Der geniale Erfinder, den viele Schweinfurter auch heute noch in ihm sehen, war er wohl nicht. Dafür jedoch war Ernst Sachs ein überaus tüchtiger Geschäftsmann, der sehr früh schon etwas von Marketing verstand, der gute und gut bezahlte Mitarbeiter um sich scharte und früh die Zeichen der Zeit erkannte.
So zeichnet ihn Andreas Dornheim, der in diesem Jahr ein dickes Buch zur Unternehmens- und Familiengeschichte Sachs vorgelegt hat. In einem Vortrag des Historischen Vereins und der Volkshochschule beleuchtete der Bamberger Historiker auch den politischen Ernst Sachs, der in der Weimarer Zeit vom Anhänger der Linksliberalen zum Förderer der Deutschnationalen wurde und dessen Sohn Willy die Nähe zu Größen des Nationalsozialismus gesucht und gefunden hat.
Firmenkorrespondenz erforscht
Dornheim hat die Firmenkorrespondenz der Jahre 1895 bis 1943 ausgewertet. Daraus ist die große Sachs-Ausstellung entstanden und das Buch mit knapp 800 Seiten, das er gerne weiter bearbeitet und später herausgebracht hätte, was aber ZF wohl wegen des Jubiläums nicht wollte. Überhaupt gebe es noch eine Fülle von Material zu sichten.
Vom Fahrradboom profitiert
Der Erfolg Ernst Sachs ist ganz eng mit dem Fahrradboom des ausgehenden 19. Jahrhunderts verbunden, als aus dem Luxusrad ein Fortbewegungsmittel für breite Schichten wurde. Einen ähnlichen Riecher für Trends hatte er Anfang der 30er-Jahre, als er auf die Motorisierung setzte, zunächst auf die des massentauglichen Zweirades. Nach dem Verkauf der Kugellagersparte 1929, für die er sehr stark anfeindet wurde, stieg er mit dem Erwerb des Stempelwerkes Frankfurt in die Produktion von Komponenten für das Auto ein.
Dornheim nennt Ernst Sachs einen „hervorragenden Praktiker, keinen Theoretiker“. Höchste Qualität, ausgedehnte Tests, weltweiter Vertrieb, Service und Öffentlichkeitsarbeit über die übliche Reklame hinaus, seien die Prinzipien gewesen, die hinter dem Erfolg standen.
Am Adel orientiert
Die private Lebensführung der Familie Sachs war nicht am Bürgertum orientiert. Ernst Sachs und seine Frau Betti, geborene Höpflinger, waren Aufsteiger, auf die der Adel eine große Anziehungskraft hatte. Der Erwerb eines Rittergutes in Preußen wurde erwogen, die Jagd Rechenau bei Oberaudorf wegen der Heimatnähe gekauft.
Konservativer Kunstgeschmack
Mainberg wurde zum Familiensitz und aufwändig im historisierenden Stil umgebaut. Dass das Begräbnis des an Leukämie erkrankten Ernst Sachs 1932 dem eines Königs gleichkam, passt in dieses Bild.
Ernst Sachs hat zwar seine Bildungsferne beklagt, aber in den Augen Dornheims „nichts getan, um daran etwas zu ändern“. Während sein Kunstgeschmack konservativ gewesen sei, habe er sich, wie sein Sohn Willy, zu den modernen, aus England kommenden Sportarten, vor allem dem Fußball, hingezogen gefühlt.
Die Beziehung zum Schwiegervater, Wilhelm Höpflinger, nennt Dornheim eine Freundschaft, nennt aber in der Ehe mit Betti eher eine Zweckgemeinschaft. Auffällig sei auch, wie Sachs ihre Geschwister unterstützt hat. Bei der gezielten Heiratspolitik der Höpflingers, die zu weitreichenden Unternehmensverbindungen führte, soll Ernst Sachs die Finger im Spiel gehabt haben.
Politisch ein Nationalist
Politisch sieht Dornheim in Ernst Sachs einen Nationalisten, was vor allem im Ersten Weltkrieg zum Ausdruck gekommen sei. Im Krieg wuchs das Unternehmen von 6200 auf 10 000 Mitarbeiter an. Die Militärs schätzten die Produkte, der bayerische König dankte mit dem Titel „Geheimer Kommerzienrat“. Das Vermögen der Familie hatte sich mehr als verdoppelt. War dieser Nationalismus zunächst noch ausgesprochen liberal orientiert, überwog die nationalistische Komponente immer stärker. Sachs stehe für die Auflösung des Liberalismus Ende der Weimarer Republik, sagt Dornheim, und zieht eine direkte Linie „vom Nationalismus eines Ernst Sachs zum Nationalsozialismus Willy Sachs'“.
Was ist mit Kugelfischer?
Zum Schluss ein Appell Dornheims. Die Forschung sollte weitergehen, was er im Moment jedoch nicht sehe. Vor allem die Verlagerungsbetriebe seien von großem Interesse.
Schloss Mainberg sei eine Pflichtaufgabe für den Freistaat („die bayerische Schlösserverwaltung sollte sich nicht nur um die Königsschlösser kümmern“), „weil die Familie Sachs für Bayern so wichtig war, wie die der Krupps anderswo“.
Interessant wäre es auch, die Geschichte von Kugelfischer näher anzuschauen. Dies war ein Hinweis, den der Vorsitzende des Historischen Vereins, Uwe Müller, aufgriff. Er regte einen Vergleich der beiden Unternehmensgeschichten an und wüsste gern, „wer die größeren Nazis waren“.
Das Buch. Andreas Dornheim: Sachs. Mobilität und Motorisierung. Eine Unternehmensgeschichte. Hoffmann und Campe. 782 S., 19 Euro.