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WÜRZBURG/SCHWEINFURT
Ein Schweinfurter auf Greenpeace-Mission
Marcus Wachtler fuhr für eine Woche an Bord der Beluga II von Greenpeace mit. Er klärt aus Überzeugung auf.
Foto: Greenpeace | Marcus Wachtler fuhr für eine Woche an Bord der Beluga II von Greenpeace mit. Er klärt aus Überzeugung auf.
Julia Haug
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:39 Uhr

Der Schweinfurter Marcus Wachtler (27) hat sich eine Woche freigenommen. Seinen Urlaub verbringt er diesmal auf dem Greenpeace-Kampagnenschiff Beluga II, das derzeit über den Main schippert. Motto der Greenpeace-Aktion ist „Welle machen für den Schutz der Meere“, und gegen den Plastikmüll, der in Weltmeeren und Seen dahin dümpelt. Zwischen 250 und 300 Leute kommen im Schnitt pro Tag an Bord, auch in Würzburg stehen Besucher Schlange, um übers Schiff geführt zu werden. Es ist Sonntag, kurz nach 15 Uhr. Wachtler hat noch nichts zu Mittag gegessen. Weil an Bord überall Menschengruppen sind, geht es zum Gespräch an Land auf eine Bank an der Uferpromenade.

Frage: Herr Wachtler, wie würden Sie reagieren, wenn ich Ihnen einen Coffee-To-Go mit Plastiklöffel anbieten würde?

Marcus Wachtler: Den würde ich schon gar nicht annehmen, weil ich kein Kaffeetrinker bin.

Und wie sieht's mit einem Tee zum Mitnehmen aus?

Wachtler: Den Plastiklöffel würde ich ablehnen, weil wir auf dem Schiff auch noch Besteck dabei haben, das wir benutzen könnten. Ich versuche, solche Plastikteile zu vermeiden.

Da sind Sie rigoros?

Wachtler: Bei manchen Lebensmitteln kommt man nicht drum herum. Aber ich versuche mein Möglichstes, um plastikfrei zu leben.

Sie sind Umweltaktivist – was macht man als solcher?

Wachtler: Hauptsächlich machen Ehrenamtliche wie ich Infostände, ich vorzugsweise in Schweinfurt, weil dort meine Ortsgruppe stationiert ist. Wir klären die Leute über Probleme auf, die in der Welt bestehen. Und wir wollen auch Lösungsvorschläge bieten. Andere Aktivisten sind zusätzlich bei Kampagnen wie zum Beispiel im März in der Nordsee aktiv. Dort hat Greenpeace die Stelle gekennzeichnet, wo DEA (ein Öl- und Gasunternehmen, Anm. d. Red.) eine Ölplattform bauen will.

Waren Sie bei einer extremeren Aktion auch schon dabei?

Wachtler: Nein, es ist fraglich, ob das für mich überhaupt möglich wäre. Man kann als arbeitender Mensch nicht überall vor Ort sein. Es wäre aber schon mal was Schönes, dabei zu sein.

Seit knapp einer Woche sind Sie auf dem Greenpeace-Zweimaster Beluga II dabei. Wie haben Sie sich eingelebt?

Wachtler: Einleben ging sehr schnell, weil wir alle das gleiche Interesse und gemeinsames Gesprächsthema haben. Außerdem schweißt, auf so engem Raum zusammenzuleben, zusammen. Jeder hat seine Stärken, die er einbringen kann.

Was sind denn Ihre Stärken und Aufgaben?

Wachtler: Ich hab mich eingebracht, wo zum Beispiel gehoben werden musste… Aber auch in der Küche, die habe ich zwei Tage lang übernommen. Es teilt sich alles ein, jeder muss ran. Das Schiff wird mit schwefelfreiem Diesel betrieben, aber auch so landet viel Dreck unter Deck. Wir sammeln unseren Müll und unser Abwasser und führen das gesondert ab. Wenn sich kein Duschplatz über die Ortsgruppe findet, gibt es auch eine Dusche an Bord.

Was führt Sie auf das Schiff?

Wachtler: Ich bin in unserer Ortsgruppe Schweinfurt Meeresansprechpartner und interessiere mich für Gewässer und Meere. Wenn man sieht, welche Plastikverschmutzung wir derzeit in der Welt haben, will ich die Leute aufklären.

Wieviel Plastik dümpelt denn in den Weltmeeren?

Wachtler: Man schätzt derzeit rund 150 Millionen Tonnen. Pro Jahr kommen weitere 13 Millionen dazu.

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Die Frage, was Sie auf das Schiff führt, haben Sie beantwortet. Aber was führt Sie nach Ihrem Urlaub wieder herunter?

Wachtler: Ich bin Software-Entwickler. Danach bin ich wieder im ganz normalen Arbeitsalltag.

Und als Software-Entwickler, produziert man da Müll?

Wachtler: Auch. Das Handy wird aber so lange genutzt, bis es ausgedient hat. Alle Produkte, die ich nutze, nutze ich bis zum Geht-Nicht-Mehr. „Oh, es kommt ein neues Handy auf den Markt, jetzt will ich das neueste Modell“ – so was gibt es bei mir nicht. Aber klar, es gibt den Verpackungsmüll der Computerteile. Aber auch als Entwickler sind wir normale Menschen, die Nahrung brauchen. Viel Gemüse ist plastikverpackt. Und wenn man keine Alternative hat, muss man manchmal in den sauren Apfel beißen.

In Ihrer Heimatstadt Schweinfurt sind Sie nicht an Bord, wenn das Schiff am 11. und 12. Juni anlegt…

Wachtler: Direkt an Bord nicht. Aber ich werde auch vor Ort für Fragen zur Verfügung stehen und für Schiffsführungen. Die Ortsgruppe – wir sind sechs Personen – hat am Ufer auch einen Infostand.

Was würden Sie speziell den Schweinfurtern gerne mitgeben? Sind die umweltbewusst oder eher nicht?

Wachtler: (zieht Luft durch die Zähne und lacht) Man sieht in der Innenstadt, an den Badeseen und an den Main-Promenaden schon häufiger Müll herumfliegen. Solcher Müll ließe sich durch Aufklärung vermeiden oder reduzieren. Es wäre schön, wenn Schweinfurt sauberer als jetzt würde.

Es gibt die Stadtaktion „Saubere Stadt“ – ein guter Anfang..?

Wachtler: Ein sehr guter Anfang. Es ist schön, dass von der Stadt die Tendenz kommt, Schweinfurt ökologischer und sauberer zu machen. Ich will auch nicht sagen, dass Schweinfurt eine verdreckte Stadt ist. Aber jetzt in der Schulabschlusszeit sehe ich häufig Müll an den Badeseen oder im Main rumtreiben.

Ist der Main also auch nicht plastikfrei?

Wachtler: Selbst der Main hat Mikroplastik in sich. Dieses Mikroplastik sind Teilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind. Plastikflaschen oder Tüten von Genäsch, das alles landet durch Wind im Wasser, auch wenn es einen Kilometer vom Wasser entfernt weggeschmissen worden ist. Im Wasser löst es sich in seine Partikel auf und landet im Endeffekt in den Meeren.

Der Schaden für Fische entsteht dann erst im Meer?

Wachtler: Auch schon unsere heimischen Fische können einen Schaden davontragen. Auch die größeren Plastikteilchen, zum Beispiel ein Q-Tipp, können manche Fische schon als Nahrung aufnehmen. Weil das Plastik nicht abbaubar ist, verhungern die Tiere mit vollem Magen.

Tagsüber Inforaum, nachts Feldbettlager für die Helfer.
Foto: Julia Haug | Tagsüber Inforaum, nachts Feldbettlager für die Helfer.
Bei Ihren Schiffsführungen – welche Fragen stellen die Leute?

Wachtler: Die Gäste fragen viel zum Schiff. Wie alt ist das Schiff? Oder wie kommt ihr mit den Masten durch die Brücken? Manche wollen auch konkrete Lösungsvorschläge wissen, wie man Müll vermeiden kann.

Wie denn? Ein praxisnaher Tipp?

Wachtler: Klar, der Stoffbeutel statt der Plastiktüte. Oder beim Grillen kein Plastikbesteck verwenden. Das geht schnell kaputt, landet im Müll und ist eine Wegwerfquelle. Stattdessen normales Besteck nehmen, ein Abwasch ist in 20 Minuten gemacht.

Vor eineinhalb Jahren sind Sie Greenpeace beigetreten. Gab es dafür einen Ausschlag gebenden Moment?

Wachtler: Ich hab mich schon immer für Meeresschutz interessiert, und bin dann durch Bekannte zur Ortsgruppe gestoßen. Das hat mich gepackt. Auch wenn wir nur Informationen weitergeben können – es ist wenigstens etwas.

Woher kommt das Interesse für Meeresumwelt?

Wachtler: Ich war mit meinen Eltern als Kind oft am Meer in Kroatien. Wir waren dort auch häufiger mit dem Boot unterwegs. Der Blick auf den Horizont hat mich fasziniert. Besonders schön fand ich, wenn kein Land mehr in Sicht war. Wahnsinn: diese Vielfalt der Meeresbewohner, sei es an der Oberfläche oder auf Bildern aus der Tiefsee. 70 Prozent der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt. Und vieles noch unerforscht!

Ist damals schon Müll auf dem Meer getrieben?

Wachtler: Etwas. Aber ehrlich gesagt, habe ich zu dem damaligen Zeitpunkt weniger darauf geachtet.

Wenn Sie nach einer Woche wieder von Bord gehen – haben Sie das Gefühl, dass Sie nachhaltig was erreichen konnten?

Wachtler: Ich denke schon. Nach einer Führung kommt immer mal wieder ein Dankeschön für die Tipps und das Feedback, dass wir so weitermachen sollen, um den späteren Generationen ein gutes Leben zu erhalten.


Marcus Wachtler und die Beluga II

Der Schweinfurter Marcus Wachtler ist seit eineinhalb Jahren ehrenamtlich für Greenpeace aktiv. Der 27-Jährige fuhr von Frankfurt bis Würzburg auf der Beluga II mit. Ein Raum unter Deck lässt sich mit Feldbetten zum Schlafraum umbauen. Wachtler führte Besucher übers Schiff, betreute die Ausstellung, oder erledigte mit der seemännischen Crew alltägliche Schiffsarbeiten. Bis zu elf Personen gehören zur Besatzung.

Die Beluga II, Baujahr 2002, 33,30 Meter lang, 6,20 Meter breit, ist das Kampagnen-Schiff von Greenpeace Deutschland. Es fuhr schon bis in den Kreml. Das Thema Plastikmüll in den Weltmeeren ist diesmal Schwerpunkt der Informationskampagne der Beluga II. Auf ihrer zweieinhalb Monate langen Tour kommt sie am 11. und 12. Juni auch nach Schweinfurt. Von 10 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr dürfen Besucher an Bord kommen.

Die nächste Kampagne mit der Beluga II wird im Sommer in der Nord- und Ostsee stattfinden: Der Ölkonzern DEA versucht, eine weitere Ölplattform zu errichten. Das will Greenpeace verhindern.

 
 
 
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