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Schweinfurt
Ein wichtiges Stück Erinnerungskultur: Buchveröffentlichung "Sie lebten mitten unter uns"
Die Autoren Johanna Bonengel und Hannes Helferich des Werkes 'Sie lebten mitten unter uns' bei der offiziellen Buchvorstellung in der Disharmonie an der Seite von Saxophonist Anton Mangold, der für den musikalischen Rahmen sorgte.
Foto: Steffen Krapf | Die Autoren Johanna Bonengel und Hannes Helferich des Werkes "Sie lebten mitten unter uns" bei der offiziellen Buchvorstellung in der Disharmonie an der Seite von Saxophonist Anton Mangold, der für den musikalischen ...
Steffen Krapf
 |  aktualisiert: 16.11.2024 02:35 Uhr

Das erste, was die Besucherinnen und Besucher in der Schweinfurter Disharmonie zu sehen bekamen, war ein großes Rollup, auf dem ein bekanntes Zitat des spanischen Philosophen George Santayana zu lesen war: "Wer die Vergangenheit vergisst, ist verdammt sie zu wiederholen." Auf die Fahnen geschrieben haben sich dieses Motto auch Johanna Bonengel und Hannes Helferich von der "Initiative gegen das Vergessen". Mit ihrem gemeinsames Buch "Sie lebten mitten unter uns", leisten die Autoren einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur.

Seit 1981 widmet sich die Arbeitsgemeinschaft in ehrenamtlicher Arbeit in verschiedenen Projekten der Aufarbeitung der Geschehnisse während der Zeit des Nationalsozialismus, mit Fokus auf die Stadt und Region Schweinfurt.

"Wir kämpfen gegen vertuschen, verdrängen, verharmlosen, vergessen", erklärt Johanna Bonengel zu Beginn der Buchlesung. "Und da gibt es momentan viel zu tun." Für ihr Buchprojekt recherchierten Bonengel und Helferich zum Schicksal von 75 Schweinfurter Jüdinnen und Juden während der NS-Zeit. Entstanden ist daraus ein biographisches Gedenkbuch und ein "Denkzeichen".

"Wir kämpfen gegen vertuschen, verdrängen, verharmlosen, vergessen."
Johanna Bonengel, Initiative gegen das Vergessen

Die Entwicklung der jüdischen Geschichte Schweinfurts war stets von großer Wechselhaftigkeit geprägt. Aus dem 15. Jahrhundert ist dokumentiert, dass es in der Stadt die Judengasse sowie eine Synagoge gab. "Die Jüdinnen und Juden waren ständig gefährdet, was man an mehreren Pogromen erkennen kann", schreiben Bonengel und Helferich in ihrem Buch. Für die Stadt spielten ihre jüdischen Bürgerinnen und Bürger für das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben eine bedeutende Rolle. Im Ersten Weltkrieg standen 113 Schweinfurter Juden für Deutschland auf dem Schlachtfeld. "Jüdinnen und Juden waren ein selbstverständlicher Teil des bürgerlichen Lebens geworden", erklärt Bonengel. "Sie lebten nicht 'bei uns', sondern 'mitten unter uns'."

1933, im Jahr der Machtergreifung der NSDAP, lebten 363 jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen in Schweinfurt. Ihre Lebensgeschichten waren völlig unterschiedlich, nur eines hat sie verbunden, erklärt Bonengel: "Sie waren Juden und mussten dafür mit dem Leben bezahlen." Ab Oktober 1941 begann die systematische Deportation von Jüdinnen und Juden. Aus dem damaligen "Gau Mainfranken" wurden zwischen November 1941 und dem Frühjahr 1943 sogenannte Abwanderungstransporte mit 2063 Menschen aus Unterfranken durchgeführt. In den Deportationen drei bis fünf waren jüdische Menschen aus Stadt und Landkreis Schweinfurt dabei. Zuvor waren diese meist schon zwangsweise in den von den Nazis genannten "Judenhäusern" in der Rückertstraße in der Schweinfurter Innenstadt untergebracht.

Die Schicksale von 75 von den Nazis deportierten Schweinfurter Jüdinnen und Juden zeichneten Bonengel und Helferich für ihr Buch nach. Überlebt hatte die Verschleppung in die Konzentrations- und Vernichtungslager keiner von ihnen. Die Erzählungen schildern eindringlich die Verbrechen an den Juden und Jüdinnen in der Stadt. "Die Menschen auf der Straße gafften, sie jubelten, johlten, klatschten Beifall, andere haben schweigend oder gleichgültig hingenommen, was geschah", beschreibt Helferich die Reaktionen der Schweinfurter während der Reichsprogromnacht 1938. "Auch heute, nach mehr als achtzig Jahren, überläuft es uns kalt, wenn wir an die Opfer denken", sagt Bonengel. "Ziel unserer Arbeit ist es, die ausgelöschten, vergessenen und verdrängten Namen und Biographien der Opfer in das kollektive Gedächtnis der Menschen Schweinfurts zurückzuholen."

 
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