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GEROLZHOFEN
Eine Altstadt von seltener Qualität
Norbert Finster
Norbert Finster
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:54 Uhr

Kirchen, Kirchlein und Kapellen, Türme und wehrhafte Stadtmauern, gepflasterte Straßen und verwinkelte Gassen. Dazu der Marktplatz mit dem mächtigen Steigerwalddom und stolzen Bürgerhäusern, teils in Fachwerk. Das alles ist Gerolzhofen. Der Einheimische geht oft achtlos vorbei an dem, was das Stadtbild an historischer Bausubstanz zu bieten hat. Nicht aber die Denkmalpflege.

Nach Einschätzung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in München ist Gerolzhofens Altstadt-Ensemble aus städtebaulicher und kunsthistorischer Sicht von überregionaler Bedeutung. In der Innenstadt sind gut 150 Baudenkmäler zu finden. Doch wie dieses Ensemble schützen, um es zu erhalten? Von Kriegen ist es fast immer verschont geblieben, doch nicht vor den Plänen dieses oder jenes Architekten und Hausbesitzers, die so manche Bausünde gezeitigt haben. Oder sind das gar keine Sünden, sondern nur der Tribut an den Fortschritt?

Ein solcher wäre zum Beispiel die Photovoltaik. Selbst die große Dachfläche der Stadtpfarrkirche wäre doch ein toller Platz für eine Solaranlage, meinen einige Stadträte ganz ungeniert. Das Landesamt für Denkmalpflege sieht das anders. Die Errichtung von Photovoltaikanlagen bedarf innerhalb von geschützten Ensembles und im Nahbereich von einzelnen Baudenkmälern grundsätzlich einer Erlaubnis nach Artikel 6 des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes. Darüber entscheidet die Untere Denkmalschutzbehörde, für Gerolzhofen also diejenige am Landratsamt Schweinfurt.

Die als Ensemble geschützte Altstadt zeichne sich unter anderem durch ihre einzigartige Dachlandschaft aus, sagt Dorothee Ott, Pressesprecherin am Landesamt, auf Anfrage dieser Zeitung. Diese Landschaft sei in Gerolzhofen bis auf wenige Bereiche geschlossen erhalten. „Solche sehr seltenen Qualitäten gilt es zu vermitteln: Das gebaute Erbe ist auch das Kapital, das die Stadt von anderen Kommunen abhebt.“

Gerade Sonderbauten wie Stadtpfarrkirche oder Alte Amtsvogtei waren mit Schiefer belegt. Das unkontrollierte Anbringen von Photovoltaikanlagen würde das Erscheinungsbild der überlieferten Dachlandschaft sehr beeinträchtigen, so die Denkmalpflege. Große Photovoltaik-Anlagen hingegen sollten ausschließlich auf Flächen installiert werden, die nicht vom öffentlichen Grund aus einsehbar sind, schlagen die Denkmalpfleger vor. Grundsätzlich habe die Untere Denkmalschutzbehörde hier eine Einzelfallentscheidung zu treffen.

Daher gebe es in Gerolzhofen auch einvernehmlich mit den Denkmalbehörden errichtete Photovoltaik-Anlagen, wie auf der rückwärtigen, nicht einsehbaren Dachfläche des Einzeldenkmals in der Ludwig-Derleth-Straße 4. In der Altstadt gibt es aber auch nicht genehmigte Anlagen. Um zukünftig eine einheitliche Regelung und eine größtmögliche Transparenz zu schaffen, sollte die Stadt die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen in einer Gestaltungssatzung regeln, rät das Amt. Darüber hinaus könnte auch ein Solarkataster erstellt werden, bei dem geeignete und nicht einsehbare Flächen kartiert und mit den Denkmalbehörden abgestimmt werden.

Auch über Photovoltaikanlagen hinaus widmet das Amt der Altstadt von Gerolzhofen wegen ihres qualitätvollen Baubestands besonderes Augenmerk. „Wir beraten intensiv die Kommunen und die Denkmaleigentümer“, sagt Dorothee Ott. Und dabei habe es schon nennenswerte Erfolge gegeben. Ott nennt hier die Sanierung der Alten Amtsvogtei mit Einbau von Seniorenwohnungen und besonders das Fachwerkhaus Teutsch, für dessen Sanierung die Besitzer den mit 25 000 Euro dotierten Preis der Unterfränkischen Kulturstiftung erhielten.

Trotzdem sagen viele, Denkmalschutz behindere die Entwicklung der Innenstadt. Für das Landesamt aber gibt es zahlreiche Argumente, das Zentrum nachhaltig zu schützen. Gerolzhofen habe im Mittelalter und in der frühen Neuzeit einen kontinuierlichen Aufschwung erlebt. Davon zeugen die beiden Stadtmauerringe aus dem 14. und 16. Jahrhundert, die teilweise erhalten sind. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt vor Zerstörungen bewahrt, so dass das Ensemble eines der bedeutendsten der Region blieb.

Oft steht Ensembleschutz gegen Einzelinteresse. Unterschiedliche Interessen muss auch die Genehmigungsbehörde, das Landratsamt, abwägen. Auflagen und Hinweise für die Erhaltung von Denkmälern sind möglich. Für Mehrkosten, die dem Eigentümer entstehen, sind Förderinstrumente wie Zuschüsse und erhöhte Abschreibung eingerichtet. Nach dem bayerischen Denkmalschutzgesetz ist als „ultima ratio“ sogar die Enteignung eines Besitzers möglich, wenn er den Aufgaben des Denkmalschutzes überhaupt nicht nachkommt. Davon wurde in Bayern aber noch nie Gebrauch gemacht, weiß Dorothee Ott.

Kirchendach als Solarfläche? Das wollen die Denkmalschutzbehörden nicht.
Foto: Norbert Finster | Kirchendach als Solarfläche? Das wollen die Denkmalschutzbehörden nicht.
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Foto: N. Finster | Amtsvogtei: Sie ist ein Modell fürs Miteinander von Denkmalpflege, Besitzer und Stadt.
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