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SCHWEINFURT
Ein Stück Syrien – mitten in Unterfranken
Ausgelassen wurde beim Interkulturellen Fest miteinander getanzt, durchaus völkerverbindend.
Foto: Ursula Lux | Ausgelassen wurde beim Interkulturellen Fest miteinander getanzt, durchaus völkerverbindend.
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:10 Uhr

„Wir wollten den Syrern eine Plattform bieten, ihre Kultur vorzustellen.“ Und das ist Erika Ketschik und dem Integrationsbeirat der Stadt Schweinfurt mit dem Kulturfest gelungen. Auch wenn es am Anfang ein bisschen so aussah, als blieben die Migranten unter sich, im Laufe des Nachmittags kamen doch immer mehr Deutsche dazu.

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„Syrien war ein modernes Land“

Und die kennen Syrien nur aus den Medien und hätten „manchmal die Vorstellung, wir lebten noch im letzten Jahrhundert“, sagt Mohamad Ali Ahmad. Aber Syrien sei ein modernes Land gewesen. Das zeigte der 27-Jährige, der aus Aleppo geflohen ist, dann auch gleich zum Auftakt der Veranstaltung in seiner eigenen Präsentation. „Keine Wüste und keine Kamele“, sondern vielmehr Gebirge und Mittelmeerküste. Moderne, lebendige Städte, das beweist später auch ein Film über das Syrien vor 2011, vor dem Ausbruch der Gewalt also.

Der Ansturm war groß, die Schar der Gastgeber glücklich

Um die 400 Gäste waren immer vor Ort, die längsten Schlangen bildeten sich vor den orientalischen Köstlichkeiten. Das bereitete den Helfern so einige Probleme. Schon nach zwei Stunden gingen die Getränke zu Neige und mussten nachgeordert werden: „Wir haben nur noch Wasser.“ „Bei der Vorbereitung gestern saßen wir mit 50 Mann hier im Jugendhaus – Künstler, Musiker, Helfer“, berichtet Ketschik.

Jamal Eddin Ahmad beispielsweise meldete sich gleich als Henna-Maler an. „Ich dachte, das machen nur Frauen“, meinte Ketschik, aber nein, Ahmad hat in Syrien als Frisör gearbeitet und da gehöre die Hennamalerei anscheinend dazu. Der syrische Bäcker hat am Vortag des Festes von 9 bis 23 Uhr die typischen Süßigkeiten gebacken, keiner konnte ihm helfen, denn Baklava, Harisa und Co, das kann nur er richtig.

Langsam verändern sich die Beziehungen

„Ich bin überwältigt, das ist der Hammer“, erklärt Thomas Baumeister. Der Polizist hat schon viele Gespräche geführt. „Die freuen sich, dass wir da sind.“ Das war nicht von Anfang an so, erinnert er sich. Am Anfang sei die Polizei im Aufnahmelager durchaus kritisch beäugt worden, das aber habe sich im direkten Kontakt schnell geändert. Die Syrer hätten begriffen, dass sich in einem Rechtsstaat auch die Polizei an Recht und Ordnung halten muss.

Von denen, die in der Erstaufnahme arbeiten oder ehrenamtlich mit den Flüchtlingen zu tun haben, waren die meisten da. Heike Gröner vom evangelischen Frauenbund beispielsweise trifft „viele Bekannte, die schon bei uns waren“. Der Frauenkreis bietet Sprachunterricht und auch ein Kunstprojekt an.

Brian Barber arbeitet bei der Security in der Erstaufnahme, er findet das Fest gut, „um die Syrer besser zu verstehen“, und vertraut darauf, dass hier auch Freundschaften geschlossen werden. Petra Holzhaus arbeitet in der Essenausgabe, viele Flüchtlinge seien gekommen und hätten ihr, „der Mutter“, die Flyer vom Fest in die Hand gedrückt und sie persönlich eingeladen, erzählt sie. „Lauter nette Menschen, die man hier trifft“, meint ihr Mann Uwe.

Wie sich Claudia Roth in die Herzen der Menschen redet

Die Stimmung ist unglaublich, im Jugendhaus wird musiziert und getanzt und keiner kann sich den Rhythmen entziehen. Georges Shakour, ein syrischer Christ, trägt seine Gedichte vor. „Das ist hocharabisch, wie ein Lied“, erklärt ein Flüchtling, „das verstehen auch nicht alle Syrer.“

Saleh Nemr präsentiert einige seiner Skulpturen. Eine hat er bereits der Friedens-Mittelschule geschenkt. Dann kommt die grüne Vizepräsidentin des Bundestages Claudia Roth und schafft es, sich mit wenigen Worten in die Herzen der Syrer zu reden. Sie erzählt von Aleppo, einer der schönsten Städte der Welt, und von Festen mit kurdischen Freunden. „Ich bin wütend über die Gewalt“, sagt sie und die Begeisterung der Anwesenden schlägt ihr entgegen.

Musik grenzenlos

Joussef Abdi hat über die Flüchtlingsunterkunft in Gerolzhofen internationale Musiker kennengelernt und mit ihnen eine eigene Gruppe „Musik grenzenlos“ zusammengestellt. Er hat sehr klare Vorstellungen davon, wie Integration gelingen kann: Erst einmal müssten die Syrer Deutsch lernen, was er übrigens schon sehr gut kann. „Und dann müssen sie alles vergessen, was sie Falsches über das Leben gelernt haben“ erklärt er. Sie müssten lernen, Gesetze einzuhalten, einen übertriebenen Stolz abzulegen und auch so einfache Dinge wie zum Beispiel, dass der Abfall in und nicht neben den Müllcontainer gehört.

Auf das Verhältnis zwischen Männern und Frauen angesprochen, winkt er ab. Das sei ein „Spiel mit Worten“. Natürlich gebe es in Syrien Fundamentalisten, die ihre Frauen wegsperren, aber in Deutschland gebe es ja auch Rechtsextreme, meint er. Der einzige wahre Unterschied, erklärt er, sei, dass Frauen in Syrien vor der Heirat keinen Umgang mit fremden Männern haben dürften, das aber sei kulturell und nicht religiös bedingt. Und er erklärt. „Bei uns bekommen Männer und Frauen für dieselbe Arbeit auch den gleichen Lohn.“

Und dann geschieht das Unglaubliche

Und dann geschieht, unbemerkt von den meisten Deutschen, noch etwas ganz Wesentliches. Abdi registriert es sofort: „Araber und Kurden tanzen miteinander.“ In Syrien werde von der Regierung der Hass der beiden Volksgruppen gegeneinander geschürt, erzählt er und hofft: „Hier können sie Freunde werden.“

Der Henna-Maler hatte an diesem Kulturfest genug zu tun.
Foto: Ursula Lux | Der Henna-Maler hatte an diesem Kulturfest genug zu tun.
Schön geschmückt – mit Henna.
Foto: Ursula Lux | Schön geschmückt – mit Henna.
 
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