Die Kapelle ist schnell überfüllt, bei der Trauerfeier für das am 19.Dezember verstorbene Radsport-Idol Günther Ziegler: Pfarrer Gerhard Staudt lässt geschätzt hundert Trauergäste in die Kirche St. Rochus umziehen. Es wird eine ruhige, würdige, aber privat gehaltene Trauerfeier.
Rudi Altig spricht in der Aussegnungshalle persönliche Worte: „Einer von uns“ sei Ziegler gewesen, dessen Urne hoch oben am Hang zu Grabe getragen wird. Seinen 81.Geburtstag im Januar hat der national wie international erfolgreiche, sprintstarke Straßen- und Bahnradfahrer, Amateur des RV 1889, Profi, Trainer, Olympionike, mehrfache deutsche Meister und Vizemeister nicht mehr erlebt. „Uns“ meint die großen Namen des Radsports der 50er, 60er und frühen 70er, die dem „Schnellen Günther“, nach beeindruckendem Palmares und dem Silbernen Lorbeerblatt, als höchster deutscher Sportauszeichnung, nun die letzte Ehre erweisen.
Später treffen sie sich in einem Hambacher Gasthof, nicht weit entfernt vom Fahrradmuseum, wo Zieglers Trophäen ruhen: Charakterköpfe aus der Glanzzeit des Pedalsports, eine Gemeinschaft mit besonderem Zusammenhalt. Der Mannheimer Altig fuhr unter anderem bei der Tour de France, Spanien-Rundfahrt und dem Giro d'Italia vorneweg. Fritz Neuser ist elffacher deutscher Meister, war 1956 als Tandemkollege von Ziegler bei den Olympischen Spielen in Melbourne dabei, wo die Medaillenhoffnung durch unverschuldeten Sturz endete. Der Krefelder Hennes Junkermann ist da, zuletzt Weltklasse-Trainer, Sigi Renz, zuletzt Spezialist für Sechstagerennen, kommt aus München. Egon Ebenbeck gehörte ebenfalls zur nationalen Elite.
Das wichtigste Erlebnis mit dem verstorbenen Sportkameraden? Fritz Neuser erinnert sich an einen schweren Sturz in den Fünfzigern. Der Nürnberger fand sich mit, wohl unerkanntem, Schädelbruch im Krankenhaus wieder: Wo man mit der Aufnahme zögerte, weil man nicht wusste, welche Konfession der Gestürzte hatte. Mitfahrer Ziegler sei dem zuständigen Arzt zornig „an die Gurgel“ gegangen, erinnert sich Neuser, der überzeugt ist: „Wenn der Günther damals nicht gewesen wäre, würde ich heute nicht mehr leben.“ Radrennfahrer mussten mindestens so hart im Nehmen sein wie Motorsportler. Heute erschüttert das Thema Doping den Glauben an den sauberen Radsport: ein schmerzliches Thema, das Ziegler bis zuletzt beschäftigt hat. „Wir durften ja, deswegen haben wir es nicht gemacht“, meint Neuser nonchalant zur Stimmung der frühen Jahre, wo wenig reglementiert war.
Ernährungswissenschaftler habe es auch keine gegeben: „Wir wussten nur, dass wir keinen Schweinebraten mit Knödeln essen durften.“ In Nürnberg erröffnete Neuser schließlich einen Handel mit Autos, darunter das berühmte Goggomobil, später Oldtimern. Günther Ziegler, der das Autohaus Kümmeth & Ziegler und einen eigenen Fahrradladen hatte, er hätte mitgesollt an die Pegnitz. Die gemeinsame „Firma Ziegler-Neuser“, sie kam nicht zustande, zu sehr war Günther Ziegler in seiner Dittelbrunner Heimat verwurzelt.