Wer Deutschlands stärkster Mann werden will, muss viel trainieren. Und leidensfähig sein. Sehr leidensfähig. Sebastian Kraus aus Holzhausen ist erst 26 Jahre alt, aber in Sachen Kraftsport ein alter Hase. Seit rund zehn Jahren trainiert er professionell und ist ein Bär von einem Mann: 160 Kilo verteilt auf über 1,90 Meter Körpergröße. Im Sommer wurde er bei der deutschen Meisterschaft Dritter. Und will mehr. Er will Deutschlands stärkster Mann werden.
Als Otto Normaldeutscher, der gerne lieber auf der Couch einen Film schaut als Sport machen zu gehen, kann man nur staunen, welche Kraft Sebastian Kraus und seine Kollegen haben. Der deutsche Strongman-Wettbewerb umfasst sieben Disziplinen, vom Giant Log über Lkw-Ziehen, Wheel-Flip bis zu Thor's Hammer oder dem Tragen von zwei jeweils 130 Kilo schweren Stahlkoffern. Beim Zuschauen wird einem schon schwindelig, wenn man die Gewichte weiß, noch mehr.
Beim Giant Log geht es zum Beispiel darum, einen mit Hantelscheiben beschwerten Baumstamm mit speziellen Haltegriffen wie beim Gewichtheben zur Hochstrecke zu bringen. Sebastian Kraus schaffte da 160 Kilo und ärgerte sich, weil er im Training im Keller des heimischen Elternhauses vor der Meisterschaft deutlich mehr gestemmt hatte.
Als wäre der Laster ein Spielzeug
Ebenfalls Staunen beim Laien lösen die Bilder aus, auf denen Sebastian Kraus einen 10-Tonnen-Lastwagen auf einer 20 Meter langen Strecke hinter sich herzieht, als würde er das täglich zum Frühstück machen. Er brauchte bei der deutschen Meisterschaft, die im Sommer in Bad Tölz ausgetragen wurde, für diese Teildisziplin 23,12 Sekunden, war damit Drittbester. Beim so genannten Wheel Flip, dem Hochheben und Stürzen eines 370 Kilogramm schweren Lastwagen-Rades, über eine 20 Meter lange Strecke auf Zeit, war Kraus sogar Zweitbester.
Am Ende der sieben Disziplinen umfassenden deutschen Meisterschaft holte Sebastian Kraus den dritten Platz, nur knapp geschlagen hinter Denis Kohlruss und dem alten und neuen deutschen Meister Raffael Gordzielik. Dafür gab's wieder einen glänzenden Pokal, der die stattliche Sammlung im elterlichen Wohnzimmer ergänzt. Und die Erkenntnis, dass es bis an Deutschlands Spitze nicht mehr weit ist. „Mein größter Ehrgeiz ist, dass ich wissen will, was ich aus meinem Körper noch herauskitzeln kann“, erzählt Kraus.
Alles für den Strongman
Dass Kraus auf so hohem Niveau mithalten kann, ist vor allem seiner ungeheuren Disziplin und Zielstrebigkeit zu verdanken. Strongman-Sport ist Amateur-Sport, die Athleten finanzieren sich selbst. Die meisten müssen nebenher arbeiten. Sebastian Kraus ist Industriemechaniker-Meister, arbeitet bei ZF in Schweinfurt im Dreischichtbetrieb und ist dennoch fünf Mal die Woche mindestens drei Stunden am Trainieren – im selbst eingerichteten Studie im Keller des Elternhauses oder in einem Studio in Walldürn bei einem befreundeten Strongman-Sportler.
Als Jugendlicher begann sich Kraus für den Kraftsport zu interessieren. Fußball war nicht sein Sport, aber irgendwann kam er über seinen Vater zum Armdrücken. Er war talentiert, trainierte seinen Bizeps und „mit 16 war ich in der Region nicht zu schlagen“, erinnert sich Kraus. Er begann systematisch zu trainieren und als er im Fernsehen den fünffachen World Strongest Man Marius Pudzianowski aus Polen sah, wollte er seinem Idol nacheifern. Gerade in Osteuropa sind Strongman-Wettbewerbe populär, weswegen Kraus auch gerne dort an den Start geht. Als er sein Idol kürzlich traf, gab's natürlich ein gemeinsames Bild, und eine Menge Tipps.
Erster Strongman-Wettbewerb mit 18 Jahren
Im August 2010, einen Tag nach seinem 18. Geburtstag, hatte Kraus seinen ersten Strongman-Wettbewerb. Er wurde 17. Danach machte er eine längere Wettbewerbspause, „in der ich trainiert habe wie ein Büffel. Den Willen hatte ich schon immer, aber ich habe Zeit gebraucht, um Kraft in den Beinen und im Rücken aufzubauen“, erzählt er. Es lohnte sich. Ein guter Freund animierte ihn, sich wieder Wettbewerben zu stellen und das tut er seit 2015 – mit stetige größerem Erfolg. Zuletzt war er zwei Mal Dritter bei der deutschen Meisterschaft „und die Experten sagen, der Titel ist nur eine Frage der Zeit.“
Dass er auch nächstes Jahr, wenn er bis dahin verletzungsfrei bleibt, am deutschen Strongman-Wettbewerb teilnimmt, ist beschlossene Sache. Vielleicht gibt's dann ja den Siegerpokal fürs elterliche Wohnzimmer.