"Das hält jung", sagt Christoph Plodzinski und macht sich bereit für ein Bad im Baggersee. Draußen ist Mützen-Wetter, der See hat vielleicht so an die drei, vier Grad, schätzt einer aus der Runde. Wie hoch, nein, wie tief die Temperatur genau ist, interessiert hier keinen. Hauptsache, es ist kalt.
Und Plodzinski hat sich schon daheim bei Dürrfeld im Landkreis Schweinfurt Löcher in Eisschichten gehauen, um zu baden. Er wird im Mai 62 und schwört auf Winterschwimmen. Erkältungen? Grippe? Kenne er nicht mehr, sagt der Chef der Schweinfurter Eisbären, die sich regelmäßig am Sonntag um 11 Uhr zu einem kleinen Bad treffen.
Winterschwimmen, Eisbaden: Plodzinski macht das seit gut zwölf Jahren. Auf den Geschmack ist er in Amerika gekommen, als er im tiefsten Winter dick eingemummt bei einem Spaziergang Leute mit Shorts und Sandalen gesehen hat, die mit Begeisterung im Lake Michigan baden gingen. Ein 83-Jähriger war darunter. Das hat den Dürrfelder beeindruckt.
Der Kälteschock ist wichtig
"Es geht um den Kälteschock", sagt Plodzinski. "Kurz rein, kurz raus." Mit Mutproben hat das nichts zu tun. Es sei vielmehr ein einfacher und effektiver Weg, etwas für sich, für Körper und Geist zu tun. "Das kostet nichts, ist vor der Haustür." Kälteschock-Therapie werde ja auch in der Medizin eingesetzt, bei Rheuma zum Beispiel. Die Wirkung sei medizinisch belegt.
Kurz rein, kurz raus: Die Eisbären sind wirklich flott und effizient unterwegs. Ratzfatz sind alle umgezogen, die Kleider werden in den Pavillon am Spielplatz gelegt. Schön ordentlich. Denn Ordnung ist wichtig. Groß rumsuchen, wo die trockenen Sachen sind, und dabei Zeit vertrödeln will nach dem Bad keiner. Wichtig auch: eine Unterlage für die Füße. Gefaltete Rettungsdecke oder Handtuch sind gut. Wer mag, geht gleich mit Surfschuhen ins Wasser.
Ausziehen, baden, wieder anziehen: Das geht alles sehr flott
Rund um den Pavillon sammeln sich langsam dick vermummte Sonntagsspaziergänger mit ungläubigem Blick. Die Eisbären sind das gewohnt. Und irgendwie scheint es ihnen auch ein bisschen Spaß zu machen, aus dem Rahmen zu fallen mit ihrem Hobby. Genauso ratzfatz wie das Ausziehen geht das Eintauchen in den See.
Ganz ehrlich: Wer zuschaut, hat das Gefühl, der See müsse mindestens 20 Grad haben. Plus! Keiner bibbert, keiner zuckt, keiner tastet sich langsam Schritt für Schritt voran, bis er nach langem Rumstehen in knietiefem Wasser endlich ein paar Züge macht. So was kann man im Sommer regelmäßig beobachten, wenn's warm ist. Der Winterbader aber ist ganz offenbar da weitaus weniger empfindlich.
Das Gefühl, unkaputtbar zu sein.
"Das ist total schön", sagt Ulrike Szallay-Grasser. Sie ist seit Dezember dabei. Beim Walken um den See sind ihr die Eisbären aufgefallen. Sie wurde neugierig - und ist jetzt völlig begeistert. Nicht nur wegen des Aspekts Wohlbefinden. "Man kommt aus dem Alltag raus." Was ihr auch gut gefällt: Eine Eisbärin überwindet auch den inneren Schweinehund. "Dass du dich das traust" – den Satz hat sie schon öfter gehört. "Ich fühl mich total erfrischt", sagt Szallay-Grasser, als sie aus dem See kommt. Auch hier rast keiner zu seinem Handtuch, schmeißt sich hektisch in die Kleider, wie man es auch im Sommer so schön beobachten kann, vor allem bei Teenies.
"Du bist danach einfach nur glücklich", sagt Pia Friedrich. Auch sie strahlt, wirkt belebt und voller Energie wie ihre Mit-Eisbären. Sie fasst das Phänomen Winterbaden so zusammen: "Du fühlst dich so unkaputtbar."
Er liebt die Kälte: Wim Hof in einem Video. Eisbär Andreas Hofmann ist von ihm beeindruckt.
Andreas Hofmann macht derweil noch ein paar Atemübungen. Das ist wichtig für ihn. Einfach mal so reinhopsen in den See im Winter, das würde er nicht empfehlen. Stattdessen sollte man zur Vorbereitung über längere Zeit kalt duschen, die Temperatur stetig drosseln. "Langsam beginnen, der Körper adaptiert sich", sagt er. "Gesundheit geht über Zeit." Sein Fazit: "Man fühlt sich besser und glücklicher." Nichts überstürzen, dazu rät auch Christoph Plodzinski. "Kaltes Wasser ist wie eine Waffe ohne Waffenschein", sagt der Ober-Eisbär. "Wenn du das falsch machst, geht der Schuss nach hinten los."
Gerne geben die Eisbären Tipps, wie man sich vorbereiten kann auf eine kurze Runde im Baggersee. Sie freuen sich, dass die Gruppe wächst, würden aber gerne noch mehr Leute begeistern mitzumachen. Denn nicht nur der Körper profitiert. Das Gruppenerlebnis ist auch ein Teil des Effekts. "Gesundheitsbewusstein soll auch Freude machen", findet Hofmann.
Die mentale Einstellung ist wichtig
Andreas Hofman ist selbst Gesundheitspraktiker, er kann über die Wirkung des Tauchbades auf das Herz-Kreislauf-System, die Ausschüttung von Endorphinen erzählen. Kältekammern würden ja auch in der Schmerztherapie eingesetzt, sagt er. Winterbaden hat für ihn aber auch eine mentale Komponente. "Das hat viel mit Geist, mit Einstellung zu tun." Wim Hof, der niederländische Extremsportler und Coach, ist ihm ein Vorbild. "Die Gruppe hilft, man geht ganz entspannt rein".
Stimmt. Und von der wohltuenden Wirkung kann sich jeder überzeugen, der am Ufer steht und zuschaut: Die Eisbären sehen aus, als kämen sie direkt aus dem Jungbrunnen.
Die Truppe trifft sich jeden Sonntag um 11 Uhr am Baggersee: Pavillion am Kinderspielplatz in der Nähe des Kiosks. Bitte ein paar Minuten vorher da sein: Eisbären verschwenden keine Zeit.