
Beim vergangenen Schüleraustausch in Scarlino in der südlichen Toskana stellten Lehrkräfte fest, dass deutsche und italienische Schüler zwar räumlich zusammensaßen, aber jeder für sich auf dem Handy spielte. Diese Beobachtung war Ausgangspunkt einer Idee.
Wie und was spielen Jugendliche heute? Gibt es Unterschiede zwischen Deutschen und Italienern? Und wie spielten damals die Eltern und Großeltern?
Das waren die Leitfragen für das gemeinsame Projekt von Ludwig-Derleth-Realschule Gerolzhofen und der Außenstelle Scarlino der Scuola Media Gavarrano, mit dem sich die Partnerschulen erneut um die Aufnahme in das begehrte Comenius-Programm bewarben.
Die Chancen für eine neuerliche Berücksichtigung in diesem Programm waren denkbar schlecht. Denn beide Schulen profitierten schon zweimal von diesem europäischen Förderprogramm. Normal ist, dass Schulen nur einmal aufgenommen werden, denn andere sollen auch mal drankommen. Den Partnerschulen gelang es jetzt allerdings sogar zum dritten Mal ins Förderprogramm zu kommen, eben mit dieser Idee, das Spielverhalten in beiden Ländern zu vergleichen.
Das feierten die Gerolzhöfer und Scarlinesen am Montag gebührend in der Aula der Realschule Gerolzhofen. Dabei waren auch 15 Schüler aus Scarlino im Alter von 13 Jahren mit den Lehrkräften Katrin Ziegler und Irene Buzzeccoli.
Lehrerin Gertrud Friedrich, die zusammen mit ihrer Kollegin Rita Leibl das Comenius-Programm in Gerolzhofen organisiert, stellte das Projekt vor. Es trägt den Namen „Rückbesinnung kann Fortschritt einleiten – gezeigt an Spielen der Jugend zweier europäischer Nationen“. Ziel war eine Rückbesinnung auf traditionelle Spiele in beiden Ländern und auch, der anderen Seite solche Spiele beizubringen. So vergnügten sich junge Italiener und Deutsche gemeinsam beim „Mensch-Ärgere-dich-Nicht“.
Die Schüler fanden heraus, dass dieses Spiel hierzulande schon noch bekannt ist unter den Jüngeren, andere Spiele wie „Mühle“ oder „Dame“ dagegen weitgehend in Vergessenheit geraten sind.
Dabei befragten die Schüler auch Eltern und Großeltern. Damit sollte ein weiteres Ziel des Projektes erreicht werden, nämlich Jung und Alt in den Dialog zu bekommen. Dabei kam heraus, dass insbesondere die Großeltern viel mehr im Freien gespielt habe und dass die Alten weniger zeit zum Spielen hatten, weil sie bei der Feldarbeit oder im Haushalt helfen mussten.
Auf die heutige Zeit bezogen, fanden die Schüler auch heraus, dass die Deutschen das Handy länger zum Spielen nutzen als die italienischen Alterskollgen. Dort sagen die Eltern eher einmal „Schluss jetzt!“ Außerdem widmen sich deutsche Jugendlich stärker den Ego-Shooter-Spielen (digitale Schießspiele). Die Italiener bevorzugen dagegen Sportspiele auf dem Handy.
Im zweiten Teil des Projekts sollten die Schüler eigene Spiele entwickeln. Heraus kamen Lege- und Hüpfspiele oder auch ein Lernspiel zu den regenerativen Energien. Hier geht es darum, wie der Strom aus dem stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld ersetzt wird.
Das Projekt mündet in die Aufforderung: „Spielt mal wieder in der Familie.“ Als Anreiz dazu erhielten die beiden italienischen Lehrerinnen eine Sammlung deutscher Spiele. Die gesamte Projektarbeit leisteten die Schüler im freiwilligen Wahlunterricht am Nachmittag. Zur Kontrolle mussten sie Zwischenergebnisse bei der Antragsstelle einreichen.
Nun freuen sich die Schulen auf stattliches europäisches Fördergeld für gemeinsame Aktionen. Anlass genug für die Feierstunde, in der es die Gerolzhöfer Realschulleiterin Elisabeth Grimanelis als wichtige Aufgabe ihrer Schule bezeichnete, den Europa-Gedanken zu fördern. Dieser finde sich im Lehrplan in unterschiedlichen Jahrgangsstufen und Fächern wieder. Gelebt werde der Europa-Gedanke allerdings erst durch persönliche Begegnung.
„Schulen sind Produktionsstätten der Menschlichkeit, sofern sie bewirken, dass aus Menschen wirklich Menschen werden“, zitierte stellvertretende Landrätin Christine Bender den mährischen Philosophen, Theologen und Pädagogen Johann Amos Comenius (1592 bis 1670), nach dem das europäische Schulbildungsprogramm benannt ist. Mit Comenius habe sich die Realschule Gerolzhofen ein weiteres Stück von Europa und der Welt ins Klassenzimmer geholt. Solche Programme seien wichtig in einer Zeit, da Europa mehr auseinander zu triften als zusammenzuwachsen scheine.
Gerolzhofen sei offen für den europäischen Gedanken und stehe in vielfachem Austausch mit den Partnerstädten Mamers in Frankreich, Elek in Ungarn und Scarlino in Italien, sagte Bürgermeister Thorsten Wozniak.
Abschließend schraubten Schüler, Lehrer und Politiker gemeinsam die dritte Comenius-Tafel an die Wand der zweiten Schulaula. Das Schulorchester untrer Stefan Meusert umrahmte die Feierstunde.