Sonja Müller ist die Chefin, die „Krötenprinzessin“, wie ihre Mitstreiter sie humorvoll nennen. Und sie hat auch den „Krötenblick“: Keines der kleinen Tiere, die in den braunen Blättern am Waldesrand kaum zu sehen sind, entgeht ihrer Aufmerksamkeit. Ihre „Krötenlaufbahn“ begann vor acht Jahren.
Ein Kollege vom Bund Naturschutz zeigte ihr das „Schlachtfeld“: Eine Straße, gepflastert mit überfahrenen Kröten. Müller ließ das Ganze von einer befreundeten Fotografin dokumentieren und zog damit zu Jürgen Kiefer von der Unteren Naturschutzbehörde. Der sagte ihr sofort Unterstützung zu und lässt seitdem an neuralgischen Punkten Krötenzäune aufstellen, damit die Tiere nicht auf die Straße laufen können.
Jahrestransport: 3120 Tiere
Sonja Müller und ihre Truppe tragen die Kröten dann nachts über die Straße: „Die warten hier schon auf uns.“ 3120 Tiere waren das im vergangenen Jahr, davon 600 Weibchen. Die „Krötenprinzessin“ ist von Beruf Buchhalterin und führt auch hier genau Buch.
Kröten sind vorwiegend in der Nacht aktiv. Bereits gegen Ende Februar verlassen Erdkröten ihre frostgeschützten Winterquartiere, kriechhen unter Baumstümpfen oder unter größeren Steinen, aus Laub oder ihren Erdlöchern heraus. Regen und erste frühlingshafte Außentemperaturen veranlassen die Kröten, zu ihren Laichgewässern aufzubrechen. Wenn unterwegs die meist in der Überzahl vorhandenen Männchen dann auf Weibchen stoßen, steigen sie diesen auf den Rücken und klammern sich fest. Nun geht es als Paar zu genau dem Gewässer, in dem die Kaulquappe einst zur Kröte wurde. Mehr als 1000 Eier legt jedes Weibchen in meterlangen Laichschnüren ab. Danach ziehen sich die Erdkröten wieder in ihren Wald zurück und führen ihre verborgene nächtliche Lebensweise fort. Das heißt für die Helfer, sie müssen auch wieder in den Wald zurückgetragen werden. Sonja Müller ist sich sicher: „Wenn wir nicht eingegriffen hätten, dann gäbe es hier keine Erdkröten mehr.“
„Früher, als es noch keinen Radweg neben der Straße gab, war das richtig gefährlich“, erzählt Müller, da sind wir oft in den Straßengraben gesprungen.“ Die Autofahrer sind noch heute das Problem, keines fährt langsamer, trotz der Krötenwarnschilder. Allerdings hat Müller auch eine positive Erinnerung: Ein junges Paar hat sie vor Jahren auf ein Krötenpärchen auf der Straße aufmerksam gemacht und sie dann langsam im Auto mit Warnblinkanlage dorthin eskortiert, um die Tiere zu retten.
Eklig findet Sonja Müller die Kröten nicht: „Sie sind weder glitschig noch schleimig, sie fassen sich nur ein wenig kalt an.“ Deshalb grinst die Krötenprinzessin auch insgeheim über Mitstreiter, die mit Handschuhen kommen. Das geht ja gar nicht. Spätestens bei den Eimern, die entlang des Zaunes in die Erde gegraben sind, erweist sich, dass sie Recht hat. In diese Eimer fallen nicht nur die Kröten, sondern auch Käfer, Spinnen und andere Insekten. Es liegt zwar extra ein Stecken im Eimer, an dem die wieder nach oben kriechen könnten. Taten sie aber nicht. Also werden die Käfer per Hand herausgehoben, doch das geht nur mit blanken Fingern.
Mit oder ohne Handschuhe – Müller ist sehr dankbar, dass sie so viele Mitstreiter gefunden hat. Denn allein würde sie nachts hier nicht an den Wald gehen. Und sie weiß: Wer einmal Kröten getragen hat, der kommt wieder.
Das sieht Erich Walter ein bisschen anders. Er war das erste Mal dabei, wollte sich „das mal anschauen“. Sein Fazit, nachdem er mit spitzen Fingern eine Kröte ins Wasser geschmissen hat: „Das ist nicht unbedingt meins.“ Kein Problem, er hat auch seine anderen Themen im Naturschutz, in Energie und Gentechnologie. So findet jeder seinen Platz. Für Sonja Müller jedenfalls ist das Krötentragen nicht nur Naturschutz, sondern auch „die totale Entspannung“.