
Sirenen heulen, Bomben fallen, Explosionen krachen. Jäh bricht die Aufzeichnung ab. Es wird totenstill beim „Triggern“ im Erdgeschoss des Bunkermuseums im Schweinfurter Stadtteil Oberndorf, kurz vor 23 Uhr. Gespannt spähen die Geistersucher auf den Laptop oder lauschen in Kopfhörer. Micha Böhm, „Lead Investigator“ des „Ghosthunter Explorer Teams“ (G.E.T) vom Bodensee, spricht in die Dunkelheit. Die Geräusche aus dem Luftkrieg, als sich im Hochbunker die Menschen drängten, sollen verborgene Emotionen wecken.
Die Ermittler rufen das Dasein in einer brennenden Trümmerstadt in Erinnerung und bitten um Kommunikation. „Wenn noch jemand außer uns da ist, zeig dich uns bitte“, sagt Micha freundlich ins Schwarze hinein. Zeitgleich versucht er mit der Kamera, Schemen einzufangen. Die Hobbyforscher, zu denen auch das hessische Duo „Lost Voices“ gehört, erklären, warum sie hier sind: Sie wollen im eiskalten Bunker nach Paranormalem suchen.
Der Sensor schlägt tatsächlich an
Tatsächlich, das Paraskop auf dem Gangboden schlägt an: Ein 360 Grad-Sensor, der elektrostatische Felder anzeigen soll. Der kleine „Spuk-Bewegungsmelder“ leuchtet ringförmig in sanftem Rot und Grün auf, als würde etwas (oder jemand) Unstoffliches durch den Gang wandern. Selbst als das Licht angeschaltet wird, gibt es ein Nachglühen.
Wabert zwischen Schaupuppen und Vitrinen einfach nur Elektrosmog? „Wir stellen unsere elektrischen Geräte so ein, dass sie das Paraskop nicht stören“, sagt Böhm. Außerdem müsste es dann ständig leuchten. Das Handy des Reporters? „Im Bunker gibt es keinen Empfang“, sagt Bunker-Besitzer Nils Brennecke, der das Geschehen durchaus skeptisch verfolgt. Sein Bunkermuseum wurde auf mehreren Stockwerken verkabelt, bis unters Dach mit Infrarot- und UV-Kameras oder Mikrofonen bestückt. In einem Raum würden unzählige Laserpunkte noch das feinste Huschen erfassen.
Geisterjäger legen viel Wert auf Netiquette
Studentinnen der Medienhochschule Stuttgart haben schon am Nachmittag die Geistersuche auf Kamera gebannt. Los ging es mit einem „Guten Abend“ auf einer abgelegten Schreibtafel: In der Szene wird Netiquette zwischen Mensch und Wesenheit groß geschrieben.
Es muss nicht der Bunker-Geist gewesen sein, der über den Sensor geschwirrt ist. Manche Orte speichern Erinnerungen, glaubt Geisterjägerin Peps, die als EVP-Analyzerin „Tonbandstimmen“ sammelt: Emotionen, die sich mitunter entladen, erklärt sie. Die Geisterjäger wollen lieber nur mit Vornamen genannt werden, so ist es in der Szene üblich. Blutdurstig war die „Erscheinung“ im Bunker jedenfalls nicht: „Ich habe den Geruch von Kaffee wahrgenommen, ganz deutlich“, sagt Sonja, eines von fünf G.E.T-Mitgliedern. Die Gruppe versucht seit 2011 Unerklärlichem rational auf den Grund zu gehen, ohne Dämonenglaube und John Sinclair-Hokuspokus. Allein die Technik kostet an die 10 000 Euro.
Schon bei Daniela Katzenberger Phänomenen nachgespürt
Ein neben einem Pendel aufgestelltes Hexenbrett (zum „Gläserrücken“ für Fortgeschrittene) dürfte mehr ein Insidergag sein. Die Hobbygeisterjäger sind im Berufsleben Handwerker, Krankenschwester oder Kindergärtner. Das G.E.T hat schon bei Daniela Katzenberger gruseligen Phänomen nachgespürt, ebenso in alten Schlössern, von Irland bis Italien. Man trifft sich auf Conventions und Messen, der letzte Schrei sind Geräte, die aus Bewegungen eine Art digitales Strichmännchen zeichnen. Der kostenfreie Kontakt nach Schweinfurt kam durch die ebenfalls eng vernetzte Bunkerszene zustande.
Zuletzt war die Gruppe im Westwallmuseum von Bad Bergzabern aktiv: Im dortigen Bunker habe man unter anderem eine Stimme aufgenommen, die „Gute Nacht“ gewünscht habe. Nachtruhe haben die Geisterjäger aber wenig, wenn dumpfe Schritte durch leere Räume hallen, es im Ohr wispert oder sie sich durch eine Präsenz angefasst fühlen. Manchmal hätte man schon gerne einen Ghostbuster-Staubsauger, scherzt einer der Besucher.
Die meisten sind durch ungewöhnliche Erfahrungen zum Hobby gekommen. Erik etwa hat als Kind eine unbekannte Frau neben seinem Bett gesehen: eine Vorbewohnerin, die im Haus gestorben war? In manchen Youtube-Videos des Teams geht es jedenfalls hoch her. Am Thema selbst scheiden sich naturgemäß die Geister. „In England wird keiner schief angeschaut, wenn er von seinem Schlossgeist erzählt“, heißt es.
Zwei Wochen, dann ist die Auswertung fertig
Zwei Wochen könnte nun die Auswertung der Aufzeichnungen dauern. „Es spukt nur leicht“, nimmt der tolerante Museumsleiter als Zwischenergebnis mit. Wer an Übersinnliches glauben möchte, fände auch in Oberndorf Stoff. Zumindest ein Mensch soll laut Internet umgekommen sein, als er den Bunker nach einem Luftangriff verlassen hat. Und ja, ganz in der Nähe, in der schwer zerbombten Ernst Sachs-Straße, stand mal eine Kaffeerösterei, auf einem alten Foto der 30er-Jahre. Aber nach acht Stunden Geistersuche gelüstet es wohl vielen nach einer Tasse Kaffee: am besten schwarz.