Er ist frohgemut für die Zukunft seines Hauses. Theaterleiter Christian Kreppel sieht sein Haus gerüstet. Im Gespräch erzählt er, wie sein Spielplan entsteht und warum aus seiner Sicht das Theater mit all seinen Sparten auch in der digitalen Welt wichtiger denn je ist.
Christian Kreppel: Es ist eigentlich das, was man sich wünscht. Erfolg kann ein Theater nur haben, wenn das Publikum sich angesprochen fühlt. Die Menschen sind unterschiedlich und ich bin auch nicht derjenige, der entscheidet, was ein gutes oder schlechtes Publikum ist. Es ist klar, dass jeder eine andere Ausrichtung hat: Dem einen gefällt die leichte Muse, der andere will es fordernd haben. Richtig spannend, das meint dieses Zitat, wird es erst, wenn ein wirklicher innerlicher Bezug hergestellt wird, wenn man sich als Besucher damit beschäftigt und darüber nachdenkt, was man gesehen oder gehört hat. Dann hat das analoge Theater, wie wir es erleben, in dieser riesigen digitalen Umwelt auch eine gehörige Daseinsberechtigung.
Das Optimum, das man erreichen kann, ist, die Menschen in ihrer Seele zu berühren.
Kreppel: Man muss aufpassen, dass man nicht selbst in seiner Käseglocke hängt. Man muss natürlich vor allem als Theaterleiter offen sein, in der Stadt, in der man arbeitet, sich umschauen. Unser Leitspruch ist: Theater der Stadt Schweinfurt mitten in der Stadt für die Stadt, die Region und darüber hinaus. Man darf keine Scheuklappen haben, ich versuche das auch bewusst aufzubrechen. Ich bin abends bei den Vorstellungen so gut wie immer im Foyer und dann gibt es viele Gespräche. Man muss zuhören und ein offenes Ohr haben.
Kreppel: (schmunzelt) Da könnte man ein ganzes eigenes Interview dazu machen, das ist eines meiner Lieblingsthemen. Es geht nicht um besser, sondern um anders. Die Strukturen sind völlig andere bei einem Gastspieltheater als bei einem produzierenden Haus. Ich habe als Präsident der Gastspiel-Organisation INTHEGA in den vergangenen sechs Jahren gelernt, dass die Grenzen aufbrechen. Wir in Schweinfurt sind ein Leuchtturm der Gastspiel-Landschaft in Deutschland, gehören zu dem halben Dutzend Gastspieltheatern, die in Größe, Qualität und Auslastung genau so funktionieren wie ein Drei-Sparten-Haus. Das Publikum interessiert nicht, wie das alles entsteht. Wir kaufen die fertigen Produktionen ein und zeigen sie, wir stellen sie halt nicht her.
Aber die Grenzen werden fließend, oft geschuldet der finanziellen Entwicklung, so dass feste Ensemble auch Produktionen einkaufen und Gastspielhäuser selbst produzieren. Letztendlich haben alle Theaterbetriebe die gleichen Probleme im Alltag. Es gibt kein besser oder schlechter, es ist im Idealfall ein Miteinander.
Die Münchner Kammerspiele sind schon seit Öffnung des Hauses 1966 immer wieder sehr gerne zu Gast. Die Schauspieler bestätigen uns, dass sie hier voller Freude spielen. Auch Augsburg, Dessau, Detmold, Hof, Meiningen, Ulm oder das Wiener Theater in der Josefstadt sind Bühnen, die gerne rausgehen, sehen möchten, wie eine Produktion vor anderem Publikum funktioniert.
Kreppel: Das Schlimmste, was einem Spielplan passieren könnte, wäre nur der Hauch von Routine. Das natürliche Raster sind die 16 Abo-Ringe, das ist klar. Es sind die schönsten Tage, wenn man vor einem leeren Kalender sitzt und sich sagt, los geht?s, was kann ich anders machen? Der große Reiz und die Spannung sind, wie man das Programm füllt. Wichtig ist: immer möglichst hohe Qualität wie bewusst inhaltliche Vielfalt anstreben, gewollt alle Genres zeigen. Das ist eine Besonderheit in Schweinfurt, in anderen Häusern werden auch gerne mal Oper, Operette oder Sprechtheater weg gelassen. Wir kämpfen uns bewusst durch mit allem und der Erfolg gibt uns Recht. Je mehr man für sein Publikum anbieten kann, umso besser.
Ich biete bewusst unterschiedliche Anknüpfungspunkte. Wer bei uns Abonnent werden will, der sollte in diesem umfangreichen Programm auch etwas finden. Ich platziere auch manchmal bewusst in gewachsene traditionelle Abo-Ringe etwas Neues, um ein Aha-Erlebnis zu erzeugen. Wir haben eine sehr gute finanzielle Ausstattung, deswegen wird natürlich auch die Palette des Möglichen immer ein bisschen größer sein als in anderen Theatern.
Kreppel: Es ist für uns etwas Besonderes, denn vor der Aufführung sind immer die Endproben über mehrere Tage angesetzt. Normalerweise kommt eine Produktion, spielt ein bis fünf Tage und ist wieder weg. In diesen Fällen aber ist es so, dass die Proben zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen, was bei der Vielfalt des Spielplans eine logistische Herausforderung ist. Es ist schön für uns, wenn auch mal Premierenfieber da ist. Es sind sehr gute Produktionen, ob nun im Schauspiel, Tanz oder von der DDC.
Kreppel: Unsere 25 Sprechtheater-Produktionen sind eine feste Größe für unser Haus. Ich versuche den ganzen Kanon zu zeigen, die Hälfte als zeitgenössische Stücke. Sicher haben viele den Zschäpe-Prozess in München verfolgt. Zu dem Thema Radikalisierung sollte man sicher Stellung nehmen. Ich bin immer ein wenig skeptisch, ob es gelingt, eine Filmvorlage ins Theater zu übertragen, in diesem Fall ist das aber sehr gut gelungen. Wir versuchen meistens, sehr inhaltsstark zu beginnen, das muss ein funktionierendes Theater anbieten.
Kreppel: Eine große Bandbreite. Wir gehen über die Klassik, den Neo-Klassizismus bis in den Modern Dance. Wir zeigen von „Schwanensee“ der Ukrainischen Staatsoper „Taras Schewtschenko“ bis zur Aakash Odedra Company oder Kibbutz Contemporary Dance Company. Wir haben das Glück, dass wir uns durch die hohe Auslastung mit 900 Abonnenten in zwei Ringen auch tolle, aufwändige Produktionen leisten können. Ich freue mich über ein sehr dichtes Publikum durch alle Schichten und Generationen hindurch. Die Besucher kommen aus dem Raum Frankfurt, Stuttgart oder Nürnberg zu uns, das ist wunderbar. Für mich ist es eine Keimzelle unseres Theaters. Wir bieten auch bewusst Vielfalt – manchmal ist es traditioneller, manchmal gibt es Ethno-Elemente, manchmal mehr Unterhaltung. Es bringt uns volle Häuser und immer wieder ein neues Publikum und Aufmerksamkeit.
Kreppel: Die Operette ist tatsächlich eine Standfeste unseres Hauses. Oper ist nicht einfach, gerade wenn man nicht das gängige Repertoire hat. Ich komme ja von der Oper, das wird immer ein Thema für uns sein. Wir machen „Fidelio“ im Beethoven-Jahr mit der Oper Ulm. Ich mag „Fidelio“ sehr, nicht nur, weil mein Vater den Rocco ich weiß nicht wie oft an der Wiener Staatsoper gesungen hat und ich ihn sehr oft als Kind gesehen habe. Da freue ich mich sehr darauf.
Kreppel: Nie selbstverständlich. Wenn man weiß, dass sie unter Jakub Hrùša „Mein Vaterland“ bei uns im Mai gespielt, dann damit den Prager Frühling eröffnet haben, in Baden-Baden, Zürich und der Elbphilharmonie auch konzertiert haben, sieht man den Rang dieses Orchesters. Es ist ein Glücksfall und eine Verpflichtung, die acht bis zehn Konzerte pro Saison zu planen und durchzuführen. Es ist ein Muss für uns und wir versuchen, ein breites Repertoire anzubieten. Und natürlich wird im Beethoven-Jahr zum 250. Geburtstag das Konzert mit Beethovens 9. Symphonie am 30. Dezember etwas Besonderes sein.
Kreppel: Ich bin sehr gespannt, ich kenne das Programm noch nicht, weil es gerade erarbeitet wird. Es ist eine ganz andere Form – Entertainment, Crossover – und wird sicher sehr spannend. Die DDC muss man in Schweinfurt niemandem erklären und es ist toll, dass sie unser Haus als Vor-Premiere nutzen, um zu sehen, wie das Publikum reagiert, bevor man im Januar und Februar auf große Hallentournee im deutschsprachigen Raum geht. Die DDC ist ein Selbstläufer, sie waren mit „Weg der Elemente“ und „Breaking Mozart“ hier im Haus, mit „Fuck you Wagner“ beim Nachsommer. Es gibt noch Karten ab dem 27. Juli, die werden aber sicher schnell weg sein für die vier Vorstellungen. Die DDC ist in ihrer Technik toll, aber hat es auch geschafft Inhalte in ihre Abende zu bekommen, schauspielerische Qualitäten zu bieten und so eine tolle Mischung fürs Publikum zu haben.
Kreppel: Das Deutsche Nationaltheater Weimar kommt mit „Romeo und Julia“, das Münchner Kammertheater gastiert wieder. Eine besondere Freude für mich ist „Der Trafikant“ der Württembergischen Landesbühne Esslingen. Mit dem Düsseldorfer Schauspielhaus planen wir eine dauerhafte Zusammenarbeit, sie kommen mit „Der zerbrochene Krug“. Was das Metropoltheater München anbietet, ist immer außergewöhnlich, diesmal „Das Ende des Regens“, ein relativ unbekanntes australisches Stück. Ich freue mich, dass Brigitte Hobmeier mit „Picasso und die Frauen“ gastiert. Ein sehr schönes Stück ist „Die Tanzstunde“, weil es sehr menschlich ist und berührt.
Kreppel: Das Architekturbüro ist jetzt gefunden, mit dem wir zusammen arbeiten wollen. Es ist klar, wer zwei, drei Jahre zumacht, hat ein Problem. Das wird hier nicht so sein. Wir bleiben offen und sanieren im laufenden Betrieb. Das ist schwierig und eine Herausforderung und braucht viel Planung. Wir werden die Sommerpause in zwei Blöcken ein wenig verlängern. Es geht um die Hausdachsanierung, die Haustechnik mit allen Leitungen wie Heizung und Klimatechnik und nicht zuletzt die Bühnentechnik. Wir müssen nach jetzigem Stand den Bühnenturm doch nicht erhöhen, das spart uns viel Geld und Zeit. Wir brauchen zusätzliche Sozialräume, Toiletten und Lager. Es sieht so aus, dass wir keinen Anbau brauchen, sondern es unterirdisch machen können und so das unter Denkmalschutz stehende Haus nicht verändern müssen.
Es wird sehr viel Arbeit und Mühe sein, aber auch eine Freude, dass man ein solches Haus zukunftssicher machen kann. Ich bin froh, dass auch der Stadtrat das so mitträgt. Wir können weiterspielen, das ist das Wichtigste. Wir planen schon die Saison 2020/21, die wird sicher normal laufen.
Kreppel: Schwierig! Es war auch früher schon so unter Günther Fuhrmann, aber die Zeiten haben sich natürlich geändert. Es ist viel mehr geworden, vor allem gibt es mehr Kommunikationsbedarf. Wir haben das Glück, dass es der Stadt finanziell gut geht und somit auch der Kultur. Wir freuen uns, dass das Kulturprofil erschienen ist, das Außenstehende, denen ich es gegeben habe, durchaus beeindruckt hat ob der Vielfalt des kulturellen Angebots.
Natürlich muss ich auf mich auch aufpassen. Ich brauche die Kraft vordringlich für das Theater und die anstehende Sanierung. Ich habe mich deswegen auch nicht mehr als INTHEGA-Präsident aufstellen lassen. Ich bin sehr glücklich, dass ich hier im Haus aber auch in den kulturellen Einrichtungen den Rückhalt der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen habe, ohne sie würde es nicht funktionieren. Und vielleicht das Wichtigste: Es macht mir nach wie vor sehr viel Freude und füllt mich aus.