Mir fällt's schwer genug, vor 70 Jahren war die Geburtsstunde unseres Krankenhauses.“ Bürgermeisterin Edeltraud Baumgartl hat, nach eigenen Worten, getan, was sie konnte, dennoch wird die Entbindungsstation im Marktkrankenhaus Werneck Ende März 2014 ihre Tore schließen. Einer der beiden Gynäkologen, die als Belegärzte Geburtshilfe leisteten, steigt aus Altersgründen aus. „Dr. Wolfgang Kellermann und seine Kollegin Dr. Jolanthe Hernas haben sich die Geburtshilfe geteilt, jeder hatte über 180 Tage im Jahr Bereitschaft“, erklärt Baumgartl mit Anerkennung für den geleisteten Einsatz. Kellermann arbeitet seit 1985 als Belegarzt, 1993 kam Hernas dazu.
„Ich habe mit allen Betroffenen gesprochen“, berichtet die Bürgermeisterin. Außerdem suche man bundesweit nach einem Gynäkologen für die Geburtshilfe. Aber „wir können keine Entbindungen machen, wenn keine Ärzte da sind“, bedauert Baumgartl.
Dabei ist die Entbindungsstation nicht nur gut ausgestattet, sondern auch sehr beliebt; 210 Geburten gab es 2012, erklärt Heinrich Keller, Vorstand des Kommunalunternehmens Marktkrankenhaus. Seit Anfang September werde die Stelle bundesweit ausgeschrieben, auch bei allen umliegenden Krankenhäusern habe man angefragt. „Die Pflegedienstleitungen werden verstärkt unser Anliegen beobachten.“ Das ist der einzige Hoffnungsschimmer, den Keller als Antwort bekommen hat. Auch für ihn ist die Schließung der Entbindungsstation eine „hochemotionale Entscheidung“. Schließlich kam er selbst hier auf die Welt, seine beiden Kinder und auch der Enkel.
Dr. Jolanthe Hernas will mit einer Stellungnahme warten, bis ihr Kollege Kellermann kommende Woche aus dem Urlaub zurückkommt. Nur so viel sagt sie: „Um zu zweit so lange Geburtshilfe zu machen, dazu braucht es eine große Leidenschaft.“
Neben den Ärzten werden die Schwangeren von Beleghebammen betreut. Astrid Wimmer-Reith ist eine von ihnen. „Seit 25 Jahren bin ich in diesem Haus“, berichtet sie. Auch ihre eigenen vier Kinder sind dort geboren, erzählt die Hebamme. Einerseits bedauert sie es sehr, dass die Entbindungsstation geschlossen werden muss, „es war halt sehr familiär“, andererseits aber hat sie jedes Verständnis für den scheidenden Arzt. „Zwei Ärzte, die an allem alleine hängen“ – sie weiß, was dies bedeutet: „Ich mache niemandem einen Vorwurf.“ Für die Hebamme geht die Arbeit in der Geburtsvor- und -nachbereitung weiter, nur die eigentliche Geburt fällt weg. Ihre Geburtsvorbereitungskurse macht sie schon seit drei Jahren nicht mehr im Krankenhaus, sondern im Pfarrsaal. Ohne die aktive Geburtshilfe sparen Hebammen auch mehrere tausend Euro im Jahr bei der Berufshaftpflichtversicherung.
Ganz anders sieht es bei den Kinderkrankenschwestern aus. Sie erwarten ihre Kündigungen. Fünfeinhalb Stellen fallen durch Schließung der Entbindungsstation weg, erklärt Keller. Das betrifft zehn Kinderschwestern, von denen viele schon um die 30 Jahre im Marktkrankenhaus angestellt sind, und zwei Drittel von ihnen sind über 50 Jahre alt, konkretisieren Barbara Kiefer-Pohli und Katrin Laubenstein. Die beiden Kinderkrankenschwestern sprechen nach eigenen Worten für alle Schwestern der Station. Sie wollen sich mit der Entscheidung nicht abfinden.
„Am 26. Juli informierte Kellermann Vorstand Keller darüber, dass er aufhören will, am 27. Juli sprach er mit den Hebammen und damit wussten auch wir Bescheid“, berichten sie. „Warum wird erst seit 2. September nach einem Gynäkologen gesucht?“, fragen sie.
Das Problem, dass nur zwei Ärzte für Geburtshilfe vor Ort sind, sei vom Personal spätestens seit 2004 immer wieder angesprochen worden. Es habe sich aber nichts getan. „Wir hatten super tolle, einfühlsame Ärzte auf der Entbindungsstation“, sagt Kiefer-Pohli. Allerdings hätten sie es versäumt, einen Nachfolger zu finden. Wie Laubenstein sagte, habe Kellermann 2000 eine neue Gynäkologin in seine Gemeinschaftspraxis aufgenommen. Diese aber führe keine Geburtshilfe und auch keine Operationen durch.
Am 10. August schrieben die beiden im Namen der Kinderschwestern, Schwestern, Pfleger und Hebammen der Stationen eins und zwei und des Kinderzimmers an die Verantwortlichen des Trägers einen Brief, in dem sie deutlich machen, dass sie ihren Job als Kinderkrankenschwestern nicht kampflos aufgeben wollen. „Wir haben steigende Geburtenraten. Die Familien sind zufrieden und kommen alle gerne wieder“, steht darin. Es folgt der Appell: „Wir können doch nicht kaputtgehen lassen, was wir über viele gemeinsame Jahre aufgebaut haben.“ Erst vor wenigen Jahren wurde die Station umgestaltet und auf den neuesten Stand gebracht, ein Familienzimmer eingerichtet. Die Kinderschwestern machen auch konkrete Vorschläge für die Suche nach einem Geburtshelfer: etwa die Unterstützung bei der teuren Haftpflichtversicherung oder einen Assistenzarzt für alle drei Stationen, den der Träger mitfinanziert.
Die Antwort auf diesen Brief sei ernüchternd gewesen. Am 20. August beschloss der Verwaltungsrat der Marktgemeinde, die Entbindungsstation zum 31. März 2014 zu schließen. Einen Tag später wurde den Kinderschwestern angekündigt, dass sie Ende September die Kündigungen bekommen. Was die Betroffenen als besonders schmerzlich empfinden, sei der Umstand, dass im kleinen, familiären Krankenhaus niemand gemeinsam nach Lösungen gesucht und mit ihnen gesprochen habe. Die Gespräche mit der Bürgermeisterin und der Europaabgeordneten Anja Weisgerber verliefen ergebnislos.
In den Krankenhäusern der Stadt Schweinfurt ist man auf die Schließung der Entbindungsstation in Werneck vorbereitet. Die leitende Hebamme im Josefskrankenhaus, Caroline Büttner, sagt: „Das können wir abfangen.“ Von den rund 800 Geburten dort fielen jährlich 120 bis 130 auf Angehörige der US Army. Wenn die Amerikaner 2014 komplett abgezogen seien, habe man Kapazitäten frei. Auch Edeltraud Schaar, leitende Hebamme im Leopoldinakrankenhaus, sieht „kein Problem“. Dort registriert man 1200 Geburten im Jahr.