
Seit 25 Jahren gibt es nun schon die "Klinik am Steigerwald" am Waldrand oberhalb von Gerolzhofen. Im Herbst 1996 öffnete das private Krankenhaus in der umgebauten ehemaligen Kugelfischer-Erholungseinrichtung "Waldesruh". Chefarzt Dr. Christian Schmincke hatte zuvor gemeinsam mit seinem vor zwei Jahren verstorbenen Bruder, Dr. Friedrich Schmincke, und mit weiteren Personen die leerstehenden Gebäude gekauft. In dem zurückliegenden Vierteljahrhundert wurde eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte geschrieben.
Ziel des von vielen anfangs durchaus skeptisch beäugten Projekts war es, denjenigen Patienten, die keine oder nur eine unzureichende Hilfe aus der Schulmedizin erhalten hatten und eigentlich als austherapiert galten, ein alternatives medizinisches Behandlungsangebot mit den Möglichkeiten der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und weiteren biologischen Heilverfahren zu machen.
Biochemiker und Mediziner
Christian Schmincke stammt aus Detmold und studierte Chemie, Biochemie und Medizin in Göttingen, Tübingen und München. Als Diplom-Biochemiker arbeitete er von 1971 bis 1977 als Wissenschaftler zunächst am Max-Planck Institut in Tübingen. Im Jahr 1980 folgte die Approbation als Arzt. Von Anfang an galt sein Interesse auch der chinesischen Medizin. Als Naturwissenschaftler war er es gewohnt, mit genau beschreibbaren Phänomenen umzugehen. Während die Schulmedizin in erster Linie auf gute Akutmedizin beschränkt sei, fehle es an genauen Modellen für chronische Erkrankungen. "In der genauen Systematik der chinesischen Medizin sehe ich große Chancen, auch chronisch kranken Menschen an der Wurzel ihrer Krankheit zu helfen und nicht nur die Symptome zu kurieren", sagte er einmal in einem Gespräch mit der Main-Post.

Seit dem Jahr 1976 bildete sich Schmincke deshalb bereits parallel in chinesischer Medizin fort, machte Ausbildungen bei der DÄGfA (Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur) und der SMS (Societas Medicinae Sinensis), absolvierte zusätzlich eine Ausbildung in Psychotonik, einer Atem- und Bewegungstherapie, die sich an den für die chinesische Medizin wichtigen Körperlinien, den Meridianen, orientiert. Von 1984 bis 1996 arbeitete Schmincke schließlich als niedergelassener Arzt in Tübingen mit einer Praxis für chinesische Medizin.

Die Wahl fiel auf die "Waldesruh"
Und schließlich reifte bei den Brüdern Schmincke der Entschluss, eine Privatklinik mit dem Schwerpunkt TCM zu gründen. Als Standort wählte man die alte "Waldesruh" oberhalb von Gerolzhofen – ein Haus, das schon immer der Ruhe, Entspannung und der (inneren) Einkehr diente. Bauherr des ursprünglichen Gebäudes war der Gerolzhöfer Architekt Johann Bachmann. Auf die Idee, eine "Klausenstation" zu bauen, brachten ihn seine Freunde, denn die vermissten eine Einkehrmöglichkeit in der Nähe des Murleinsnests. Im Jahr 1923 reichte Bachmann die Baugenehmigung ein, im Mai 1924 war der Fachwerkbau mit Schenke bereits fertig. Im Jahr 1942 verkaufte die Familie Bachmann die "Waldesruh" dann an die Schweinfurter Firma Kugelfischer, die das Haus fortan als Erholungsheim für ihre aktiven Mitarbeiter und Werksrentner nutzte.
Ungenutzt am Waldrand
Nach dem Krieg wurde die "Waldesruh" als Jugendheim mit Jugendzeltplatz genutzt. Zwei Jahre später erhielt die Firma Kugelfischer den Besitz zurück. Verwaltet wurde das Haus von da an vom Gerolzhöfer August Sabisch, der ab 1951 einen Wirtschafts- und Tagesbetrieb unterhielt. 1964 übernahm Alfons Sabisch die Verwaltung von seinem Vater. Im Jahr 1992 ging dann eine Ära zu Ende: Alfons Sabisch ging in den Ruhestand. Seine kurze Nachfolge trat das Ehepaar Metzger an, das die Waldesruh bis zu ihrer Schließung 1993 führte. Danach standen die Gebäude bis 1995 ungenutzt am Waldrand, bis das Team um Christian Schmincke der Anlage neues Leben einhauchte.
Schwieriger Beginn
Der Anfang oben auf der ehemaligen "Waldesruh" war für Schmincke nicht leicht. In der Bevölkerung gab es deutliche Vorbehalte gegenüber den "Chinesen". Es gab hartnäckige Gerüchte, wonach es seltsame Sektenmitglieder seien, die sich hier in einer alternativen Lebensgemeinschaft ansiedeln wollten. Auch angebliche Verbindungen zum "Universellen Leben" aus dem Raum Würzburg wurden konstruiert. Nichts davon stimmte.

Im September 1996, als die TCM-Klinik öffnete, kamen gerade mal zehn Patienten zur stationären Behandlung. Einem breiten Publikum bekannt wurde die "Klinik am Steigerwald" erst vor allem durch mehrere Fernsehauftritte des Klinikchefs in der nachmittäglichen ARD-Talkshow des evangelischen Pfarrers Jürgen Fliege oder in der Frankenschau des Bayerischen Fernsehens. Danach häuften sich die Anfragen von Patienten.
Inzwischen Tausende Patienten
Mittlerweile wurden in der Klinik am Steigerwald 9920 Patienten stationär und über 15 000 ambulant behandelt. Heute hat das naturheilkundlich ausgerichtete Krankenhaus ein Einzugsgebiet aus ganz Deutschland mit internationaler Ausstrahlung. Das Haus wird aufgesucht von Patienten fast aller medizinischen Fächer, nicht selten von Patienten mit mehr als sieben unterschiedlichen Diagnosen. Schon relativ früh machte die Klinik durch ihre Erfolge in der Behandlung der Polyneuropathie auf sich aufmerksam, eine Erkrankung, die schulmedizinisch nachhaltig kaum therapierbar ist und meist mit Taubheit und Schmerzen in den Füßen beginnt.

"Auch chronisch entzündliche Krankheiten, wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, können mit den fünf Säulen der chinesischen Medizin wirksam behandelt werden", sagt die Heilpraktikerin Bettina Meinnert, die in der Klinik auch für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Gleiches gelte für Migräne, Kopfschmerzen, Rückenprobleme und Gelenkschmerzen. "Interessanterweise sprechen auch Patienten mit Ängsten und Panikattacken, Chronischer Müdigkeit, Burn-out und Fibromyalgie auf die chinesische Medizin gut an."

Meist ein langer Leidensweg
Im Schnitt sind die Patienten der Klinik schon seit mindestens fünf Jahre vorerkrankt und haben verschiedene schulmedizinische und alternative Therapien hinter sich, meist auch Krankenhausaufenthalte, ehe sie in den Steigerwald kommen. "Vor diesem Hintergrund ist die Besserungsrate von rund 70 Prozent ein beachtenswerter Erfolg", betont Meinnert. Viele Patienten würden die Klinik mit dem Gefühl einer "Wende mit Ausblick" verlassen.

Ein wichtiger Faktor der chinesischen Therapie ist Zeit und Genauigkeit. Die intensive Puls- und Zungendiagnose, die ausführlichen Gespräche über die Krankheitsentwicklung und die derzeitigen Symptome ermöglichen erst eine maßgeschneiderte Therapie. Dies funktioniert nur im engen Dialog mit dem Patienten. Das braucht Zeit und viel Personal. Für 35 Patienten stehen acht Ärztinnen und Ärzte, sieben Körpertherapeuten und 14 Pflege-Fachkräfte bereit. Natürlich greifen die Ärzte auf die Bild- und Laborbefunde anderer Häuser zurück, und falls nicht vorhanden, werden externe Fachärzte damit beauftragt.
Und die kommenden 25 Jahre?
Wie wird es weiter gehen mit der Klinik am Steigerwald? Der Wunsch ist Kontinuität. Oberarzt Dr. Paul Schmincke arbeitet derzeit zusammen mit seinem Vater und Klinikgründer, Christian Schmincke, an der Spitze des Hauses. Ein neues Ärzteteam wird gerade aufgebaut, was von der langjährigen Erfahrung der Schminckes profitieren wird. "Ein großer Wunsch ist es, in den kommenden Jahren das ambulante Angebot vergrößern zu können, um hier die langen Wartezeiten zu verändern", sagt Pressesprecherin Bettina Meinnert. Und: "Die Verbundenheit mit Gerolzhofen und dem Landkreis Schweinfurt ist für Mitarbeiter und Patienten unverändert von großer Bedeutung."

Jubiläumsprogramm zum 25-Jährigen
Ein Vierteljahrhundert Klinik am Steigerwald: Gerne würde man das Jubiläum groß feiern, was wegen Corona aber nicht möglich ist. Insofern gibt es an diesem Donnerstag eine interne Feier für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und für die Öffentlichkeit wurde ein Veranstaltungsprogramm mit 25 Vorträgen für jeweils 25 Personen auf die Beine gestellt.
Dieses Jubiläumsprogramm ist zu finden im Internet unter www.tcmklinik.de