daran, dass aus ihrer Sicht das AKW-Aus nur ein Zwischenerfolg ist.

"Atomkraft – nicht schon wieder", so kommentiert Christian Schäflein vom Umweltbündnis BA-BI Bestrebungen, der Bevölkerung die vermeintlich saubere Energiequelle erneut schmackhaft zu machen. Hans Fischer, Altbürgermeister aus Schwebheim, SPD, erinnert an schwierige Anfänge des Protests gegen die Atomlobby: "Das Geld war bei den Konzernen". Heute gebe es eine Egogesellschaft, die billigen Strom wolle, ohne nach Hintergründen oder wahren Kosten zu fragen.

Unverständnis über Söders Pläne für Isar II

Hans-Josef Fell, ehemaliger MdB der Grünen, verweist am "Jubeltag" darauf, dass im globalen Vergleich überwiegend in regenerative Energieformen investiert werde: "Es gibt keine Renaissance der Atomenergie auf der Welt." Söder, der nun den Weiterbetrieb fordere, habe in Bayern die Energiekrise mit verursacht, durch Ausbremsen der Erneuerbaren.

Gemeinderätin Daniela Verne steuert die Sicht der Grafenrheinfelder Grünen bei, Paul Knoblach, MdL, äußert Unverständnis über Söders Pläne, den Meiler Isar II in Landesverantwortung weiter zu betreiben. Er stehe nicht über dem Bundesgesetz. Knoblach erinnert an Atommüll aus Würgassen, der im Zwischenlager Grafenrheinfeld angekommen ist, fordert mehr Kontrolle beim Rückbau und eine bessere Informationspolitik gegenüber den Bürgern. Es gebe zwar keinen neuen deutschen Atommüll mehr, so der Parlamentarier, dafür aber womöglich eine Quasi-Endlagerung in Grafenrheinfeld.

 
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