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SCHWANFELD
Eine Zeitreise im Fackelschein
Fackelzug in die Vergangenheit: Kinder aus der ganzen Region traten bei der Schwanfelder Museumsnacht eine Zeitreise zu den Bandkeramikern an.
Foto: Uwe Eichler | Fackelzug in die Vergangenheit: Kinder aus der ganzen Region traten bei der Schwanfelder Museumsnacht eine Zeitreise zu den Bandkeramikern an.
Von unserem Mitarbeiter Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 11.11.2015 11:40 Uhr

„Warum hat er noch Zähne, wenn er doch kein Zahnfleisch mehr hat?“ Es darf gestaunt werden: von den Kindern über das Skelett eines sechsjährigen Jungen im Bandkeramiker-Museum. Von den Erwachsenen über die Klugheit von Kinderfragen: Es sind zwei mutige junge Schwanfelderinnen, die ihren Schlafsack gleich neben der Vitrine ausgerollt haben, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, beim Auftakt zum „Internationalen Museumstag im Schweinfurter Land“.

Vor einem Schädel und ein paar Knochen (oder drei lebensechten Figuren in Steinzeittracht) haben die Kinder bei der Übernachtung offenbar keine Angst. Ihr „Altersgenosse“ hinter Glas ist 7500 Jahre alt, ein Ureinwohner am Kembach. „Den Film nachts im Museum zeigen wir trotzdem nicht“, meint Kurt Eichelbrönner, der zum zehnköpfigen Betreuerteam gehört. Bei der ersten Museumsnacht habe man mal den Fehler gemacht. Nach kurzer Zeit war die Mattscheibe verlassen. In dem Streifen geht es um Ausstellungsfiguren, die in der Geisterstunde zum Leben erwachen: ein bisschen zu passend ob des lebensnahen Museumskonzepts am Rathausplatz, mit Werkzeugen, kleinen Götterfiguren (Idolen) und teilweisen Hüttennachbauten.

Also begnügt man sich mit einem Lehrfilm über die frühe Landwirtschaft oder Kornverarbeitung, mit Mörser und Stampfer, im Neolithikum ebenso wie im Afrika der Gegenwart. „Ich kann Ihnen versprechen: Das wird heute eine leuchtende Sache“, meint Bürgermeister Richard Köth bei der offiziellen Eröffnung. Nicht zuletzt wegen der Stirnlampen für die Kinder. „Vergangenheit erinnern, Zukunft gestalten“ laute das Motto: „Museen machen mit“.

170 Gruppen habe das 2010 eröffnete Museum schon gesehen, Sonntage nicht mitgerechnet: eine Reise unternommen in die Zeit, als im „ältesten Dorf Deutschlands“ Jäger und Sammler den Sprung zu Ackerbau und Viehzucht, Werkzeugbau und Textilverarbeitung geschafft haben. Beim Museumstag mit dabei: Wissenschaftler wie Dr. Jörg Lusin, der sich in seinem Buch „Entdeckungen in Mainfranken“ auch mit Schwanfelds Vorgeschichte befasst, sowie Professor Jens Lüning, wissenschaftlicher Begleiter der Ausstellung.

Viele ehrenamtliche Helfer

Nicht zuletzt aber die vielen Ehrenamtlichen als „Säulen der Dorfgemeinschaft“, die das Feuer der Bandkeramikerzeit am Leben erhalten. Oft im Wortsinn, wie bei Bruno Reitwießner, der die Kinder am Lagerfeuer mit Stockbrot versorgt. Roland Müller führt im modischen Bandkeramiker-Gewand, inklusive Filz-Barett, durch die Ausstellung.

Dazu gesellen sich rührige „Zufalls-Archäologen“ wie Georg Schulz, der bei seinen Wanderungen jede Menge Webgewichte, Tonscherben oder Axtfragmente aus dem Boden geholt hat. Der modernen Landwirtschafts-Technik sei Dank, sagt er, die tiefschürfend Funde ans Tageslicht fördert.

Ein Dank geht aber auch an die Sponsoren der Sparkasse. Die unterstützt nicht nur Schwanfelds Bürgerstiftung, sondern auch die Museumsnacht, mit Stirnlampen und Muttertagsgeschenken. 30 Kinder im Grundschulalter sind da, aus Münnerstadt, Eßleben, Zeuzleben, Schwanfeld und Gerolzhofen. Nikolas feiert sogar seinen achten Geburtstag im Museum und erhält ein Buchpräsent vom Bürgermeister. Die drei Schwanfelder Museumsnächte, sie wurden auch Dank aktiver Mitarbeit vieler Eltern möglich. An Mitmachstationen darf getöpfert, gemahlt, gemahlen und der Ackerboden bestellt werden.

Nach Einbruch der Dunkelheit dann das „Highlight“, ein Erlebnis nicht nur für den Nachwuchs: ein Fackelzug vom Rathausplatz über Jägergasse, Hauptstraße und Feldweg hinter die Verbandsschule. Dort, auf dem Acker am Sportplatz, ragte es einst in der Wildnis auf: Ur-Schwanfeld. Auch wenn zur Sicherheit ein profanes Feuerwehrauto mitfährt, mit Scheinwerfer, Lautsprecher und Jugendfeuerwehr, weht er einen Moment lang im rötlichen Flackerlicht der Fackeln: der Fellmantel der eigenen Vorgeschichte, auch die Erwachsen sind ein bisschen ergriffen.

Größer als ein Wohnhaus heute

Jens Lüning, er hat sich als Höhepunkt etwas ganz Besonderes ausgedacht. Der Prähistoriker demonstriert den Kindern die schieren Ausmaße eines jungsteinzeitlichen Langhauses, eher Messehalle mit ausgeklügelter Dach- und Stützkonstruktion als schlichter Bungalow: „Das war viel größer als ein Wohnhaus heute.“ Schließlich mussten zwischen massiven Holzpfosten, Flechtwerk und Lehmwänden sowohl die Familie als auch „Werkstätten“, Vorräte, Kultgegenstände und das liebe Vieh untergebracht werden.

Mit Verkehrskegeln und Kindern als „lebenden Pfeilern“ misst der emeritierte Frankfurter Professor ein solches Domizil auf dem Fußballplatz ab: 35 Meter bis 45 Meter lang, bis zu acht Meter breit. Für die frühen Häuslebauer war so eine Siedlungsgründung wohl ebenfalls eine kultische Handlung. Geschlafen und von den ersten Schwanfeldern geträumt wird hernach allerdings im Museum, gefrühstückt im Bürgerzentrum. Kinder buchstäblich als Teil der Geschichte: Näher kann man der nächsten Generation die Vergangenheit nicht bringen.

 
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