Rhythmische Energie und ein über zwei Streichorchester hinweg wanderndes polyphones Geflecht waren die Merkmale von „Concerto for Double String Orchestra“ von Michael Tippett zum Konzertauftakt der Bamberger Symphoniker und der Bayerischen Staatsphilharmonie am Freitagabend im Stadttheater. Mit bedächtigem Dirigat und in den sparsamen Bewegungen erweckte Sir Roger Norrington diese fröhlich dahineilende Musik zu pulsierendem Leben.
Feierliche, mittelalterliche Bordune eröffneten im langsamen Adagio einen weiten, dunklen Klangraum, der sich dann zu einem Violinsolo öffnete. Am Ende des Satzes begannen sich die Stimmen zu verselbstständigen. Mit eigenwilligen motivischen Verschachtelungen wurde eine zweite Ebene installiert.
Viele Spannungsnuancen
Im letzten Satz sorgte farbiges Wechseln zwischen Unisono und Polyrhythmik der beiden Streichergruppen im Verbund mit imitatorisch geführten Solostreichern für vielerlei Spannungsnuancen, bei denen die Streicher ganz auf sich allein gestellt glänzen konnten.
Bei Benjamin Brittens „Four Sea Interludes“ entfalteten sich nun wieder in voller symphonischer Besetzung im 1. Satz Dawn (Dämmerung) breite Bläserchoräle, die sich auf die Vogelrufe der hohen Streicher und Flöten setzten. Lang liegende Töne des Blechs und virtuose Pizzicati hielten „Sunday Morning“ lang in der Schwebe. Der schnelle Puls versteckte sich zwischen den Schlägen der Röhrenglocken, die ganz überraschend alleine übrig blieben.
Die monumentale Geste von „Moonlight“ ließ sich lange Zeit, bis sie vollends durchbrach. Anfang und Schluss blieben fast die Popmusik vorwegnehmenden Akkordklischees vorbehalten, die in ihrer feinen Stimmung wunderbar sphärisch von allen Beteiligten umgesetzt wurden.
Komplexe Strukturen mit grellen Instrumentenmischungen wie Streichern am Ende des spielbaren Griffbrettbereichs, vertrackten Schlagzeugeinwürfen und verschachtelten Bläserattacken verwandelten den finalen Sturm in eine wahre Odyssee der tiefen Emotionen. Höchst tänzerisch fegte eine furiose Stretta das schlechte Wetter quasi aus dem Saal. Dies war ein aufwühlendes Orchesterinferno der Extraklasse.
Ruhig in sich schwingend rundete die Sinfonie Nr. 5 von Ralph Vaughan Williams diesen rein britischen Abend ab. Einfache, aber pointiert gesetzte Melodielinien durchzogen das einleitende Preludio. Doch die Idylle hielt nicht lange vor: Ein bombastischer Schlusschoral erweiterte den schlichten Anfang höchst pathetisch. Bewundernswert, wie die Musiker das fahl ausgedünnte Ende mit den Anfangsmotiven aushauchen ließen. Auch den Klangreiz der einfachen Tonmischung kosteten sie beim Scherzo Presto misterioso gekonnt aus. Ein bezauberndes Englischhornsolo, basierend auf einfachen Akkordfortschreitungen, verzauberte die Romanze.
Wie Brahms in seiner 4. Symphonie, griff Williams im letzten Satz auf die Passacaglia, eine Form mit durchlaufenden, ostinaten Bässen, zurück. Da konnten die Bamberger in gewohnter Weise glänzen: Britischer Humor, klangliche Virtuosität und eine ganz sanfte Übereinstimmung zwischen Dirigent und Musikern schufen ein beeindruckendes Finale. Lorenz Schmidt