Eine Gedenkfeier sollte es geben, wegen Corona wurde sie abgesagt. An den Einmarsch der amerikanischen Truppen vor 75 Jahren in Wülfershausen wollte die Soldatenkameradschaft am 7. April erinnern. Stattfinden sollte die Feier am Gefallenengrab, das vor 25 Jahren zu einer Gedenkstätte hergerichtet wurde. Seitdem kümmern sich Elmar Heil und seine Frau Helene um die Pflege dieses Ortes, der das Kriegsende in ihrem Heimatort eindrücklich vergegenwärtigt.
Die Angst ging um, unter den Wülfershäusern, als amerikanische Truppen mit ihren Panzern am 7. April 1945 von Neubessingen her auf Wülfershausen vorrückten. "Was machen sie mit uns? Werden sie das Dorf verschonen?", fragten sich die Bewohner. Denn erst vier Tage zuvor waren bei einem Tieffliegerangriff Leonhard Trenkhard und sein Sohn Josef, die mit ihrem Pferdegespann unterwegs waren, tödlich getroffen worden.
In solche Ängste versucht sich Elmar Heil hineinzudenken. Er ist seit jeher an der Historie des Dorfes interessiert, hat in der Gastwirtschaft seiner Mutter schon als junger Mann allerhand Geschichten erfahren, hat selbst Zeitzeugen befragt und in Archiven recherchiert.
Der 69-Jährige ist seit 1994 Vorsitzender der Soldaten- und Reservistenkameradschaft. Damals gab es 500 Meter außerhalb des Ortes an der Straße nach Schwemmelsbach dieses sogenannte Gefallenengrab. Wer genau dort gestorben war, wusste man nicht mehr. Bekannt war nur, dass bis Anfang der 1950er-Jahre Mädchen der achten Schulklasse das Grab mit den drei Birkenkreuzen und Soldatenhelmen darauf gepflegt hatten. Solange, bis die Toten auf den Hauptfriedhof in Würzburg umgebettet wurden.
Elmar Heil und die Soldatenkameradschaft wollten zum 50. Jahrestag des US-Einmarsches 1995 das Grab wieder würdig gestalten. "Wir wollten das Gedenken an diese Gefallenen, aber auch an die verstorbenen und vermissten Wülfershäuser erhalten", erklärt Heil.
Der Hobbyhistoriker stellte intensive Nachforschungen über die drei Toten an, zumal eine alte Fotografie die Birkenkreuze mit kaum lesbaren Namensschildern zeigte. Er recherchierte im Gemeindearchiv, auf den Heldenfriedhöfen in Würzburg und Gemünden, beim Suchdienst des Roten Kreuzes, bei der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der Angehörigen von Gefallenen sowie beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge – schließlich mit Erfolg.
Er fand heraus, dass es sich bei den drei Soldaten um den erst 17-jährigen Gerhard Jakel aus Vielbach im Westerwald, um den 22-jährigen Obergefreiten Josef Miller aus Weißenhorn bei Ulm und um den 31-jährigen Stabsgefreiten Karl Fröhlich aus Breitenfeld in der Steiermark handelte. Die drei waren auf dem Rückzug von der Front durch Wülfershausen gekommen, um in Richtung Greßthal und Obbach zu gehen, wo eine neue Verteidigungslinie aufgebaut werden sollte. Es war Samstag, der 7. April 1945, der Tag vor dem Weißen Sonntag.
"Am Backofen in Wülfershausen war an dem Tag Betrieb", weiß Heil. Etliche Ortsbewohner forderten die drei Soldaten vergeblich auf, im Ort zu bleiben und sich den Amerikanern zu stellen. Sie gingen weiter. Etwa 500 Meter außerhalb des Dorfes wurden sie von den heranrückenden US-Einheiten getötet. "Ob mit dem Maschinengewehr oder mit Panzergranaten, ist nicht bekannt".
Der damalige Bürgermeister Silvärius Heil beauftragte den Totengräber Georg Peter, die drei Gefallenen am Sterbeort beizusetzen. Im Dorf wurde verhindert, dass der Volkssturm Widerstand leistete wie beispielsweise in Greßthal, weiß Heil. Dort mussten deswegen etliche Menschen sterben und neun Scheunen wurden in Brand geschossen.
In Wülfershausen wurde dagegen am Ortseingang eine weiße Flagge gehisst und eine Frau mit guten Englischkenntnissen, Amanda Woerler, nahm ersten Kontakt mit den "Amis" auf. Diese setzten den Bürgermeister quasi als Schutzschild auf die Motorhaube eines Jeeps und fuhren so durch das Dorf. "Es dauerte nicht lange und der ganze Ort stand voller Panzer und Militärfahrzeuge", hat der 69-Jährige eruiert. Soldaten durchsuchten die Häuser, einzelne Familien mussten ihr Heim verlassen, um amerikanischen Führungskräften Platz zu machen. In der Gastwirtschaft seiner Mutter, "König Otto von Griechenland", wurde ein Lazarett eingerichtet.
Bei seinen Recherchen zu den toten Soldaten fand Elmar Heil auch die Adressen ihrer Angehörigen. Ihnen schickte er Fotos des alten Grabes und der neuen Gedenkstätte und die dazugehörige Geschichte. Antworten voller Dankbarkeit und auch Spenden für die Vereinskasse der Soldatenkameradschaft hat er erhalten.