Nach mehr als vier Jahren auf der Walz ist Bäckergesellin Katrin Baul nun seit gut einer Woche wieder zu Hause in Zeilitzheim. Während dieser langen Zeit ist sie weit herumgekommen, hat eine Menge gesehen und erlebt – und auch so manche Erfahrungen fürs Leben gesammelt.
Die ersten eineinhalb Jahre reiste die 29-Jährige alleine oder mit einem oder zwei begleitenden Wandergesellen oder Gesellin quer durch Deutschland. Wie es die Regeln vorschreiben, achtete sie dabei streng darauf, mindestens 50 Kilometer Abstand zu ihrem Heimatort zu halten. Laut diesen Regeln ist es auch verpönt, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Das heißt für Wandergesellen, sich entweder auf Schusters Rappen zu bewegen oder zu trampen.
Mit Kluft und Stenz
Dementsprechend nehmen sie auch nur das Nötigste mit auf die Walz. So packte auch Katrin in ihr Bündel, den so genannten Charlottenburger, nur einen Satz Arbeitskleidung, Wäsche zum Wechseln, einen Schlafsack sowie einige persönliche Gegenstände. Mit einem bunten Tuch wird dies alles zusammengehalten. Moderne Kommunikationsmittel wie Handy und Co. sind auf der Wanderschaft tabu. Neben der Kluft – das schwarz-weiß karierte Pepitamuster kennzeichnet die Bäckerin – gehört noch der Stenz, ein verdrehter Wanderstock zum kompletten Erscheinungsbild der Wandergesellin.
Während ihrer Reise durch Deutschland legte Katrin Baul auch immer wieder Stopps, die laut den Vorgaben aber nicht länger als drei Monate dauern dürfen, ein, um in einer Bäckerei zu arbeiten. Hier konnte sie dann Nützliches für ihren Beruf lernen und natürlich verdiente sie auch Geld, um ihre weitere Reise zu finanzieren. Recht nahe des Bannkreises fand sie in Frammersbach im Spessart ihre erste Arbeitstelle. Später arbeitete sie beispielsweise in Weil am Rhein, in Baden-Baden, in Marienberg im Erzgebirge und in Ansbach.
Deutschlands Schönheiten
Zwischen diesen Arbeitsaufenthalten blieb genügend Zeit, um Land und Leute kennenzulernen. Auf ihrer Reise habe sie gesehen, so die junge Zeilitzheimerin, wie schön, abwechslungsreich und vielseitig Deutschland ist. So denke sie gerne an das Bodenseegebiet, die Lüneburger Heide, die Insel Rügen, das Erzgebirge und das Spreewaldgebiet mit den sorbischen Einwohnern zurück. Große Städte habe sie gemieden und bei den vielen kleineren Städten habe sich auch alles wiederholt und war letztendlich nicht mehr sehr interessant, resümiert Katrin.
Mit dem verdienten Geld konnte es sich die Zeilitzheimerin schließlich leisten, für zweieinhalb Jahre fremde Länder zu besuchen, wobei sich die Geldausgabe auf das absolut Unvermeidliche beschränkte. Denn die Walz ist in der heutigen Zeit neben der Weiterbildung im Beruf (während dieser Zeit sorgt der Arbeitgeber für Essen und Unterkunft) eine einfache und preiswerte Art, die Welt kennenzulernen. So wird im Normalfall kein Geld für das Reisen und den Schlafplatz ausgegeben. Schlafmöglichkeiten stellten oft freundliche Menschen zur Verfügung, mit denen sie auf unterschiedliche Weise ins Gespräch kam, berichtet die junge Bäckerin. War dies nicht der Fall, so fand sich immer ein Plätzchen irgendwo unter einem notdürftigen Dach, einem Baum oder auch auf einer Wiese unter freiem Himmel mit Blick auf die Sterne. Unangenehm wurde dies nur bei Regen. Dann musste am nächsten Tag dringend für das Trocknen des Schlafsackes gesorgt werden.
Kontakt zur Familie
Angst habe sie während ihres großen Abenteuers nie gehabt, antwortet Katrin Baul auf diese Frage. Auch ihre Eltern Irmgard und Walter waren nicht allzu beunruhigt. Sie haben regelmäßig von ihrer Tochter gehört. So habe sie bei jedem Geburtstag im näheren Familienkreis angerufen, immer wieder E-Mails geschrieben und so manches Päckchen ging hin und her. Daneben haben sich Eltern und Tochter außerhalb des Bannkreises auch einige Mal getroffen.
Nach dem ersten langen Aufenthalt in Deutschland führte der Weg der jungen Zeilitzheimerin zusammen mit einer Schneidergesellin ins europäische Ausland. Zunächst ging es über die Schweiz und durch Italien bis nach Brindisi. Von dort steuerten sie auf einer Fähre Griechenland an und landeten auf dem Festland in Höhe der Insel Korfu. Nun ging es wieder über den Balkan Richtung Norden. Nicht die kürzeste Strecke nehmend durchquerten die beiden Wandergesellinnen dabei Albanien, Mazedonien, Bulgarien Rumänien, Ungarn und Österreich. Die Sprache stellte kein Problem dar, so Katrin. In den jeweiligen Landesprachen habe sie schnell die wichtigsten Wörter gelernt und durch Mimik und Gestik klappte die Verständigung dann ganz gut, falls man sich nicht auf Deutsch oder Englisch unterhalten konnte.
Arbeiten am Fjord
Begeistert zeigt sich die Bäckergesellin von Norwegen, das sie über Dänemark ansteuerte. Mehrere Wochen lebte sie hier auf einer einsamen, der Küste vor gelagerten Insel. Im Gegenzug für Unterkunft und Verpflegung stellte sie auf einem idyllisch gelegenen Bauernhof, mit Blick auf einen Fjord, ihre Arbeitskraft zur Verfügung.
Das letzte große Erlebnis war schließlich ein dreimonatiger Aufenthalt in Kanada mit seinen großartigen und dünn besiedelten Landschaften. Ab Toronto reisten Katrin und ein befreundeter Zimmerergeselle von Ost nach West durch das große Land. Dabei besuchten sie natürlich auch die Niagara-Fälle und durchquerten die Rocky Mountains. Als sehr nett, aufgeschlossen und gastfreundlich beschreibt Katrin die Einwohner dieses Landes, darunter auch viele Deutsche. Hier hätten sie immer private Unterkünfte gefunden, zumal wegen der wilden Tiere wie Wölfe und Bären eine Übernachtung im Freien nicht ratsam war. Von Vancouver aus ging es dann per Flugzeug wieder zurück nach Amsterdam und letztendlich ins heimatliche Zeilitzheim.
Auch Hunger gehörte dazu
Natürlich gab es auch weniger schöne Erlebnisse während der langen Walz. So lernte die Wandergesellin auch Hunger kennen, wenn bei den weiten Wanderungen durch dünn besiedeltes Land kein geöffneter Laden oder eine Gastwirtschaft zu finden waren. Auch negative Äußerungen von Menschen ließen bei Katrin einen schalen Beigeschmack zurück. Einige konnten diese Art des Reisens absolut nicht verstehen und keinen Sinn und Grund darin sehen.
Insgesamt zieht die Zeilitzheimerin allerdings eine positive Bilanz ihrer langen Reise und blickt begeistert auf die vergangenen vier Jahre zurück. Wie es jetzt in ihrem Berufs- und Privatleben weitergeht, weiß Katrin Baul noch nicht genau. Sie wartet nun einfach mal ab, was ihr angeboten wird. Es wird sich sicher bald was ergeben, zeigt sie sich optimistisch. Eventuell kommt auch der Besuch einer Meisterschule in Betracht.