
Wer in diesen Tagen als Spaziergänger oder Radfahrer in der Flur rund um Gerolzhofen unterwegs ist, dem ist sicherlich aufgefallen: Auf den Zuckerrübenfeldern sieht es erbärmlich aus. Welke und braune Blätter liegen auf dem Boden und dazwischen stehen kleine Rüben, die manchmal kaum größer geworden sind als Rettiche. Und das Ganze ist wie festbetoniert in einem knochentrockenen, teils aufgesprungenen Erdreich.
Die ersten Rüben aus der Region Gerolzhofen wurden am Donnerstag per Lastwagen in die Ochsenfurter Fabrik geliefert, wo an diesem Tag der Probebetrieb anlief. "Wir rechnen mit einer Kampagne von 103 bis 104 Tagen", berichtet Ernst Merz, der Rübeninspektor von Südzucker. Die Anfuhr der Rüben per Lkw dürfte Ende Dezember abgeschlossen sein, der letzte Verarbeitungstag in der Fabrik soll laut Plan an Silvester oder am Neujahrstag sein.

Ergebnis der Proberodungen
Um abschätzen zu können, mit welchen Mengen und mit welchem Zuckergehalt die Fabrik in dieser Kampagne kalkulieren kann, wurden in den vergangenen Tagen und Wochen per Hand erste Probe-Rodungen auf Zuckerrübenfeldern im Einzugsbereich der Ochsenfurter Fabrik durchgeführt. Dabei habe sich gezeigt, dass es in der Fläche eine sehr hohe Streuung beim Ertrag geben werde, berichtet Rübeninspektor Merz. Selbst im fruchtbaren Ochsenfurter Gau rechnet die Zuckerfabrik mit einem insgesamt unterdurchschnittlichen Ertrag zwischen 65 und 68 Tonnen Rüben pro Hektar. Der fünfjährige Durchschnitt liegt bei 74 Tonnen. "Im Raum Gerolzhofen sieht es allerdings noch deutlich schlechter aus", sagt Merz am Telefon - ohne sich auf eine konkrete Schätzung festlegen zu lassen.
Am Donnerstagvormittag war dann auch die Zeit der Schätzungen vorbei. Es gab die ersten belastbaren Zahlen. Denn südlich von Gerolzhofen wurden die ersten Rübenhaufen mit der Lademaus auf Sattelzüge verladen. Die Maschine wiegt beim Verladen gleichzeitig auch die Feldfrüchte. Mit einem ernüchternden Ergebnis: "Es waren nur 40 Tonnen pro Hektar", berichtet Michael Mikus, Geschäftsführer des Maschinenrings in Gerolzhofen, wo wieder die organisatorischen Fäden für das Roden und den Abtransport der Rüben zusammenlaufen. "Nur 40 Tonnen, obwohl die Schätzung auf dem Acker vorher auch schon bei nur 60 Tonnen lag."
Extremer Wassermangel
Der Grund für die sehr schlechte Zuckerrübenernte rund um Gerolzhofen ist klar: "Es hat das Wasser gefehlt", bringt es Rübeninspektor Merz auf den Punkt. Die Rübe brauche im Verhältnis beispielsweise zum Getreide insgesamt zwar weniger Wasser, wichtig sei aber, dass es ab August ausreichend regnet, weil da die Früchte an Masse zulegen. Und da sei der Regen, genau wie im Vorjahr, heuer leider ausgeblieben.
"Der Wassermangel ist mittlerweile enormst", betont Heinz-Dieter Hofmann vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Schweinfurt. "Und dies jetzt schon im zweiten Jahr hintereinander." Von oben komme einfach kein ausreichender Niederschlag, und auch von unten könne die Rübe sich kein Wasser mehr besorgen. Im Erdreich sei wegen fehlender Winterfeuchte "alles leer", sagt der Pflanzenbauberater.

Auch Klaus Ziegler, Geschäftsführer beim Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer in Eibelstadt, kennt die spezielle Situation im Raum Gerolzhofen. "Die Niederschläge waren heuer wieder sehr punktuell. Und Gerolzhofen haben sie ausgelassen." Fehlender Regen war das eine, die starke Hitze in diesem Sommer das andere. "In der Region Gerolzhofen ist es immer noch einen Tick wärmer als im Ochsenfurter Gau." Dies alles zusammen führe dazu, dass man auf den Zuckerrübenfelder in der Gerolzhöfer Gegend heuer mindestens zehn Tonnen pro Hektar weniger ernten werde als beispielsweise bei Ochsenfurt.
Finanzieller Rückschlag
Die schlechte Ernte ist für die Landwirte natürlich auch ein erheblicher finanzieller Rückschlag. Etwa 45 bis 50 Tonnen pro Hektar müsse man schon ernten, damit sich der Zuckerrübenanbau auf der Kostenseite überhaupt rentiere, sagt Klaus Ziegler - wobei er für seine Berechnung die letztjährigen Preise zu Grunde gelegt hat. Wie die neuen Preise ausfallen, wird sich erst im Mai 2020 zeigen, wenn der Verband und der Südzucker-Konzern in die Preisverhandlungen über die Ernte 2019 einsteigen. "Wir werden aber bei den Preisverhandlungen die durch das Wetter verursachten Probleme berücksichtigen", verspricht er seinen Verbandsmitgliedern.

Auch Ernst Merz sieht, dass es bei nur 40 Tonnen für die Landwirte schwer wird, angesichts des geringen Ertrags wenigstens auf ihre Kosten zu kommen. "Das wird eng", bedauert der Rübeninspektor.
Hoher Verschleiß
Die extreme Trockenheit macht auch den großen Rübenrodern der Zuckerrübenanbau- und Rodegemeinschaft Gerolzhofen zu schaffen, die in den kommenden Wochen neben dem Altlandkreis Gerolzhofen auch im Gebiet zwischen Main, Bayreuth, Hof, Erlangen/Fürth und Neustadt/Aisch unterwegs sein werden. Zwei Lademäuse verladen die Rüben dann auf 15 eigene und vier angemietete Sattelzüge der Landwirtschaftlichen Maschinengemeinschaft der Zuckerrübenanbauer Zeil Ost (kurz: LMZ Zeil Ost), für die zehn Maus-Fahrer und 180 Lkw-Fahrer im Schichtbetrieb im Einsatz sein werden.
Der harte Boden sorgt bei den Maschinenteilen der Roder, die die Rüben aus dem Erdreich holen, für einen deutlich höheren Verschleiß, weiß Maschinenring-Geschäftsführer Mikus noch aus Erfahrung vom vergangenen Trockenjahr. Und dann gibt es noch zwei weitere Probleme: Beim maschinellen Herausziehen der Rüben kann es passieren, dass wegen des brettharten Bodens die unteren Rübenspitzen abbrechen und in der Erde verbleiben. "Aber in diesen Spitzen ist der meiste Zucker drin", erklärt Mikus.
Lohnt es sich noch?
Das zweite Problem: Die Rüben in der Region Gerolzhofen sind heuer generell kleiner als sonst. Und zusätzlich gibt es auf ein und demselben Acker extreme Größenunterschiede. Nicht wenige Früchte sind so klein, dass sie normalerweise durch die Transportwalzen der Roder oder aus den Förderbändern der Lademäuse fallen. Da müssen die Maschinen immer nachjustiert werden.
Zwei schlechte Rübenjahre direkt hintereinander und zudem noch ungünstige Marktbedingungen mit einem niedrigen Zuckerpreis: Lohnt sich der Zuckerrübenanbau in unserer Region überhaupt noch? Nicht wenige Landwirte scheinen nicht mehr davon überzeugt zu sein. Das sieht man am Rückgang der Anbaufläche. "Im vergangenen Jahr haben wir noch 5800 Hektar Zuckerrüben gerodet", weiß Michael Mikus. "Und heuer sind es nur noch 4800 Hektar."
Rübeninspektor Ernst Merz will wegen der Trockenheit noch nicht schwarzsehen. In den Jahren davor sei das Wetter für die Zuckerrübe doch ideal gewesen und dementsprechend gut seien auch die Ernten ausgefallen. Da habe es zwar im Frühjahr oft zu wenig geregnet, dafür dann aber im Sommer. Für das Getreide sei dies schlecht gewesen, nicht aber für die Zuckerrüben. Denn sobald die Rüben, bei denen es sich um zweijährige Pflanzen handelt, wieder an Feuchtigkeit kommen, wachsen sie auch wieder weiter. Auch jetzt noch.
Roder kommt zweimal
Ist es da nicht ungerecht, dass die Rüben einiger Landwirte schon jetzt geerntet werden und somit - falls doch noch mal Regen kommen sollte - nicht mehr wachsen können? "Da haben wir ein ausgeklügeltes System", erklärt Bernhard Bumm aus Kolitzheim, Vorstandsmitglied der LMZ Zeil Ost. Die Landwirte, bei denen zuerst gerodet wird, erhalten zum einen eine Frühlieferprämie, um für den fehlenden Zuwachs entschädigt zu werden. Und außerdem drehen die Roder in den kommenden Wochen zwei Runden durch das Einsatzgebiet. Bei der ersten Runde werden die Äcker nicht gleich komplett gerodet. Ein Beispiel: Die Zuckerrübenfelder derjenigen Landwirte, die zuerst dran sind, werden in der ersten Runde nur zu 30 Prozent gerodet. Wochen später, wenn der Roder für seine zweite Runde in der Gegend ist, kommen die restlichen 70 Prozent der Fläche (mit dem möglichen Zuwachs) dran. Diese Staffelung verschiebt sich zugunsten des ersten Werts je länger die Kampagne schon dauert.
Aber wäre es nicht ratsam, angesichts der Auswirkungen des Klimawandels möglicherweise neue Rübensorten zu züchten, die vielleicht mit einem geringen Feuchtigkeitsangebot besser zurechtkommen als die bisherigen Sorten? Solche Veränderungen seien aber nur in ganz kleinen Schritten möglich, betont Ernst Merz. Im Gegensatz zu irgendwelchen vollmundigen Versprechungen müsse man ganz seriös konstatieren, dass es mindestens 20 bis 40 Jahre dauert, bis man auf Neuzüchtungen zugreifen kann.