Ups, was ist das für ein Häuschen? So wird es sicherlich vielen Zeitgenossen ergangen sein, die dieser Tage in Gerolzhofen mit dem Auto durch die Östliche Allee fuhren oder zu Fuß vorbeikamen: Zwischen dem Malerbetrieb Sperling und dem ehemaligen Baustoffhandel Mattmann ist plötzlich wieder das alte Gerolzhöfer Gemeinschaftskühlhaus aufgetaucht. Jahrzehntelang war das kleine Gebäude neben der Trafo-Station von der Natur regelrecht zugewuchert und kaum noch zu sehen. Jetzt haben Arbeiter den dichten Bewuchs im Umgriff des Häuschens entfernt – und es wieder sichtbar gemacht.
Das Gemeinschaftskühlhaus war damals ein ganz moderne Sache. Denn ehe es die ersten Kühlaggregate gab, hatte man Lebensmittel für einen längeren Zeitraum nur konservieren können, indem sie gepökelt, getrocknet, geräuchert oder eingekocht wurden. Die Möglichkeit, frisches Fleisch und Gemüse einzufrieren, war deshalb ein bedeutender Fortschritt. Insofern ist das alte Kühlhäuschen an der Allee fast so etwas wie ein Kulturdenkmal.
Im Eigentum der VR-Bank
Das ehemalige Kühlhaus befindet sich heute im Eigentum der VR-Bank Gerolzhofen. Doch was hat die Bank mit einer Gemeinschaftsgefrieranlage zu tun? Im Stadtarchiv gibt es seltsamerweise so gut wie keinen Beleg. Einzig ein einzelnes Blättchen aus dem Jahr 1965 hat sich erhalten: ein vorgefertigtes Formular, das der damalige Gerolzhöfer Bürgermeister Franz Kreppel an den Vorsitzenden der Tiefkühlgemeinschaft, 2. Bürgermeister Andreas Wächter, schickte. Darin weist Kreppel darauf hin, dass man in der Straße „Östliche Allee“ jetzt Hausnummern einführen werde. Die Kühlanlage bekam statt der bisherigen Nummer 191/6 die neue Hausnummer 13.
Museumsleiter Bertram Schulz kann allerdings weiterhelfen. Er hat beim Blättern durch alte Ausgaben des „Bote vom Steigerwald“ in der Ausgabe vom 25. Juli 1956 einen Bericht über die neue Kühltruhen-Anlage gefunden und ihn sich damals herauskopiert. Der Zeitungstext informiert darüber, dass sich 1956 eine Interessengemeinschaft gründete, die von der Stadt das Baugrundstück erwarb und dann das 9,80 auf 7,30 Meter große Kühlhaus errichtete. Seit Anfang Juli 1956 surrten die Kühlmaschinen.
Der ersten Vorstandschaft der Tiefkühlgemeinschaft gehörten Andreas Wächter als Vorsitzender sowie Alfons Geheeb, Hans Greß, Peter Herbig, Manfred Gernert und Maria Röder an. Die Finanzierung übernahm die örtliche Raiffeisenkasse.
Im Innern der zentralen Gefrieranlage standen in zwei Doppelreihen insgesamt 44 Truhen zur Verfügung, in denen eine Kühltemperatur von minus zehn bis 12 Grad gehalten wurde. Zusätzlich gab es im hinteren Bereich einen separaten Kühlraum, in dem geschlachtete Schweine oder auch Wild abhängen konnten.
Zahlreiche Gerolzhöfer Handwerksbetriebe arbeiteten auf der Baustelle. Die Maurerarbeiten leistete die Firma Leonhard Rosentritt, als Verputzer war Friedrich Lorenz Estenfelder im Einsatz, hinzu kamen die Glaserei Walter, die Schreinerei Hans Leopold und das Elektrogeschäft Fehlbaum. Die Verkleidung der Gefrierfächer mit hellblauen und schwarzen Fließen übernahmen die Firmen Georg Bördlein und Richard Leopold. Der Terrazzo-Fußboden wurde von der Firma Hans de Marco eingebaut. Die elektrisch betriebene Kühlanlage stammte von der Firma Brown, Boveri & Cie. Kältetechnik aus Mannheim. Das entsprechende Firmenlogo BBC ist an der Außenwand in den Putz eingearbeitet und heute noch zu sehen.
Man musste sich einkaufen
Fini Hillenbrand kann sich noch gut an die Tiefkühlanlage vor der Allee erinnern. „Der Bau wurde vom Staat gefördert“, sagt die Gerolzhöferin. „Es war damals ein großer Fortschritt für uns Hausfrauen.“ Man musste sich, wenn man eine Kühltruhe nutzen wollte, für einen gewissen Geldbetrag erst in die Gemeinschaft einkaufen. „Ich kann mich auch noch gut erinnern, dass es einen Kühlraum gab, wo wir nach dem Schlachten das halbierte Schwein erst mal auskühlen ließen.“
Robert Wächter, dessen Vater Andreas der erste Vorsitzende der Tiefkühlgemeinschaft war, weiß noch, dass vor dem Bau der Anlage sein Vater und weitere Interessierte erst Rundreisen unternahmen, um vergleichbare, schon bestehende Einrichtungen zu besichtigen. Die 44 einzelnen Truhen seien jeweils etwa so groß gewesen wie eine Tiefkühltruhe, die heute in den Haushalten üblich seien. „Da passte schon ziemlich viel rein.“
Die Tiefkühlgemeinschaft löste sich in den 70-er Jahren auf, als es in den privaten Haushalten immer mehr Kühlschränke und Tiefkühltruhen gab und es zu umständlich wurde, erst in die Östliche Allee gehen zu müssen, um sein Gefriergut nach Hause zu holen. Ein genauer Termin der Auflösung ist momentan nicht zu recherchieren. Weil praktisch alle Mitglieder der Gefriergemeinschaft damals auch Mitglieder bei Raiffeisen gewesen seien, sagt Robert Wächter, habe man beschlossen, die Gemeinschaft auch in die Raiffeisen-Genossenschaft aufgehen zu lassen. Und so kamen auch das Grundstück und das Gebäude zur heutigen VR-Bank.
Die VR-Bank nutze das Gebäude schon seit Jahrzehnten als einfachen Abstellraum, sagt Direktor Klaus Henneberger. Und so soll es auch bleiben. An eine Vermarktung des Gebäudes, dessen originale Inneneinrichtung mit den Gefriertruhen schon lange nicht mehr vorhanden ist, sei nicht gedacht. Man habe jetzt nur mal den Baumschnitt in Angriff genommen.
Es war ja auch Zeit dafür.