Er ist der Klassiker zur Weihnachtsgans oder zu weihnachtlichen Wildgerichten: Der Rotkohl oder besser das Blaukraut, wie er im Fränkischen nur heißt. Ein Wintergemüse, das wie andere Gemüsesorten traditionell im Schweinfurter Land angebaut wird, vor allem in Gochsheim und Sennfeld.
Mit Schwebheim stemmen die drei Dörfer ihr „Kräuter, Kraut und Rüben“-Projekt, um beispielhaft zu zeigen, wie wertvoll nicht nur rotes Blaukraut, Rote Rüben oder rote Zwiebeln sind.
Das Repertoire roter Gemüsesorten ist erstaunlich groß, das Heinz Müller im Gewächshaus des Gochsheimer Gemüse-Lehrgartens auf Wunsch zum Thema „Rot im Advent“ zusammengetragen hat: Auf dem Tisch liegen neben den violetten Kohlköpfen einige Rote Rüben - „Rote Beete klingt halt feiner, bei uns heißen sie Rote Rüben“ - , rote und blaue Kartoffeln, rote Ziebeln, roter Mangold, Reste von roten Tomaten, Paprika und Pepperoni sowie orange-rote Kürbisse.
„Roten Chicorée bauen wir auch an, aber vor 14 Tagen haben wir fast alles abgeräumt“, deutet der 62jährige auf die 4000 Quadratmeter große Fläche des Lehrgartens, die die Gemeinde für das Bildungsprojekt gepachtet hat. Dort stehen nur noch einige wenige Wintergemüse, Grünkohl zum Beispiel.
„Wir“, das ist der eigens gegründete Trägerverein „Kräuter, Kraut und Rüben“, mit dem Ehrenamtliche aus Gochsheim den Lehrgarten betreiben. Sie säen, pflegen, ernten, sie bieten Gruppenführungen an, sie geben das Wissen über die vielfältigen Gemüse und ihren Anbau, über die Kulturlandschaft, über alte Traditionen weiter. Heinz Müller ist eines der Vereinsmitglieder, die sich von März bis November jeden Mittwoch nachmittag treffen, um dort zu arbeiten. Dafür dürfen sie die Ernte auch mit nach Hause nehmen.
Müller ist echter Gochsheimer und vom Fach: Der Gartenbautechniker war Gartenbauberater beim Landwirtschaftsamt in Haßfurt. Jetzt, in seiner Altersteilzeit, hilft er im Lehrgarten mit und agiert dort auch als Gästeführer. „Die älteren Leute wissen noch viel über Gemüseanbau“, hat er bei seinen Gruppenführungen erfahren. „Aber schon bei den unter 50-Jährigen gibt es ganz schön Defizite“, ergänzt Katja Karl-Lukoszus. „Und von den Kindern wissen höchstens zwei Prozent noch ein bisschen Bescheid.“
Die junge Gärtnermeisterin und Mutter führt vor allem Schulen und Kindergärten durch den Lehrgarten. Da dürfen die Kinder spielerisch an die Getreidekörner herangehen und sie erraten, dürfen auch mal Karotten - Gelbe Rüben - ausreißen und mit nach Hause nehmen, sie dürfen Salat in Töpfe pflanzen und heimtragen oder sie helfen bei der Kartoffelernte mit, „je nach Jahreszeit“.
Deutlich zu machen, dass eben nicht rund ums Jahr alles hier bei uns wächst, ist ein Anliegen des Lehrgartens. Vor allem sollen die alten, traditionellen Kulturen vorgeführt werden, inklusive der klassischen Dreifelderwirtschaft. „Wir wollen die Zusammenhänge zeigen“, erklärt Heinz Müller.
Etwa die gedeihliche Gemeinschaft von Gemüsearten. Knoblauch und Gelbe Rüben beeinflussen sich beispielsweise positiv. „Früher gab es ja nicht die großen Parzellen wie heute“, erklärt der Gästeführer das gezielte Nebeneinander der Früchte. Dieses Wissen will das Projekt erhalten, weshalb auch im Lehrgarten mindestens zwei Kulturen auf einem Beet wachsen.
Saatgut war schwer aufzutreiben
Neben gängigen Gemüsesorten und den typischen Gochsheimer Gurken und Zwiebeln sind dort auch fast verschwundene Sorten zu sehen: Alte Hülsenfrüchte, etwa Ackerbohnen oder Linsen. „Wir hatten Anlaufschwierigkeiten und bekamen teilweise kein Saatgut mehr“, gibt Müller zu. Mühsam suchten sich die Vereinsmitglieder neue Bezugsquellen.
Oder Lein: „Früher ist die Öl- und Faserpflanze überall gewachsen“, weiß der Fachmann. Im Gochsheimer Reichsdorfmuseum fand er gar einen alten Flachsrechen, anhand dessen er jetzt den Gruppen vorführt, wie das geerntete Flachs gebrochen und zerfasert wurde, damit es versponnen werden konnte.
Das vergangene dritte Betriebsjahr des Lehrgartens bewertet der Trägerverein als vollen Erfolg: 28 Gruppen ließen sich das Gemüse-Schatzkästlein erläutern, 620 Personen zeigten Interesse, freut sich Heinz Müller.
„Bei den Rückmeldungen habe ich gemerkt, dass es noch viele Pflanzen gibt, die ich gar nicht auf dem Sender hatte“. Eibisch beispielsweise wurde in Gochsheim angebaut. Oder Tabak, auch Hanf, es gab doch in jedem Dorf eine Seilerei, sagt der 62jährige. Oder Mohn, fürs Kuchenbacken. Und Zichorie, als Kaffeeersatz. Heinz Müller gerät ins Schwärmen.
Seine Begeisterung wächst, als er in den Ausstellungsraum gegenüber führt. In vorhandenen Betriebsräumen einer Gärtnerei wird in einem kleinen Museum die Entwicklung des Gochsheimer Gemüsebaus gezeigt. Ein wandgroßes Schwarz-weiß Foto von 1908 fesselt den Blick: Gochsheimer Bäuerinnen bieten in Fulda auf dem Markt ihr Gemüse an. Bis Meiningen, Coburg, Würzburg oder Neustadt/Aisch, nach dem Bau der Eisenbahn sogar bis Berlin wurden die heimischen Produkte geschickt.
Beim Rückblick auf alte Zeiten wünscht sich Heinz Müller, dass heute wieder mehr Wert auf gesunde Ernährung gelegt wird. Und dass die Rolle des heimischen Gemüseanbaus wieder mehr gewürdigt wird.
Info: www.kraeuterkrautundrueben.schweinfurter-mainbogen.de
Rezept für Blaukraut oder Rotkraut
Selbst gemacht schmeckt Blaukraut besonders frisch und köstlich, weiß die Gochsheimer Gärtnermeisterin Katja Karl-Lukoszus.
Man hobelt dazu einen Kopf Blaukraut klein. Im Kochtopf bräunt man eine kleingeschnittene Zwiebel an und gibt das Kraut dazu. Ein Schuss Essig erhält die Farbe. Dann mischt man zwei geschälte und geviertelte Äpfel unter. Nach Belieben kann man mit Nelken, Lorbeerblatt und Zimt würzen. Mit einem halben Liter Fleischbrühe wird aufgefüllt und 30 bis 45 Minuten unter mehrfachem Umrühren geköchelt.
Dann salzen, mit Mehl bestäuben, gut verrühren und einen halben Liter Rotwein zugießen. Alles noch mal durchkochen, bis das Kraut weich ist. Man sollte nicht enttäuscht sein, wenn das Kraut nicht gleich so schmecken sollte. Es entfaltet erst beim Aufwärmen sein volles Aroma.