Erzählen tut gut: das zeigt sich seit einigen Monaten in der Grafenrheinfelder Bibliothek. Da findet nämlich mit wenigen Ausnahmen jeden ersten Donnerstagvormittag im Monat das "Erzähl-Café" statt – mit Themen, die alle interessieren, nicht nur in Grafenrheinfeld, sondern im ganzen Landkreis, wie jüngst der "Schlachttag" verriet.
Das Thema kurz vor Ostern sorgte nämlich für einem Rekordbesuch, wie Christine Schöll zufrieden attestierte. Die freie Erzählerin moderiert die jeweiligen Gesprächsrunden, die stets mit einem Impulsvortrag starten und dann quasi zum Selbstläufer werden mit vielen Informationen, nostalgischen Erinnerungen und lustigen Anekdoten zu Brauchtum und Kultur. So stand in den letzten Monaten schon mal der Garten auf dem Programm, aber auch die fränkische Tracht oder Omas Wäschekorb.
Ein echter Metzger zu Besuch
In den nächsten Erzählrunden soll es dann, wie die Moderatorin verrät, um Kindheit und Jugend, Kleider, die Leute machen und Dialekte gehen; weitere Ideen sind natürlich herzlich willkommen, so Schöll.
Doch nun zurück zum "Schlachttag": Zu Besuch ist der Grafenrheinfelder Josef Zull, der einst seine Lehre beim hiesigen Metzger, dem "Ludwig Beck am Rathauseck" absolvierte – den Slogan kennt in Rafeld jeder.
Zehn Jahre hat Zull dann als Metzger gearbeitet, bevor er sich umorientierte, doch bis heute zückt er immer wieder das Metzgermesser, wie er erzählt; zumeist am Samstag bei der Hausschlachtung, die heute übrigens gesetzlich ganz anders geregelt ist und nur noch für den Eigenbedarf durchgeführt werden darf.
Das Schlachtschüssellied geschmettert
Die Teilnehmenden im Erzähl-Cafe haben viele Erinnerungen an das "Schlachtfest" – neben Ostern, Pfingsten und Weihnachten der höchste Feiertag in Grafenrheinfeld, wie Ingrid Lutz augenzwinkernd berichtet. Ein Großereignis also, zu dem nicht nur Verwandte, sondern der ganze Ort zusammen kam. So viele wie eben an den Tisch passten – ob eingeladen oder nicht – und man sprach vom "Wunder der Hausschlachtung", scherzt Josef Zull, wenn Pfarrer und Bürgermeister mal nicht die ersten am Tisch waren.
Highlights der Schlachtung waren natürlich das Kesselfleischessen und dann die Schlachtschüssel, die es bis heute als original Schweinfurter Tradition noch immer ganz typisch vom Brett gibt. Fehlen durfte natürlich auch nicht der Schnaps und Maria Pfister erinnert sich, wie sie den als Kind mal statt Limo erwischte.
Wie von Herlinde Heinisch zu erfahren war, war es schon 1926 bei der mehrgängigen Schlachtschüssel zwar erlaubt, den Schweineringelschwanz beim Nachbarn anzupinnen. Rülpsen, lautstark schreien oder politisieren waren dagegen verpönt. Ein Teilnehmer in der Runde weiß zu berichten, dass einst eine Delegation aus Berlin zu Besuch im Schweinfurter Rathaus ganz "entsetzt über die primitiven Essgewohnheiten" war und Rita Gießübel hatte dann noch das Schlachtschüssellied parat, bei dem alle fröhlich im Chor den Refrain von der "toten Sau" schmetterten.
Ein Teppich der Erinnerung
Moderatorin Christine Schöll ist begeistert. Genau so soll das Erzähl-Cafe sein, wie sie später resümiert: Ein Selbstläufer, bei dem die vielen verschiedenen Impulse und Wortbeiträge sich zu einem Teppich der Erinnerung verweben. Denn, wie es scheint, hat jeder an diesem Vormittag so seine ganz persönlichen Erlebnisse beim Schlachten gemacht.
Mal ist es der Opa, an den man sich erinnert, oder eine Schlachtung als Jugendlicher, bei der es schon mal einen unsanften Stupser vom Metzger gab, wenn man nicht ganz flott bei der Arbeit war. Und dann ist da noch die Kretelsuppe, die im Rafelder Volksmund wohl als Gretelsuppe in die Analen eingegangen ist, wie Josef Zull, der mittlerweile seine Metzgerschürze geschnürt hat und die Messer wetzt, grinsend erzählt, weil wohl eine arme Schlachtsau Gretel hieß.
Zum Ende der gut eineinhalb Stunden, die voller Erzählungen wie im Fluge vergangen sind, gibt es dann – wie sollte es anders sein – noch Brote mit Griefenwurst und anderen schweinischen Leckerbissen.