Es war eine Straftat, der die Waldsachsener ihre erste urkundliche Erwähnung verdanken. Ein Ritter Gozwin musste als Sühne für den Bruch des Landrechts dem Bischof von Würzburg seine Güter in „Waltsashun“ überschreiben.
Das war 1103 und vermutlich um 1100 entstand auch der Ort Waldsachsen – derer, die „im Wald saßen“ – in seiner typischen mittelalterlichen Breitstreifenflur. Wie Dielenbretter lagen die Grundstücke in dem zweiseitigen Straßendorf nebeneinander. Erst kamen die Äcker, dann die Wiesen und am Ende häufig ein Stück Wald.
Der Ortsgeschichtliche Arbeitskreis Schwebheim hatte zu einem historischen Dorfspaziergang durch den Schonunger Ortsteil Waldsachsen eingeladen und 40 Interessierte machten sich mit Daniela Harbeck-Barthel zweieinhalb Stunden auf Spurensuche. Sie hätten sich keine bessere Führerin wünschen können. Die Autorin der Waldsachsener Ortschronik hat ihren Heimatort mit viel Leidenschaft und Engagement vorgestellt. „Ein Ort – drei Zentren der Macht“, hatte der Ortsgeschichtliche Arbeitskreis seinen Ausflug betitelt. „Zentren der Macht“ sei vielleicht doch etwas hoch gegriffen, meinte Harbeck-Barthel, aber: „Es ist schon was dran.“
Am Kirchplatz begann dann auch die Vorstellung der Zentren. Der untere Teil des Turms stammt bereits aus dem 13. Jahrhundert. Unter Julius Echter wurde der Turm erhöht und im 18. Jahrhundert wurden Chor und Langhaus angebaut. Seelsorgerlich versorgt wurde der kleine Ort von der Mutterpfarrei Marktsteinach. Diese Versorgung ließ aber einiges zu wünschen übrig, oft kam nur alle drei Wochen einmal ein Pfarrer, um Gottesdienst zu feiern. Abhilfe schufen die Lehnsherren, die Grafen von Henneberg.
Mitte des 15. Jahrhunderts schenkte Wilhelm III. der Kirche einen Wald, bis heute der Kirchenwald. Dieser ermöglichte es der kleinen Gemeinde nun, ihr Gotteshaus zu erhalten und auch die Gottesdienste aus eigener Kraft heraus zu gestalten.
Sein Nachfolger Graf Wilhelm IV. von Henneberg verfügte dann für sein Herrschaftsgebiet, darunter auch Waldsachsen, den evangelischen Glauben. Fast 50 Jahre blieb Waldsachsen evangelisch und bezahlte seine Prediger mit dem Erlös aus dem Kirchenwald, bevor der Gegenreformator Fürstbischof Julius Echter es rekatholisierte. Aber auch das ging nicht ohne Widerstand. So erzählt Harbeck-Barthel von einer Barbara Ott, die, weil sie nicht katholisch werden wollte, aus dem Dorf gewiesen wurde.
Die verschiedenen Herrscher Waldsachsens, die Hennberger, das Hochstift Würzburg und das Domkapitel, die den Ort und die Untertanen gleichzeitig unter sich aufteilten, waren wohl der Grund, warum das zweite Zentrum der Macht, das Fachwerk-Rathaus, erst nach dem Dreißigjährigen Krieg entstand. In diesen Kriegsjahren war das Dorf quasi ausgestorben, nur zwei Familien hatten, im Wald versteckt, überlebt. Aber Waldsachsen erholte sich schnell und das Rathaus als Machtzentrum der Rechtlergemeinschaft der Bauern entstand um 1680.
„Hier wurde nicht nur getagt, sondern auch Recht gesprochen und das erste Geld aus den Strafzahlungen Verurteilter gemeinsam versoffen“, erzählt die Führerin. Frauen durften das Rathaus nicht betreten, die Zuwiderhandlung kostete einen Eimer Wein. Auch rauchen oder das „Wasser abschlagen“ waren in und am Haus verboten.
Im Untergeschoss war die Schmiede untergebracht, oben der Ratssaal und das Gemeindekrankenzimmer. Die Stuckaturen an der Decke des Ratssaals zeigen bis heute deutlich die jahrhundertelange Verbindung von weltlicher und geistlicher Macht. Die Ratsherren tagten unter dem Auge Gottes, dem heiligen Geist, den Wundmalen Christi – Bilder, die in die Stuckmedaillons der Decke eingearbeitet sind. Der Ratssaal diente nach dem Krieg auch zwei Jahre lang als Schule.
Das dritte Zentrum der Macht ist der Domhof, ein typischer fränkischer Dreiseithof, in dem noch Anfang des 19. Jahrhunderts die Abgaben der Bauern an das Domkapitel zu Würzburg gesammelt wurden. Größe und Lage des Domhofs lassen, so Harbeck-Barthel, den Schluss zu, dass hier sogar die Keimzelle Waldsachsens liegt.
Der Reichtum an Quellen auf diesem Grund ermöglichte auch die Anlage eines Dorfweihers und einer Viehtränke. Das Quellwasser wurde auch benutzt, um Bier zu brauen. Braurecht und Schankkonzession waren mit dem Domhof verbunden. Einen ersten Pächter dieses Hofs kann man um 1500 nachweisen.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam der Domhof in Privatbesitz, das Brau- und auch das Schankrecht wurden aufgegeben. Beeindruckend sind noch heute die großen Erdkeller, die unter dem Hofhaus liegen und in Kriegszeiten als Luftschutzkeller dienten.
Im Garten des Domhofs, der heute der Familie Barthel gehört, luden Christa und Hilmar Müller vom Heimatkundlichen Arbeitskreis Schonungen dann nach einer informativen und abwechslungsreichen Zeitreise zu Kaffee, Kuchen und anregenden Gesprächen ein.