Der Klang dürfte nach 250 Jahren noch derselbe sein: typisch barocke Orgelklänge, gefüllt mit Gamba-, Spitzflöte- oder Cimpel-Farben. Der Geist des berühmten Hoforgelmachers Johann Philipp Seuffert schwebt noch heute über dem Instrument der historischen Sankt-Michaels-Kirche von Euerbach, einem Bauwerk Balthasar Neumanns. Die Geburtstagsfeier für die Orgel am Sonntag, 5. Juni, fordert einen Blick in deren Inneres.
Die Finger gleiten über die Tasten, Regionalkantor Rainer Aberle hört konzentriert, ob und wie die Töne aus dem Instrument weichen. „Die hier repetiert“, murmelt er, als bei seinem Anschlag ein Ton im Gamba-Register erklingt, das im Klang dem gleichnamigen Streichinstrument nachempfunden ist. „Das heißt, der Ton wurde nach unten gesetzt“, erklärt er. „Das war typisch in der Barockzeit.“
Der amtliche Orgelsachverständige der Diözese Würzburg begutachtet im Vorfeld des Orgeljubiläums das Instrument auf der Empore der Euerbacher Balthasar-Neumann-Kirche. „Die Orgel ist in einem einwandfreien Zustand“, nickt er zufrieden. „Ein paar Verstimmungen, ja, aber sonst, in weiten Teilen und vor allem technisch und klanglich wie damals vor 250 Jahren.“
Damals, das war der 10. Juni 1761, als der Würzburger Hoforgelmacher Johann Philipp Seuffert das Instrument in der Kirche aufbaute, die knapp 20 Jahre vorher eingeweiht worden war. Aberle klettert auf die Organistenbank, öffnet die Windlade und sucht mit der Taschenlampe. An der hinteren Wand des Windkastens, zwischen den Drähten, die Tasten und Ventile verbinden, klebt ein handschriftlicher Zettel: „Johann Philipp Seuffert, Burger und Hof Orgelmacher in Wirtzburg, Anno 1761.“
Manches hat sich in den 250 Jahren, in denen sie den Gesang der Gläubigen begleitet, an der Seuffert-Orgel geändert. Etwa als 1835 mehr als 200 Metallpfeifen neu gefertigt werden mussten, weil der ehemalige Lehrer Adam Hudert diese entwendet hatte, wie es in einem Gutachten von Professor Alfred Reichling 1981 vor der letzten Orgelrenovierung heißt. Aber die ergänzten Pfeifen stammen ebenfalls aus der Würzburger Seuffert-Werkstatt (siehe Zur Person).
„Das meiste ist noch original, manches ist ergänzt worden, Verschleiß eben“, meint Orgelbaumeister Giovanni Crisostomo, der mit der Hauptstimmung des historischen Instruments beauftragt ist. „Die Federn, die ich vor zwei Jahren erneuert habe, waren einfach marode.“ Beide Männer sehen sich die Seuffert-Orgel an, zeigen auf die Pedallade, „die ist alt“, oder die Manuallade, „die wurde mal umgebaut“. Aber die Prospektpfeifen sind im Originalzustand.
Rainer Aberle zieht nacheinander die zehn Registerknöpfe, „Mixtur 3fach“, „Salicional 8'“ oder „Subbaß 16'“ steht auf den weißen Porzellanschildchen, übliche Bezeichnungen aus der Bauzeit. „16 Strich bedeutet 16 Fuß, also 30 Zentimeter“, erklärt Aberle. „Die tiefste Pfeife soll also 4,80 Meter lang sein.“ Der Blick zur Kirchendecke zeigt aber, dass das nicht sein kann. „Die Pfeife ist oben geschlossen, das heißt, der Weg der Luft geht 2,40 Meter nach oben und 2,40 Meter wieder hinunter. Macht zusammen 4,80 Meter.“
Ziemlich weich sind die Pfeifen, die Zinn-Blei-Legierung macht vorsichtiges Arbeiten nötig. Mit einem Teleskop-Pinsel entfernt Crisostomo bei einer kleinen Pfeife den Staub von der Kernspalte, die den Körper vom Fuß trennt. „Staub ist die Ursache für Verstimmungen.“
Vor der Machart des wertvollen Seuffert-Instruments, von der Qualität und der Auswahl der Materialien zeigt sich der Intonateur beeindruckt. „Das war einer der berühmtesten Orgelbauer“, sagt Crisostomo, „und einer der besten“. Dass das Euerbacher Instrument von „erheblichem Denkmalwert“ ist, hatte auch Professor Reichling festgestellt. Eine Verpflichtung.
Das Jubiläum „250 Jahre Seuffert-Orgel“ wird an diesem Sonntag um 17 Uhr in einem Gottesdienst gefeiert. Kantor Martin Seiwert (Heilig Geist, Schweinfurt) spielt das Instrument und bietet eine Führung an. Einen Umtrunk bereitet der Pfarrgemeinderat vor.