
Rückrufaktionen gibt es nicht nur bei Autos. Prof. Dr. Karl Mischke, Chefarzt der Medizinischen Klinik I des Leopoldina, beginnt sein Referat "Herzschrittmacher und Defibrillator" mit der Feststellung, dass es sich dabei um hochkomplexe Geräte handele.
Er berichtet von der Rückrufaktion von 150 000 Schrittmachern der Firma Medtronic im Januar 2019. Vorsorglich seien die Patienten, denen im Leopoldina ein solcher Schrittmacher eingebaut wurde, angeschrieben und ihre Geräte auf eine sichere Betriebsart umprogrammiert worden. Medtronic habe ein Software-Update für die zweite Jahreshälfte 2019 angekündigt.
Zu den Herzschrittmacher-Therapien gehören der "normale" Schrittmacher bei zu langsamem Herzschlag und Aussetzen des Herzschlags, der Defibrillator bei schnellem Herzschlag und bei lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen und der Drei-Kammer-Schrittmacher für manche Patienten mit Herzschwäche, zur Wiederherstellung des gestörten Zusammenspiels der beiden Herzkammern (Resynchronisations-Therapie). Die letztgenannten Schrittmacher ergänzen laut Mischke die Standardtherapie (Medikamente und gesunde Lebensweise) bei Herzschwäche nur, sie ersetzen sie nicht.
Zu langsamer Herzschlag
Symptome sind rasche Ermüdung, Luftnot, Schwindel, Ohnmacht. Hier helfen keine Medikamente, sondern nur ein Schrittmacher, sofern es keine behebbare Ursache gibt. Ein Schrittmacher wird zumeist erst dann implantiert, wenn Beschwerden (oft unspezifisch) vorliegen, selten auch bei Beschwerdefreiheit.
Mischke erläutert den komplexen Aufbau eines Schrittmachers, der heute zwei Aufgaben erfüllt. Stimulation: Schlägt das Herz nicht schnell genug, wird es durch elektrische Impulse aus dem Schrittmacher zum Schlagen gebracht. Wahrnehmung: Bei ausreichender eigener Herztätigkeit wird nicht zusätzlich stimuliert. Die Schrittmacher vor etwa 20 Jahren stimulierten noch durchgehend. Zur Nachsorge gehört auch die Kontrolle der Schrittmacher. Dabei werden im Leopoldina jährlich etwa 1000 Schrittmacher und 500 Defibrillatoren kontrolliert.
Die meisten Patienten erhalten einen Schrittmacher bei Beschwerden, die auf Störungen des Sinusknotens zurückzuführen sind, oder wenn die elektrische Leitung des AV-Knotens teilweise oder ganz beeinträchtigt ist (Sinus- und AV-Knoten sind die elektrischen Steuer-Zentren des Herzens.) Da vor allem krankhafte Leitungsblockierungen im Bereich des AV-Knotens zu einem anhaltenden Herzstillstand führen können, erhalten Patienten in diesem Fall frühzeitig einen Schrittmacher – auch wenn sie noch beschwerdefrei sind. Auch manche Patienten mit Vorhofflimmern können von einem Schrittmacher profitieren.
Zu schneller Herzschlag
Der moderne Defibrillator (ICD) kann nicht nur bei Kammerflimmern, sondern auch bei Herzrasen aber auch bei zu langsamer Herzschlagfolge rettende Impulse geben. Der Defibrillator zeichnet wie ein Langzeit-EKG alle Rhythmusstörungen seines Trägers auf. Die Geräte können fernüberwacht werden: Informationen fließen aus dem Defibrillator über das Telefonnetz an den Arzt.
Als Standard gilt der so genannte Einkammer-Defibrillator, bei dem lediglich eine Elektrode über eine Vene im Herz platziert wird. Sie ermöglicht es, Herzrhythmusstörungen zu erkennen, das Herz zu stimulieren und elektrische Schocks abzugeben. Eine wichtige Aufgabe des Geräts ist es, schnelle Herzrhythmusstörungen zu erkennen, die dem lebensgefährlichen Kammerflimmern vorausgehen. Dann unterbricht der Defibrillator das Kammerrasen durch noch schnellere Impulse und bringt dadurch das Herz in den normalen Rhythmus – und erspart dem Patienten den Elektroschock.
Cardiale Resynchronisatios-Therapie
Eine Besonderheit ist der Dreikammer-Schrittmacher für die sogenannte Resynchronisations-Therapie (CRT) bei Herzschwäche. Er ist allerdings nur für eine bestimmte Patientengruppe geeignet, räumt der Chefarzt ein. Bei einer fortgeschrittenen Herzschwäche geht das Zusammenspiel der Herzkammern beim Zusammenziehen des Herzmuskels verloren, die Kammern arbeiten nicht synchron, die Pumpfunktion verschlechtert sich. Deshalb nennt sich diese Option "Cardiale Resynchronisations-Therapie". Ein CRT-Gerät verbessert die Zusammenarbeit der Herzkammern, das Herz arbeitet wieder effektiver.
Bei diesem speziellen System werden drei Elektroden im Herzen platziert: Eine im rechten Vorhof, die beiden anderen in der rechten und linken Herzkammer. Weil das Gerät mit beiden Herzkammern (Ventrikel) verbunden ist, wird es auch "Biventrikulärer Schrittmacher" genannt. Die Elektroden messen die elektrischen Impulse im Herzen, zusätzlich können winzige elektrische Impulse vom Gerät zum Herzen übertragen werden, die den Herzmuskel zum Zusammenziehen stimulieren.
Abschließend streift Mischke die Zukunft der Schrittmacher-Therapie. Hier sei eine weitere Miniaturisierung der Geräte zu erwarten. Bereits angewandt werden schon kabellose Mini-Herzschrittmacher, die über einen Venenkatheter bis zur rechten Herzkammer vorgeschoben werden. Nach dem "Abwerfen" fährt der Schrittmacher seine Fangarme aus und platziert sich tief im Herzmuskel der rechten Herzkammer. Erst im Experiment sind batterie- und kabellose Schrittmacher, die den natürlichen Blutfluss wie eine Turbine als Energiequelle nutzen.
Zum Thema Herzschwäche spricht Prof. Mischke am 9. Mai um 18 Uhr im Leopoldina.