
Bei der Herstellung ihrer Schleifscheiben erzeugt die Firma St. Gobain Abrasives in der Dr.-Georg-Schäfer-Straße viel Abwärme. Doch die verpufft nicht ungenutzt in der Atmosphäre, sondern geht an das Versorgungsunternehmen Unterfränkische Überlandzentrale (ÜZ) Lülsfeld. Die beheizt mit der Energie ihren Nahwärmeverbund Gerolzhofen-Nord.
Ein Industriebetrieb und ein Versorger arbeiten also zusammen, um Energie sinnvoll zu nutzen. Ganz klar, dass das grünen Politikern gefällt. Auf ihrer Energietour 2014 besuchten die beiden Landtagsabgeordneten Kerstin Celina aus Kürnach (Fraktionssprecherin für Arbeitsmarkt und Soziales) und Martin Stümpfig aus Feuchtwangen (Fraktionssprecher für Energie und Klimaschutz) Gerolzhofen. Sie ließen sich das Projekt Nahwärme von Bernhard Bedenk, Berater für regenerative Energien bei der ÜZ, dem Mitplaner Thomas Vizl, und St.-Gobain-Werksleiter Oswald Rippstein vorstellen.
Nur bei absolutem gegenseitigen Vertrauen sei ein solches Projekt machbar, sagte Bedenk bei einer Besichtigung der neuen Übergabestation, über die die Abwärme aus dem Schleifscheibenwerk ins Netz der Nahversorgung kommt. Oswald Rippstein verwies darauf, dass die Abwärme schon seit 1982 genutzt wird, wenn auch zuerst nur in kleinerem Rahmen durch die Versorgung des über der Straße liegenden Schulzentrums Nord.
Im Werk werden Schleifscheiben für den deutschen, europäischen und Weltmarkt hergestellt. In den Öfen entsteht dabei eine Temperatur bis zu 1260 Grad. Und jede Menge Abwärme.
Nach 2009 ist die ÜZ eingestiegen und hat über den Abnehmer Schulzentrum hinaus die Leitungen für einen Nahwärmeverbund gelegt, die bis zu 730 Meter weg von der Übergabestation führen, erläuterte Bedenk. Durch diese kurze Entfernung beträgt der Energieverlust nur 15 bis 16 Prozent. Dazu hat die ÜZ neue Abnehmer wie die Evangelische Kirche, die Seniorenresidenz, das Feuerwehrhaus und den städtischen Bauhof akquiriert. Damit können 200 000 bis 250 000 Kilowattstunden mehr Abwärme im Jahr genutzt werden als bisher.
Die Überlandzentrale hat für den Verbund etwa 700 000 Euro investiert. Unter dem Dach der von der ÜZ gebauten Übergabestation steht außerdem noch ein Gaskessel für den Notfall und als zusätzliche Sicherung, etwa für einen Totalausfall, eine mobile Anlage mit Ölkessel, mit dem das Wasser in der Nahwärmeleitung erhitzt werden kann. Der Wärmepreis, den die Abnehmer zu zahlen haben, liegt knapp unter dem Gaspreis, informierte Bernhard Bedenk Fragesteller Martin Stümpfig.
Das Besondere an dem Projekt sei, so Thomas Vizl, dass hier nicht nur ein Industriebetrieb und ein Versorger, sondern auch Stadt, Kirche, Landkreis und Private bei einem Stück Energiewende zusammenarbeiten. Gerade deshalb hatten die Grünen Gerolzhofen als Station für ihre Tour ausgewählt.
Mit potenziellen weiteren Abnehmern wie der Sprachheilschule (Caritas) und der Polizeiinspektion (Freistaat) laufen Gespräche über einen Anschluss, so Bedenk. Wärmekapazität sei noch ausreichend vorhanden. „Respekt, solche Netze sind eine Investition in die Zukunft“, lobte Martin Stümpfig.
Auf Bernhard Bedenks Bemerkung, die Energiewende brauche etwas Zeit, sagte der Landtagsabgeordnete, auch bei den Grünen bestehe die Einsicht, dass man nicht auf einen Schlag Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke abschalten könne. Grundsätzlich müssten aber in der Energiepolitik Techniker, die etwas von der Materie verstehen, viel mehr zu sagen haben als Politiker, die die Details nicht kennen, forderte er.